Metzler Lexikon Philosophie: Symbol
Während S. umgangssprachlich als Synonym für Zeichen verwendet wird, ist in der Philosophie damit meist eine besondere Art von Zeichen gemeint. Etymologisch verweist der Begriff (von griech. symbolon: das ˲Zusammengeworfene˱) auf zwei Teile eines Ganzen, die (wie z.B. die beiden Hälften eines zerschnittenen Geldscheins) jeder für sich den Wert des Ganzen repräsentieren. – Ist in dieser ursprünglichen Begriffsbedeutung die Möglichkeit einer Rückkehr von der symbolischen auf eine nicht-symbolische Ebene (z.B. durch Zusammenkleben des Geldscheins) noch prinzipiell möglich, so hat sich der heutige philosophische Sprachgebrauch gewandelt: Durch ein S. wird gerade auf etwas verwiesen, bei dem der Übergang von einer symbolischen zu einer nicht-symbolischen Ebene nicht mehr ohne weiteres möglich ist. Das S. vertritt das von ihm Repräsentierte sinnbildhaft und ermöglicht so erst (z.B. in der Kunst oder durch sprachliche S.e) die sinnliche Wahrnehmbarkeit abstrakter Ideen oder geistiger Inhalte. – Wie bei sonstigen Zeichen auch, kommt es dabei durch Interpretation zu einer laufenden Aktualisierung der Inhalte. Die Bedeutung eines S.s lässt sich daher nur unter Einbeziehung des jeweiligen Interpretanten und in Abhängigkeit von Konventionen bestimmen.
Umstritten ist, wie willkürlich die beteiligten Konventionen sind: Für Peirce, der Zeichen in Ikon, Index und S. unterteilt, ist es für S.e gerade charakteristisch, dass sie die Verbindung zu ihren Objekten einer willkürlichen Entscheidung verdanken. Saussure dagegen bezeichnet als S. das, was Peirce »Ikon« nennt, nämlich Zeichen, die mit dem von ihnen Bezeichneten (auch) dank dem Rudiment einer natürlichen Verbindung (»rudiment de lien naturel«) verbunden sind. Beide Autoren, Saussure wie Peirce untersuchen S.e unter systematischen Gesichtspunkten. – Cassirer dagegen stellt kulturhistorische Aspekte eines erst durch Zeichen möglichen Gegenstandbezugs in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Dabei unterscheidet er drei Dimensionen der symbolischen Formung, nämlich Ausdruck, Darstellung und Bedeutung. Symbolisch ist, a) das Verstehen (Wahrnehmen) eines Sinns in einem unmittelbaren sinnlichen Erlebnis (=Ausdruck), b) das Verstehen, das auf einen objektiven Sachverhalt hinweist (=Darstellung), und c) das Verstehen, das Zeichenbeziehungen und Entsprechungen im Sinn einer abstrakten Zuordnung erfasst (= Bedeutung). Von dieser Verwendung des Symbolbegriffs in Bezug auf Dimensionen der symbolischen Formung ist der Begriff der symbolischen Form zu unterscheiden. Damit bezeichnet Cassirer die für Abschnitte in der Menschheitsentwicklung jeweils typischen »Energien des menschlichen Geistes«, einen geistigen Bedeutungsgehalt an ein konkretes sinnliches Zeichen binden zu können. – Eine behavioristische Analyse symbolischer Prozesse findet sich bei dem amerikanischen Philosophen Mead: Die jeweilige Bedeutung eines S.s ergibt sich aus der hervorgerufenen Handlung (»act«) bzw. Reaktion (»response«), und zwar sowohl auf Seiten des Empfängers wie auch auf Seiten desjenigen, der das S. gebraucht. Durch die gemeinsam-geteilte (»shared«) Bedeutung eines S.s wird nämlich auch derjenige, der es hervorbringt, dazu veranlasst, auf den eigenen Stimulus in der gleichen Weise wie andere Personen zu reagieren. – Der Semiotiker Morris dagegen nutzt den Symbolbegriff, um Zeichen in Signale und S.e zu untergliedern. Charakteristisch für S.e ist es, dass sie durch einen Interpreten hervorgebracht werden und als Synonym andere Zeichen ersetzen. Sonstige Zeichen (auf die dies nicht zutrifft) sind für Morris Signale.
In der analytischen Philosophie spielt der Symbolbegriff nur implizit eine Rolle, da hier die sprachliche (semantische) Ebene im Mittelpunkt der Überlegungen steht. Eine Ausnahme ist die Diskussion von Problemen der Künstlichen Intelligenz-Forschung im Rahmen der analytischen Philosophie des Geistes. Der Symbolbegriff dient hier zur Unterscheidung von zwei kognitiven Modellen. Während in einem klassischen, symbolverarbeitenden Ansatz, das Vorhandensein einzelner, aber systematisch verbundener interner (symbolischer) Repräsentationen als konstitutiv für Kognition angenommen wird, geht ein zweiter, konnektionistischer Ansatz, von einer netzwerkartigen Repräsentationsstruktur aus, in der den einzelnen Elementen meist kein Inhalt mehr zugeordnet werden kann (Konnektionismus). Ob sich hieraus Konsequenzen für die Verwendung des Symbolbegriffs in der analytischen Philosophie des Geistes ergeben werden, bleibt abzuwarten.
Literatur:
- E. Cassirer: Philosophie der Symbolischen Formen. 3 Bände. Berlin 1923–1929
- Ders.: Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs. Darmstadt 61977
- Ders.: Das Symbolproblem und seine Stellung im System der Philosophie. Abgedruckt in: E. Cassirer: Symbol, Technik, Sprache. Hamburg 1985
- A. Collins/E. E. Smith (Hg.): Readings in Cognitive Science. San Mateo, Cal. 1988
- U. Eco: Semiotica e filosofia del linguaggio. Turin 1984 (dt.: Semiotik und Philosophie der Sprache. München 1985)
- G. H. Mead: Mind, Self, and Society. Chicago 81950 (dt.: Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt 1973)
- Ch. Morris: Signs, Language and Behavior. New York 51955
- H.Pape: Erfahrung und Wirklichkeit als Zeichenprozeß. C. S. Peirces Entwurf einer spekulativen Grammatik des Seins. Frankfurt 1989.
WvH
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