Jahresrückblick: Gesprengte kosmische Grenzen
Zu den Sternen reisen - dieser uralte Traum ist auch im Jahr 2005 nicht viel näher gerückt. Aber unser Planetensystem, das ist eine andere Sache. Da tummeln sich in praktisch jeder Ecke die unbemannten Sonden und schicken Wissenswertes und Überraschendes zur Erde. Nicht nur von der direkten Nachbarschaft, sondern auch aus den Tiefen des Weltalls, das mal wieder irgendwie anders ist, als wir es erwartet haben.
Das Bild hat sich gewandelt in den letzten Jahren. Gehörten die Weltraumforschung und erst recht die Raumfahrt dereinst den selbstbewussten US-Amerikanern, die allenfalls zähneknirschend den ein oder anderen Erfolg der Sowjetunion anerkennen mussten, geht es inzwischen viel bunter zu im All. Nicht nur die Europäer mischen in Kooperationen oder eigenen Projekten lautstark mit, sondern auch asiatische Staaten demonstrieren, dass sie nicht nur am Boden produzieren, sondern ebenso gut im Kosmos expandieren können. Multikulti jenseits der Atmosphäre, die dem Fortschritt eigentlich gut tun sollte.
Aufstieg durch Abstieg am Saturn
Der Hüpfer von Huygens war allerdings ein berechneter Sprung ins Verderben. Titan ist nämlich alles andere als ein gemütlicher Ort. Bei Temperaturen um -180 Grad Celsius bedeckt eine zerklüftete Schicht aus festem Methan und Stickstoffverbindungen den Mond. Kryo-Vulkane speien anscheinend gelegentlich Kohlenwasserstoffe in die Atmosphäre und lassen Abflussrinnen entstehen, die man zunächst für Hinweise auf Flüsse von Methan gehalten hatte. Eine Gegend für Leben, wie wir es von der Erde kennen, scheint dieser Ort kaum zu sein.
Für den Amateur ungleich interessanter ist jedoch das Ringsystem, das schließlich in klaren Nächten auch mit kleinen Teleskopen vom heimischen Garten aus zu sehen ist. Der genaue Blick von Cassini machte in manchen Teilringen Wirbel und Schleppen aus, die vermutlich von Kleinstmonden und ihrer Schwerkraft gebildet werden. Dabei wird auch immer wieder Material aus seiner Bahn geschleudert, sodass Cassini eine hübsche Menge für die spektroskopische Analyse einsammeln konnte. Demnach bestehen die Teilchen des großen A-Ringes zum größten Teil aus Wassereis oder Silikatverbindungen – also mal wieder schmutzige Schneebälle im Mikroformat.
Große Missionen zu kleinen Objekten
Aus ähnlichem Material bestehen sehr gerne auch die kleinen Dinge im Sonnensystem – Asteroide, Kometen und Kuipergürtel-Objekte. Zumindest vermuten Astronomen dies. Doch Vermutungen sind in der Wissenschaft nur von geringem Wert, und darum muss jemand nachsehen. Eine erkleckliche Anzahl von Raumsonden war also 2005 unterwegs zu bekannten, aber unzureichend erforschten Zielen.
Im März unternahm Rosetta auf ihrem Weg zum Kometen Tschurjumow-Gerasimenko eine kurze Stippvisite an der Erde vorbei. Um ihren Schützling, der immerhin erst im Jahre 2014 seine Reise beenden wird, nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen, veranstaltete die Esa bei dieser Gelegenheit einen Fotowettbewerb für Amateure. Allerdings welche von der ambitionierteren Art, denn bei einer Helligkeit der 8. bis 9. Größe bedurfte es schon fortgeschrittener Fähigkeiten, den Boten der Erde überhaupt ausfindig zu machen, geschweige denn, mehr als einen winzigen Lichtpunkt abzulichten.
Für die japanische Sonde Hayabusa wurde es hingegen bereits 2005 Ernst. Und zwar richtig! Glücklich im September am Asteroiden Itokawa angekommen sollte im November ein kleiner Lander direkte Messungen vornehmen, und Hayabusa selbst sollte sogar Materialproben sammeln und zur Erde zurück bringen. Eine weltweite Prämiere, von der sich die japanische Raumfahrtindustrie entsprechendes Ansehen versprach. Doch schon im Oktober gab es technische Schwierigkeiten, durch welche die Steuerung der Sonde erheblich schwieriger wurde. Vermutlich waren die Schwankungen des Mutterschiffs dann einer der Gründe dafür, dass zunächst der kleine Testlander Minerva im November beim Versuch, den Asteroiden zu entern, verloren ging.
Auf harmlose Gesteinsbrocken zu schießen, scheint 2005 bei den experimentellen Astronomen ein echter Trend gewesen zu sein. Als passionierte Cowboys durften die US-Amerikaner da natürlich nicht fehlen. Ihr Opfer hieß Temple 1 und ist ein eher unscheinbarer Komet. Vermutlich würde auch heute niemand seinen Namen kennen, wenn nicht die Nasa-Sonde Deep Impact ihm zufällig genau am Unabhängigkeitstag mit einem Geschoss eine tiefe Wunde geschlagen hätte. Teleskope auf der ganzen Erde und im Weltraum richteten ihre neugierigen Augen auf das nun freiliegende Innere des Kometen und starrten vom Infrarotbereich bis zu Röntgenstrahlen im gesamten elektromagnetischen Spektrum.
Die chemische Fernanalyse lieferte Anzeichen für Wasserdampf, Zyanwasserstoff und Kohlendioxid – in anderer Mengenzusammensetzung als sie für Kometenschweife typisch ist. Anstelle eines "schmutzigen Schneeballs" handelt es sich wohl eher um "eisige Staubbälle", fassen die Forscher zusammen. Temple 1 indes hat sich relativ schnell von dem Crash erholt. Weder stieg seine Auswurf-Aktivität durch den Zusammenprall an, noch ließ er sich von der Bahn schubsen. Eben ein harter Vertreter aus den unwirklichen Randbereichen des Sonnensystems.
Die hat ein Veteran unter den Raumsonden wahrscheinlich gerade hinter sich gebracht. Voyager 1 ist den Messdaten zufolge auf die Grenze zum echten Kosmos gestoßen. Der Dunstkreis unserer Sonne erstreckt sich nämlich fast neun Milliarden Kilometer in den Raum hinein – so weit dominiert der Sonnenwind genannte Teilchenstrom die Umgebung. Relativ unvermittelt stößt er dann auf die interstellare Materie, was einen kräftigen Temperatursprung mit sich bringt. Nach über 10 000 Tagen im All macht Voyager 1 sich nun auf, das große, weite Draußen zu erkunden – und uns hoffentlich noch lange Messwerte von dort zu senden.
Noch kein Mann im Mond
So weit wie Voyager hat es die kleine Sonde Smart-1 bei weitem nicht gebracht. Dafür testet das Esa-Schiff weiterhin völlig neuartige Technologien, wie zum Beispiel seinen Ionenantrieb. Der hat es immerhin in eine stabile Umlaufbahn um den Erdenmond getragen, und Anfang des Jahres bedankte sich Smart-1 mit einer Reihe schöner Fotos.
Und so machen andere Nationen die Schlagzeilen, wenn es um Hüpfer in den erdnahen Raum geht. Während die Nasa nach einem zögerlichen Versuch im Juli 2005 ihr Shuttle-Programm erstmal wieder auf Eis gelegt hat, schickte China zum zweiten Mal seine Taikonauten in den Himmel. Fünf Tage verbachten Fei Junlong und Nie Haisheng im Oktober im Orbit und durften sich währenddessen in ihrer Kapsel frei bewegen – ihr Vorgänger hatte noch auf seinem Platz sitzen bleiben müssen. Außerdem gab es endlich warme Gerichte zu den Mahlzeiten. Eine essentielle Voraussetzung, um vor den Amerikanern das erste Fly-In-Restaurant im Erdorbit zu erstellen.
Kosmische Schwierigkeiten
Verzichten wir darauf, persönlich vor Ort zu sein, und geben uns mit dem Blick auf den Computer zufrieden – der ja inzwischen unseren Platz am Teleskop eingenommen hat –, öffnet sich der ganze Kosmos unserem Auge. Der ganze Kosmos? Nein, so viel nun doch nicht. Denn alles, was mehr als etwa 13 Milliarden Lichtjahre entfernt ist, verschwindet in einem Dunst von Unsichtbarkeit. In dieser Distanz verlässt unser Blick in die Vergangenheit das Zeitalter der Materie. Zumindest wenn die Theorie vom Urknall gilt – doch da sind sich die Wissenschaftler nicht mehr so ganz sicher.
Es sei denn, die Werte einiger Naturkonstanten hätten sich während der Entwicklung des Universums ein wenig geändert. – Eine Hypothese, die Wissenschaftler eigentlich bereits als erledigt und vergessen abgelegt hatten. Doch auch sie erlebte im April eine Wiedergeburt, als hochpräzise Messungen an Quasaren eine winzige, aber vorhandene Abweichung vom aktuellen Wert für die Feinstrukturkonstante zeigten. Bei der Feinstrukturkonstanten handelt es sich allerdings nur um eine Kombination anderer Naturkonstanten, darunter die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. Ein leichtes Zittern in diesen Daten lässt das gesamte Gebäude der modernen Physik erbeben.
Die Lösung dieses Dilemmas war 2005 nicht in Sicht. Womöglich löst sich demnächst alles in Wohlgefallen und Harmonie auf. Vielleicht stehen wir aber am Beginn einer neuerlichen Revolution im astronomischen Weltbild. Ohne Urknall, mit variablen Konstanten und einem Chinarestaurant auf dem Mond. Genaueres werden wir wohl frühestens 2006 erfahren.
Aufstieg durch Abstieg am Saturn
Den Reigen eröffnet hat 2005 die Mission Cassini-Huygens. Nachdem der Doppelpack aus Nasa-Sonde zur Erforschung des Planeten Saturn und Esa-Lander für die Erkundung des Mondes Titan bereits 2004 sein Ziel nach mehrjähriger Tour erreicht hatte, näherte sich die Expedition am 14. Januar 2005 ihrem Höhepunkt: Huygens tauchte an Fallschirmen durch die fremdartige Atmosphäre des Titan. Etwa vier Stunden lang sandte die Sonde eifrig Messdaten von Methanwolken und Kohlenwasserstoffseen. Und natürlich Fotos. Über 300 an der Zahl, die gespannte Amateure eiligst aus dem Internet heraussaugten, selbst aus den Rohdaten errechneten und eifrig interpretierten. Doch damit nicht genug! Huygens hatte eine echte Multimedia-Show geliefert. Ein spezielles Mikrofon hatte aufgezeichnet, wie es sich anhört, auf dem zweitgrößten Mond des Sonnensystem aus allen Wolken zu fallen. Eigentlich klingt es genauso wie Fallschirmspringen auf der Erde, und doch lässt der Gedanke an die Entfernung beim Zuhören ein wohlig-gruseliges Kribbeln über den Rücken laufen.
Der Hüpfer von Huygens war allerdings ein berechneter Sprung ins Verderben. Titan ist nämlich alles andere als ein gemütlicher Ort. Bei Temperaturen um -180 Grad Celsius bedeckt eine zerklüftete Schicht aus festem Methan und Stickstoffverbindungen den Mond. Kryo-Vulkane speien anscheinend gelegentlich Kohlenwasserstoffe in die Atmosphäre und lassen Abflussrinnen entstehen, die man zunächst für Hinweise auf Flüsse von Methan gehalten hatte. Eine Gegend für Leben, wie wir es von der Erde kennen, scheint dieser Ort kaum zu sein.
Bei all dem Trubel kam einer fast zu kurz: Titans Mutterplanet Saturn. Dabei widmete die Cassini-Sonde seinem berühmten Ringsystem ebenso Aufmerksamkeit wie den vielen Monden. Sei es der entfernte Phoebe, den der Planet womöglich früher zwischendurch einmal eingefangen und dann behalten hatte, oder der zweifarbige Iapetus mit seiner hellen und dunklen Seite – sie alle geben den Wissenschaftlern reihenweise Rätsel auf, deren Lösungen vielleicht in der noch nicht vollständig gesichteten Datenflut verborgen liegen.
Für den Amateur ungleich interessanter ist jedoch das Ringsystem, das schließlich in klaren Nächten auch mit kleinen Teleskopen vom heimischen Garten aus zu sehen ist. Der genaue Blick von Cassini machte in manchen Teilringen Wirbel und Schleppen aus, die vermutlich von Kleinstmonden und ihrer Schwerkraft gebildet werden. Dabei wird auch immer wieder Material aus seiner Bahn geschleudert, sodass Cassini eine hübsche Menge für die spektroskopische Analyse einsammeln konnte. Demnach bestehen die Teilchen des großen A-Ringes zum größten Teil aus Wassereis oder Silikatverbindungen – also mal wieder schmutzige Schneebälle im Mikroformat.
Große Missionen zu kleinen Objekten
Aus ähnlichem Material bestehen sehr gerne auch die kleinen Dinge im Sonnensystem – Asteroide, Kometen und Kuipergürtel-Objekte. Zumindest vermuten Astronomen dies. Doch Vermutungen sind in der Wissenschaft nur von geringem Wert, und darum muss jemand nachsehen. Eine erkleckliche Anzahl von Raumsonden war also 2005 unterwegs zu bekannten, aber unzureichend erforschten Zielen.
Im März unternahm Rosetta auf ihrem Weg zum Kometen Tschurjumow-Gerasimenko eine kurze Stippvisite an der Erde vorbei. Um ihren Schützling, der immerhin erst im Jahre 2014 seine Reise beenden wird, nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen, veranstaltete die Esa bei dieser Gelegenheit einen Fotowettbewerb für Amateure. Allerdings welche von der ambitionierteren Art, denn bei einer Helligkeit der 8. bis 9. Größe bedurfte es schon fortgeschrittener Fähigkeiten, den Boten der Erde überhaupt ausfindig zu machen, geschweige denn, mehr als einen winzigen Lichtpunkt abzulichten.
Für die japanische Sonde Hayabusa wurde es hingegen bereits 2005 Ernst. Und zwar richtig! Glücklich im September am Asteroiden Itokawa angekommen sollte im November ein kleiner Lander direkte Messungen vornehmen, und Hayabusa selbst sollte sogar Materialproben sammeln und zur Erde zurück bringen. Eine weltweite Prämiere, von der sich die japanische Raumfahrtindustrie entsprechendes Ansehen versprach. Doch schon im Oktober gab es technische Schwierigkeiten, durch welche die Steuerung der Sonde erheblich schwieriger wurde. Vermutlich waren die Schwankungen des Mutterschiffs dann einer der Gründe dafür, dass zunächst der kleine Testlander Minerva im November beim Versuch, den Asteroiden zu entern, verloren ging.
Kein gutes Omen für Hayabusas schwierigsten Auftrag: Asteroidensand einsammeln und zur Erde bringen. Auch dabei musste zunächst der erste Versuch abgebrochen werden. Im zweiten Anlauf gelang dann zwar die Landung und zunächst hieß es auch, zwei Projektile seien wie gewünscht aus der Sonde in den Boden geschossen, hätten Material aufgewirbelt, und dieses sei in Fangkörben gelandet – so weit, so gut. Doch beim Aufstieg offenbarte sich ein ernsthaftes Problem: ein Leck im Steuertriebwerk. Zwar konnten die Ingenieure eine Notlösung improvisieren, aber der Verlust an Treibstoff stellt die Rückkehr zur Erde ernsthaft in Frage: Den günstigen Abflugtermin verpasste Hayabusa jedenfalls schon. Vor dem japanischen Team liegen also nach einem Jahr der Pannen im besten Fall ein paar Jahre der Dramatik. Denn nun muss die Sonde zunächst einmal in ihrer eisigen Parklücke beim Asteroiden verharren, bevor sie vielleicht einmal doch noch – Jahre verspätet – zur Erde zurückfliegen und für das das Land der aufgehenden Sonne als erste Staub von einem Asteroiden zur Erde bringen kann.
Auf harmlose Gesteinsbrocken zu schießen, scheint 2005 bei den experimentellen Astronomen ein echter Trend gewesen zu sein. Als passionierte Cowboys durften die US-Amerikaner da natürlich nicht fehlen. Ihr Opfer hieß Temple 1 und ist ein eher unscheinbarer Komet. Vermutlich würde auch heute niemand seinen Namen kennen, wenn nicht die Nasa-Sonde Deep Impact ihm zufällig genau am Unabhängigkeitstag mit einem Geschoss eine tiefe Wunde geschlagen hätte. Teleskope auf der ganzen Erde und im Weltraum richteten ihre neugierigen Augen auf das nun freiliegende Innere des Kometen und starrten vom Infrarotbereich bis zu Röntgenstrahlen im gesamten elektromagnetischen Spektrum.
Zu sehen bekamen sie einen grellen Blitz und eine gewaltige Staubwolke. Das Oberflächenmaterial des Kometen war lockerer als erwartet und bestand aus kleinere Teilchen von weniger als einem Zehntel Millimeter Durchmesser. Staub, den die Schwerkraft des Weltraumreisenden kaum halten kann. An manchen Stellen zeigte der Komet jedoch auch Kanten und Auswurfregionen, an denen vereinzelt Material ausströmt. Offenbar verteilt sich Wärmeenergie nicht so gut, und so suchen sich heiße Substanzen immer wieder ihren Weg durch die kalten Bereiche.
Die chemische Fernanalyse lieferte Anzeichen für Wasserdampf, Zyanwasserstoff und Kohlendioxid – in anderer Mengenzusammensetzung als sie für Kometenschweife typisch ist. Anstelle eines "schmutzigen Schneeballs" handelt es sich wohl eher um "eisige Staubbälle", fassen die Forscher zusammen. Temple 1 indes hat sich relativ schnell von dem Crash erholt. Weder stieg seine Auswurf-Aktivität durch den Zusammenprall an, noch ließ er sich von der Bahn schubsen. Eben ein harter Vertreter aus den unwirklichen Randbereichen des Sonnensystems.
Die hat ein Veteran unter den Raumsonden wahrscheinlich gerade hinter sich gebracht. Voyager 1 ist den Messdaten zufolge auf die Grenze zum echten Kosmos gestoßen. Der Dunstkreis unserer Sonne erstreckt sich nämlich fast neun Milliarden Kilometer in den Raum hinein – so weit dominiert der Sonnenwind genannte Teilchenstrom die Umgebung. Relativ unvermittelt stößt er dann auf die interstellare Materie, was einen kräftigen Temperatursprung mit sich bringt. Nach über 10 000 Tagen im All macht Voyager 1 sich nun auf, das große, weite Draußen zu erkunden – und uns hoffentlich noch lange Messwerte von dort zu senden.
Noch kein Mann im Mond
So weit wie Voyager hat es die kleine Sonde Smart-1 bei weitem nicht gebracht. Dafür testet das Esa-Schiff weiterhin völlig neuartige Technologien, wie zum Beispiel seinen Ionenantrieb. Der hat es immerhin in eine stabile Umlaufbahn um den Erdenmond getragen, und Anfang des Jahres bedankte sich Smart-1 mit einer Reihe schöner Fotos.
Auf denen können sich zukünftige Astronauten schon einmal nach einem geeigneten Landeplatz umsehen. Denn die Zukunftsvisionen des US-amerikanischen Präsidenten sind schließlich darauf gerichtet, zu wiederholen, was 1969 zum ersten Mal gelang: Menschen auf den Mond und unversehrt wieder zurück zu bringen. So wie damals würde man es heute jedoch bestimmt nicht machen, erklären dazu Experten. Denn der Pioniergeist von dazumal sei inzwischen längst einer ängstlichen Risikoabschätzung gewichen.
Und so machen andere Nationen die Schlagzeilen, wenn es um Hüpfer in den erdnahen Raum geht. Während die Nasa nach einem zögerlichen Versuch im Juli 2005 ihr Shuttle-Programm erstmal wieder auf Eis gelegt hat, schickte China zum zweiten Mal seine Taikonauten in den Himmel. Fünf Tage verbachten Fei Junlong und Nie Haisheng im Oktober im Orbit und durften sich währenddessen in ihrer Kapsel frei bewegen – ihr Vorgänger hatte noch auf seinem Platz sitzen bleiben müssen. Außerdem gab es endlich warme Gerichte zu den Mahlzeiten. Eine essentielle Voraussetzung, um vor den Amerikanern das erste Fly-In-Restaurant im Erdorbit zu erstellen.
Kosmische Schwierigkeiten
Verzichten wir darauf, persönlich vor Ort zu sein, und geben uns mit dem Blick auf den Computer zufrieden – der ja inzwischen unseren Platz am Teleskop eingenommen hat –, öffnet sich der ganze Kosmos unserem Auge. Der ganze Kosmos? Nein, so viel nun doch nicht. Denn alles, was mehr als etwa 13 Milliarden Lichtjahre entfernt ist, verschwindet in einem Dunst von Unsichtbarkeit. In dieser Distanz verlässt unser Blick in die Vergangenheit das Zeitalter der Materie. Zumindest wenn die Theorie vom Urknall gilt – doch da sind sich die Wissenschaftler nicht mehr so ganz sicher.
Immer wieder tauchen Objekte auf, die zu alt oder zu weit entfernt sind, als dass es sie geben dürfte. Galaxien etwa, die schon da waren, als es eigentlich noch keine Sterne geben sollte. Oder Schwarze Löcher, die ebenfalls ihren Auftritt erst deutlich später haben sollten. Es ist offenbar irgend etwas faul beim Zusammenspiel von Theorie und Beobachtung. In diese wacklige Situation platzte dann im August 2005 die Nachricht, dass der Satellit Wilkinson Microwave Anisotropy Probe ausgerechnet den Kronzeugen für einen Urknall ein weiteres Mal in den Zeugenstand rief und seine Angaben als Argument gegen den Big Bang auslegte. Wäre das Modell zutreffend, müsste es in der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung viel deutlichere Klumpungen geben, sagen Forscher.
Es sei denn, die Werte einiger Naturkonstanten hätten sich während der Entwicklung des Universums ein wenig geändert. – Eine Hypothese, die Wissenschaftler eigentlich bereits als erledigt und vergessen abgelegt hatten. Doch auch sie erlebte im April eine Wiedergeburt, als hochpräzise Messungen an Quasaren eine winzige, aber vorhandene Abweichung vom aktuellen Wert für die Feinstrukturkonstante zeigten. Bei der Feinstrukturkonstanten handelt es sich allerdings nur um eine Kombination anderer Naturkonstanten, darunter die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. Ein leichtes Zittern in diesen Daten lässt das gesamte Gebäude der modernen Physik erbeben.
Die Lösung dieses Dilemmas war 2005 nicht in Sicht. Womöglich löst sich demnächst alles in Wohlgefallen und Harmonie auf. Vielleicht stehen wir aber am Beginn einer neuerlichen Revolution im astronomischen Weltbild. Ohne Urknall, mit variablen Konstanten und einem Chinarestaurant auf dem Mond. Genaueres werden wir wohl frühestens 2006 erfahren.
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