Ökologie: Rechnung ohne Wirt
Zu den Verlierern der Erderwärmung zählen die Arktis und ihre kältetoleranten Bewohner: Zuwanderer aus Süden sollen sie verdrängen und gefährden - zumindest in den Modellen der Klimaforscher. Diese übersehen bisweilen allerdings auch Einflussfaktoren - selbst wenn diese so groß sind wie ausgewachsene Moschusochsen.
Die Welt wird wärmer, das Eis zieht sich zurück, und aus Süden marschieren Bäume und Sträucher immer weiter in arktische Gefilde. Am Ende bedeckt dichte Vegetation die Tundra, wo einst nur wenige harte Pflanzen den Bedingungen in ausgedehnten, bitter kalten Geröllwüsten trotzten: so weit, so theoretisch im Modell, wenn man die prognostizierte Aufheizung der Arktis abwägt mit den ökologischen Ansprüchen der örtlich vorhandenen Gewächse.
Vormarsch der Zwergsträucher
Eine positive vegetabile Antwort erhielten auch Eric Post und Christian Pedersen von der Penn State University in University Park in ihrer fünfjährigen Studie zum Klimawandel und seinen Folgen im westlichen Grönland. Sie beobachteten, wie sich die Vegetation in abgezäunten Feldern verändert, wenn sie zusätzlich künstlich erwärmt wird, um zukünftige Temperaturverhältnisse zu simulieren. Und tatsächlich legten die Pflanzen in dieser Zeit an Biomasse zu, wobei vor allem Zwergbirken (Betula nana) und Grauweiden (Salix glauca) profitierten: Sie breiteten sich verstärkt aus und wuchsen kräftiger; verglichen mit anderen Flächen verdoppelte sich mehr oder weniger ihr Gesamtanteil auf Kosten von Gräsern und Kräutern.
Einsatz der Megaherbivoren
So weit, so vorhersehbar. Post und Pedersen gingen nun jedoch noch einen Schritt weiter. Denn bisherige Studien hatten offenbar einen sehr gewichtigen Einflussfaktor außen vorgelassen: Moschusochsen und Rentiere. Diese beiden letzten Überlebenden der pleistozänen, arktischen Großtierfauna vertilgen enorme Mengen Grünzeug, wobei sie die saftigen Blätter der Zwergbirken und Kräuter den eher schwer verdaulichen Gräsern vorziehen. Auf den Vergleichsflächen schöpften die beiden Säuger den durch die Erwärmung erzeugten Biomassezuwachs der beiden Gruppen sogleich um mehr als die Hälfte wieder ab und förderten dadurch die verschmähten Gräser. Damit verhinderten sie, dass diese Flecken den gleichen Weg gingen wie die Testflächen, auf denen sie durch Zäune vom Grasen abgehalten wurden – und bewahrten das ursprüngliche arktische Grasland vor der Verbuschung.
Diese Zusammenhänge lassen sich jedoch nach der bisherigen Untersuchungsdauer noch nicht einmal ansatzweise beantworten, weshalb das arktische Experiment noch weiter und in größerem Maßstab verfolgt werden soll. Dann dürften die Forscher vielleicht noch mehr Störfaktoren der reinen Lehre entdecken, wie sie auch zur Halbzeit ihres Projekts auftauchten: Eine Raupenplage fraß sich durch Teile der Versuchsfelder – außer den Gräsern ließ sie praktisch nichts stehen.
Und tatsächlich beobachten Forscher in Kanada, Alaska, Skandinavien oder Sibirien, dass Weiden, Fichten oder Lärchen polwärts vordringen und mittlerweile kleine Haine bilden, wo auf historischen Aufnahmen allenfalls einzelnes verkrüppeltes Krummholz zu sehen war. Die steigenden Durchschnittstemperaturen verbesserten in der Zwischenzeit ihre Chancen: Alaska und Teile Westkanadas sind heute 3 bis 4 Grad Celsius wärmer als 1950, andere Regionen jenseits von 60 Grad nördlicher Breite immerhin noch 1 bis 2 Grad – doppelt so stark wie die Aufheizung im weltweiten Mittel.
Vormarsch der Zwergsträucher
Eine positive vegetabile Antwort erhielten auch Eric Post und Christian Pedersen von der Penn State University in University Park in ihrer fünfjährigen Studie zum Klimawandel und seinen Folgen im westlichen Grönland. Sie beobachteten, wie sich die Vegetation in abgezäunten Feldern verändert, wenn sie zusätzlich künstlich erwärmt wird, um zukünftige Temperaturverhältnisse zu simulieren. Und tatsächlich legten die Pflanzen in dieser Zeit an Biomasse zu, wobei vor allem Zwergbirken (Betula nana) und Grauweiden (Salix glauca) profitierten: Sie breiteten sich verstärkt aus und wuchsen kräftiger; verglichen mit anderen Flächen verdoppelte sich mehr oder weniger ihr Gesamtanteil auf Kosten von Gräsern und Kräutern.
Überträgt man diese Gewinne auf die Ökosystemebene, könnte dies nicht nur die Artengemeinschaften stark verändern, sondern gleichfalls weit reichende Rückkoppelungen auf den Klimawandel selbst haben: Wenn statt heller grasiger oder steiniger Flächen mehr und mehr relativ dunkle Strauchländer vorliegen, verringert sich die Albedo. Weniger Sonnenenergie wird ins All reflektiert, stattdessen speichert die Region mehr Wärmeenergie, was den Wandel weiter beschleunigt.
Einsatz der Megaherbivoren
So weit, so vorhersehbar. Post und Pedersen gingen nun jedoch noch einen Schritt weiter. Denn bisherige Studien hatten offenbar einen sehr gewichtigen Einflussfaktor außen vorgelassen: Moschusochsen und Rentiere. Diese beiden letzten Überlebenden der pleistozänen, arktischen Großtierfauna vertilgen enorme Mengen Grünzeug, wobei sie die saftigen Blätter der Zwergbirken und Kräuter den eher schwer verdaulichen Gräsern vorziehen. Auf den Vergleichsflächen schöpften die beiden Säuger den durch die Erwärmung erzeugten Biomassezuwachs der beiden Gruppen sogleich um mehr als die Hälfte wieder ab und förderten dadurch die verschmähten Gräser. Damit verhinderten sie, dass diese Flecken den gleichen Weg gingen wie die Testflächen, auf denen sie durch Zäune vom Grasen abgehalten wurden – und bewahrten das ursprüngliche arktische Grasland vor der Verbuschung.
Gleichzeitig zerstören Ochs und Ren allerdings die Hoffnung mancher Klimaforscher, die in den sich ausbreitenden Holzpflanzen neue Kohlenstoffsenken erblickt hatten: Die langlebigen Bäumchen und Zwergsträucher hätten der Atmosphäre auf längere Zeit Kohlendioxid entzogen und damit die Erderwärmung gebremst. Unklar ist allerdings noch, ob die steigenden Temperaturen nicht einfach so irgendwann auch den beiden Huftieren den Garaus bereiten könnte, setzen ihnen doch in wärmeren Umwelten Insekten, Krankheiten oder schlicht Überhitzung stark zu. Paradoxerweise bescheren ihnen mildere Winter vielleicht auch noch Hunger, denn dann nimmt die Luft mehr Feuchtigkeit auf, sodass mehr Schnee auf ihre Weidegründe fällt und die Nahrung bedeckt.
Diese Zusammenhänge lassen sich jedoch nach der bisherigen Untersuchungsdauer noch nicht einmal ansatzweise beantworten, weshalb das arktische Experiment noch weiter und in größerem Maßstab verfolgt werden soll. Dann dürften die Forscher vielleicht noch mehr Störfaktoren der reinen Lehre entdecken, wie sie auch zur Halbzeit ihres Projekts auftauchten: Eine Raupenplage fraß sich durch Teile der Versuchsfelder – außer den Gräsern ließ sie praktisch nichts stehen.
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