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Naturkatastrophen: Seebeben im Indischen Ozean

Das verheerende Seebeben vor Sumatra und die anschließenden Tsunamis hinterließen nicht nur zigtausende menschliche Tragödien, sondern beeinflussten auch massiv die natürliche Umwelt der Region. Selbst Kartenwerke müssen zukünftig umgezeichnet werden.
Küste Sri Lankas nach Tsunami
Angesichts der dramatischen Opferzahlen und der vielen menschlichen Schicksale sind Meldungen über die ökologischen und wissenschaftlichen Begleiterscheinungen der Naturkatastrophe zunächst zweitrangig. Aber das Beben und die von ihm ausgelösten Flutwellen führten auch zu mannigfaltigen Schäden an Ökosystemen und verursachten geotektonische Veränderungen an der Erdoberfläche.

Mit einer Magnitude von 9,0 auf der so genannten Richter-Skala war das Seebeben vor Sumatras Küste das stärkste seit vierzig Jahren und überhaupt eines der gewaltigsten, das je gemessen wurde. Es setzte eine gigantische Energiemenge frei, die nach Aussage von Roger Musson vom British Geological Survey etwa der Sprengkraft von 200 Millionen Tonnen TNT entsprach.

Ausbreitung von Tsunami-Wellen (1) | Ausbreitung von Tsunami-Wellen (1): Die Animation der amerikanischen National Oceanic & Atmospheric Administration (NOAA) zeigt die Ausbreitung der Tsunamis, die Minuten bis Stunden nach dem starken Seebeben vor Sumatra viele Küstengebieten Süd- und Südostasiens verheerten. Ausläufer erreichten schließlich sogar noch Ostafrika und rissen dort über 100 Menschen in den Tod. Insgesamt töteten die Flutwellen wahrscheinlich mehr als 100 000 Menschen.
Sie staute sich auf durch den Drang der Indischen Platte unter die Burma-Mikroplatte, welche die Inselgruppen der Andamanen und Nikobaren sowie die Nordspitze Sumatras trägt, und die Sunda-Platte. Auf letzterer liegen neben dem Großteil Sumatras auch große Gebiete Südostasiens. Die Erdkrustenstücke gleiten aber entlang des Sunda-Grabens nicht reibungslos untereinander, sondern verhaken und verkeilen sich beim Abtauchen. Als die Spannungen zwischen den Platten zu groß wurden, lösten sie sich ruckartig unter Auslösung des starken Erdtremors, und der Boden des Indischen Ozeans schnellte um ungefähr 15 Meter in Richtung Indonesiens.

Ausbreitung von Tsunami-Wellen (2) | Ausbreitung von Tsunami-Wellen (2)
Das Seebeben war so heftig, dass die ozeanische Kruste in seinem Bereich auf einer Länge von etwa 1200 Kilometern aufriss. Offensichtlicher machen sich seine geologischen Folgen allerdings noch auf der Erdoberfläche bemerkbar: So könnten nach Angaben des US Geological Survey viele Inseln der Andamanen und Nikobaren sowie Simeulue um bis zu zwanzig, die Nordspitze Sumatras sogar 36 Meter nach Westen gerückt sein.

Ausbreitung von Tsunami-Wellen (3) | Ausbreitung von Tsunami-Wellen (3)
Die Landmassen betrafen wohl auch Hebungs- und Senkungsprozesse: Die zu Indien zählenden Andamanen und Nikobaren wurden so vielleicht von der abtauchenden Indischen Platte emporgehoben. Die indonesische Stadt Banda Aceh, die weitgehend von Beben und Tsunamis zerstört wurde, sank dagegen nach ersten Messungen ab. Diese Veränderungen müssen allerdings noch mit Satellitenaufnahmen und Globalen Positionierungssystemen (GPS) bestätigt werden.

Ausbreitung von Tsunami-Wellen (4) | Ausbreitung von Tsunami-Wellen (4)
Karten mit großen Maßstäben müssen aber vielleicht auch noch aus anderen Gründen umgezeichnet werden, denn die nordwestlich von Indonesien liegenden Inselgruppen waren mit die ersten, die von den Tsunamis getroffen wurden. Diese hatten entsprechend viel Energie und überspülten viele der flachen Inseln völlig – zum Teil mit Meter hohen Fluten. Einige der kleineren Eilande könnten dadurch völlig untergegangen und vom Antlitz der Erde verschwunden sein. Ähnliches steht auch für bestimmte Atolle der Malediven zu befürchten. Auch hier müssen Satelliten den letzten Beweis erbringen.

Ausbreitung von Tsunami-Wellen (5) | Ausbreitung von Tsunami-Wellen (5)
Selbst Erdrotation und Erdachse wurden von der Wucht des Bebens beeinflusst. Nach Messungen des Internationalen GPS Services an der Universität Bern hat sich die Position der Erdachse um acht Zentimeter von ihrer Sollposition verschoben. Dies ist nach Angaben der Berner Wissenschaftler die größte Abweichung der Rotationsachse seit Beginn der GPS-Überwachung 1992, die auf einzelnes Ereignis zurückgeführt werden kann.

Grund zur Besorgnis muss man aber deswegen nicht haben, denn die natürliche Schwankungsbreite der Erdachse durch Massenumlagerungen im Erdinneren, in Ozeanen und der Atmosphäre beträgt täglich bis zu 15 Meter. Allerdings könnte es durch eine minimal erhöhte Rotationsgeschwindigkeit zu einer Verkürzung der Tageslänge kommen. Diese liegt jedoch im Bereich von Millionstel Sekunden und ist somit nur von wissenschaftlichem Interesse.

Ganz abgesehen von den menschlichen Opfern, hinterließen Beben und Tsunamis auch hohe Schäden an der Infrastruktur der betroffenen Länder – und sie zogen zudem viele Ökosysteme entlang der Küsten schwer in Mitleidenschaft. Die hereinbrechenden Wellen zerschmetterten viele Palm- und Mangrovenwälder, deren Fläche bereits zuvor durch Siedlungs-, Infrastruktur- oder Aquapark-Projekte massiv geschrumpft war.

Ansicht der Küste Sri Lankas nach dem Tsunami | Ansicht der Küste Sri Lankas nach dem Tsunami: Die gewaltige Flutwelle richtete noch Hunderte Meter hinter der Strandlinie verheerende Schäden an und riss Tausende Menschen auf Sri Lanka in den Tod. Der Untersog des Tsunami führte kurzzeitig zu einer Trockenlegung eines breiten Meeresstreifens. Viele Menschen wagten sich aus Neugier wieder an den Strand und wurden dann von einer zweiten – heftigeren – Welle getötet.
Während die Palmen vielerorts die Ästhetik der Touristenziele mitbestimmten, erfüllten die Mangroven viele ökologische Aufgaben: Unter anderem dienen sie vielen Fischarten als Kinderstube und schützen hinter ihnen liegende Küstenabschnitte vor den Meeresgewalten. Die Auswirkungen ihres Verlusts für den Küstenschutz und die lokale Fischerei sind noch nicht absehbar.

Schwer geschädigt wurden anscheinend auch die den Küsten vorgelagerten Korallenriffe. Zum einen rissen die starken Wellenbewegungen viele Korallen vom Untergrund ab und zertrümmerten so ganze Riffe. Zum anderen transportierten die kräftigen Strömungen und der starke Untersog der Tsunamis immense Sandmengen von der Küste zu den Riffen und lagerten sie dort ab. Diese vormaligen Strände bedecken jetzt als Sedimente die Korallen und ersticken sie. Ihre Erholung könnte Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Meeres- und Landsäuger scheinen dagegen relativ glimpflich davongekommen zu sein: Nach Angaben von HD Ratnayake, dem Vizedirektor der Naturschutzbehörde Sri Lankas, konnten in dem großen Naturschutzreservat Yala an der Küste des Landes keine toten Tiere gefunden werden. Und dies obwohl der Park Hunderte Elefanten und Leoparden beherbergt. Selbst kleinere Säuger scheinen das Nahen der Katastrophe instinktiv verspürt zu haben und brachten sich in Sicherheit. Gleiches gilt für Delfine und Wale, die sich in Küstennähe aufhielten. Auch sie dürften den Fluten durch Flucht in tiefere Gewässer entgangen sein.

Nachrichten von den entlegenen Andamanen und Nikobaren trudeln bislang nur spärlich ein, sodass es noch keinen Überblick über die menschlichen Opferzahlen dort gibt. Völlig unklar ist bislang etwa das Schicksal verschiedener indigener Völker auf den Inseln. Teilweise leben diese noch auf der Kulturstufe der Steinzeit ohne Kontakte zur Außenwelt, denn die indische Regierung riegelt ihre Heimat als Sperrgebiet vor fremden Einflüssen ab. Bestimmte Gruppen wie die Großen Andamanesen, die Sentinelesen, Onga, Jarawa und Shompen waren ohnehin nur sehr kleine Ethnien – ihre völlige Auslöschung durch die Tsunamis steht also zu befürchten.

Die Aufarbeitung dieser Naturkatastrophe wird Jahre dauern – nicht nur die psychologische und wirtschaftliche, sondern auch die wissenschaftliche. Vielleicht steht am Ende dieses Prozesses ein besseres Warnsystem als bislang: Die Vereinten Nationen wollen jedenfalls bis Dezember 2005 ein effektives Tsunami-Warnsystem – wie es im Pazifik bereits existiert – in Süd- und Südostasien installieren.

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