Stress und Alkohol: Stress macht Mäuse zu Trinkern
Seien es traumatische Kindheitserlebnisse, Jobverlust oder Scheidung: Stresssituationen können zu Alkoholmissbrauch und -sucht führen. An welchen Rädchen der Stress im Gehirn schraubt, bevor die Betroffenen zur Flasche greifen, lag bisher noch im Dunkeln. Eine neue Studie von Forschern um Alexey Ostroumov von der University of Pennsylvania konnte nun aber zumindest bei Mäusen zeigen, wie sich Stress auf den Neurotransmitter-Stoffwechsel auswirkt und was das mit dem Alkoholkonsum zu tun hat.
Ostroumov und Co stressten ihre Versuchstiere, indem sie sie für eine Stunde gefesselt in einen durchsichtigen Behälter setzten. Nach 15 bis 20 Stunden maßen die Forscher die Spätfolgen dieses Erlebnisses und boten ihnen erst einmal etwas zu trinken an. Der traurige Befund: Die gestressten Mäuse medikamentierten sich selbst mit Alkohol und nahmen signifikant mehr davon zu sich als die entspannten Tiere aus der Kontrollgruppe. Auch in den drei Wochen nach der einstündigen Stresssituation tranken die Tiere noch sieben bis zehn Prozent mehr Alkohol.
Ostroumov und Kollegen sahen sich daraufhin genauer an, was bei den gestressten Mäusen im Gehirn passiert, und entdeckten ein Zusammenspiel mit dem Belohnungszentrum. Normalerweise verursacht die Aufnahme von Ethanol, dass im Gehirn Dopamin ausgeschüttet wird, weil der Alkohol die Feuerrate der Dopaminneurone in einem bestimmten Areal, dem ventralen Tegmentum, erhöht. Bei den gestressten Tieren war die Dopaminausschüttung jedoch verringert – sie mussten mehr trinken, um ihr Belohnungszentrum in Gang zu bringen.
Botenstoff GABA spielt große Rolle
Wie die Forscher zudem erkannten, wurden die Neurone, die die Ausschüttung von Dopamin stimulieren, von den Stresshormonen nicht direkt beeinflusst. Der Stress verändert schon davor den Stoffwechsel eines anderen Neurotransmitters namens GABA.
GABA ist einer der wichtigsten inhibitorischen Neurotransmitter und dafür verantwortlich, die Informationsübertragung an den Synapsen zu hemmen. Durch die vorhandenen Stresshormone kehrte sich die Funktion von GABA jedoch um, und plötzlich regte der Neurotransmitter die Informationsweiterleitung zwischen den Zellen an, statt sie zu hemmen. Diesen Übergang von hemmend zu erregend kennt man auch von einigen Krankheitsbildern wie Epilepsie, Nervenschmerz und neuronalem Trauma.
Bei den Mäusen im Experiment veränderte sich zuerst der GABA-Stoffwechsel – und dieser verursachte dann die verminderte Ausschüttung von Dopamin und das Bedürfnis der Mäuse, mehr Alkohol zu trinken.
Drei Behandlungsansätze zeigten Erfolge
Die gute Nachricht zum Schluss: Die Forscher fanden insgesamt drei Stoffe, die den übermäßigen Alkoholkonsum nach Stress unterbinden konnten. Der erste wurde bereits vor der Stresssituation verabreicht und blockierte jene Rezeptoren, an die die Stresshormone andocken. Der zweite hinderte die Neurone, die die Ausschüttung von GABA verursachen, daran, nach der Stresssituation vermehrt zu feuern. Und der dritte setzte an einem Protein an, das ebenfalls dazu beiträgt, dass die GABA-Neurone ihre Funktion umkehren. Alle drei Ansätze führten dazu, dass die Mäuse ihre stressigen Erlebnisse nicht mehr mit Alkohol medikamentierten.
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