Lexikon der Biologie: Gattung
Gattung, Genus [Plural Genera], eine Rangstufe (Kategorie) der biologischen Klassifikation zwischen den Kategorien Art und Familie, zugleich jedes Taxon, dem diese Rangstufe gegeben wird und in dem – im allgemeinen mehrere – nächstverwandte Arten zusammengefaßt sind, die gegen andere, etwas weiter entfernt verwandte Arten mehr oder weniger stark abgesetzt sind. Der erste, stets groß geschriebene Teil eines wissenschaftlichen Tier- oder Pflanzennamens (binäre Nomenklatur, Binomen, Nomenklatur) ist der Gattungsname, z.B. Apis mellifera, Homo sapiens, Anemone nemorosa. Sogenannte monotypische Gattungen enthalten nur eine einzige (rezente) Art ( vgl. Tab. ). Die meisten lebenden Fossilien bilden solche monotypischen Gattungen. Wenige Gattungen, vor allem bei Blütenpflanzen (Samenpflanzen) und Insekten, enthalten viele hundert Arten. Während für die Kategorie Art mit dem Biospezies-Konzept ein einigermaßen anerkanntes objektives Kriterium existiert, fehlt dies für die Gattung. Im gewissen Sinne ist die Angabe von Gattungsnamen sogar wichtiger als die Nennung einzelner Arten, denn biologische Sachverhalte werden, abgesehen von Originalveröffentlichungen und von taxonomischen Zusammenfassungen, normalerweise nur kurz und verallgemeinert ausgedrückt wie z.B. „bei Drosophila hat auf Hawaii eine große Radiation stattgefunden mit der Bildung von mehreren hundert Arten“, „Sula zeigt unter den Meeresvögeln das effektivste Stoßtauchen“, „bei Experimenten mit Embryonen von Triturus, Xenopus und Rana hat sich gezeigt...“ oder „die Seegras-Gattung Zostera ist eine der wenigen Blütenpflanzen im Meer“. Angesichts dieser Bedeutung der Kategorie Gattung für die wissenschaftliche Kommunikation ist es bedauerlich, daß sich bisher kein objektives Kriterium für die Abgrenzung von Gattungen hat finden lassen (und wahrscheinlich auch nicht finden läßt). Mehr oder weniger Praxis-bezogen waren folgende Vorschläge: Artenzahl (also ganz vordergründig), Größe der „Lücke“ gegen nächstverwandte Gattungen, Einheitlichkeit innerhalb der Gattung, gelegentliches Auftreten von Art-Bastarden, geologisches Alter, ökologische Kriterien, oder zeitweilig die als ganz objektiv geltenden Distanz-Werte der numerischen Taxonomie. Es bleibt überwiegend eine Frage der Konvention unter den jeweiligen Spezialisten. Die Taxonomen bei vielen Insekten-Ordnungen sind überwiegend sog. Lumper („Zusammenfasser“), wobei es bisweilen zu Gattungen mit mehreren hundert Arten kommt, z.B. Carabus (Laufkäfer) und Drosophila melanogaster (Taufliege), ähnlich bei Meeresschnecken, z.B. Conus (Kegelschnecken) und Cypraea (Porzellanschnecken), und Fischen, z.B. Blennius (Schleimfische). Ausgesprochene Splitter („Aufsplitterer“) finden sich unter den Taxonomen, die sich mit Landschnecken befassen. Das Dilemma kann auch mit Hinweis auf die Klassifikation von Raubtieren veranschaulicht werden: Früher waren sämtliche Katzen-ähnlichen Tiere in der einzigen Gattung Felis vereinigt. Nach und nach wurden immer mehr Arten ausgegliedert, z.B. die Großkatzen (i.e.S.) als Gattung Panthera. Schließlich sah man im besonderen Körperbau und Verhalten vom Gepard einen Grund, ihn aus dieser Gattung herauszunehmen in in eine separate Gattung Acinonyx. Soll man nun auch noch für Löwe und Tiger entsprechend verfahren? Oder welches objektive Kriterium gibt es, für den Eisbären eine separate Gattung Thalarctos zu schaffen neben den übrigen Bären der Gattung Ursus? Oder genügt eine Untergattung? Auch hier müssen wir es der Konvention überlassen – primär wirkend über große Handbücher, Checklists u.ä., zunehmend verstärkt durch den „legislativen Druck“ hinsichtlich Roter Listen, denen ja „offizielle“ wissenschaftliche Namen beigefügt werden. Bakterien, Bauhin (C.), Linné (C. von), Taxonomie, Tribus, Viren.
U.W.
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