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Eulbergs tönende Tierwelt: Warten auf die fetten Jahre

Siebenschläfer können nahrungsreiche Jahre vorhersagen – wie genau, ist noch rätselhaft. Außerdem schlummert ein Jungbrunnen in ihren Zellen. Weitere Wunderfakten rund um die kleinen Schlafmützen, deren Rufe an menschliche Schreie erinnern, weiß unser Kolumnist zu berichten.
Buntstift-Zeichnung des Siebenschläfers auf dunklem Hintergrund; man sieht einen Ausschnitt aus dem Kopfbereich
Mit ihren großen, lichtempfindlichen Knopfaugen und den sensiblen Tasthaaren im Gesicht sind Siebenschläfer perfekt an das Leben in der Nacht angepasst.
Wissen Sie, wie ein Siebenschläfer klingt? Oder ein Reh? Warum der Pirol auch Regenkatze genannt wird? Vermutlich nicht – obwohl all diese Lebewesen Teil unserer heimischen Fauna sind. In der Kolumne »Eulbergs tönende Tierwelt« stellt der Techno-Künstler, Ökologe und Naturschützer Dominik Eulberg faszinierende Exemplare aus der Tierwelt vor unserer Haustür vor.

Mit seinem buschigen Schwanz erinnert der Siebenschläfer (Glis glis) auf den ersten Blick an eine Mischung aus Eichhörnchen und Maus. Das nachtaktive Nagetier gehört aber zu der Familie der Bilche (Gliridae). Obwohl Siebenschläfer, ohne Schwanz gemessen, nur rund 15 Zentimeter lang werden, haben sie eine erstaunlich laute, schreiende Stimme. Ich wuchs am Rande eines alten Rotbuchenwaldes auf und erinnere mich noch sehr gut an ihre fast menschlichen Rufe, die uns Kindern damals das Blut in den Adern gefrieren ließen:

Der Siebenschläfer verdankt seinen Namen einem extrem langen Winterschlaf, der in der Regel länger als sieben Monate andauert: von September bis Mai. Die anderen bei uns vorkommenden Bilche, Gartenschläfer und Haselmaus, schlafen ebenfalls sehr lange, weshalb man die Familie auch Schlafmäuse oder Schläfer nennt. Im Herbst graben sich Siebenschläfer bis zu einen Meter tief in den Boden. In diesen frostfreien Bodenschichten legen sie eine Kammer an, welche sie mit Laub und Moos auspolstern. Die Kammer, in der sie eingerollt überwintern, ist kaum größer als sie selbst. Dabei reduzieren sie ihre Herzfrequenz von 350 auf gerade einmal fünf bis acht Schläge pro Minute. Die Körpertemperatur sinkt auf bis zu fünf Grad.

Erwachen die Siebenschläfer im Frühjahr und finden kaum Baumfrüchte, kann es sein, dass sie sich gleich wieder aufs Ohr legen – rekordverdächtige 11,4 Monate Winterschlaf wurden schon gemessen. Man könnte meinen, dass diese Form der Überwinterung ihnen die vergleichsweise enorme Lebensspanne beschert: Der Siebenschläfer erreicht für ein so kleines Säugetier ein erstaunliches Höchstalter von bis zu 13 Jahren. Entscheidend dafür ist aber nicht der lange Winterschlaf, wie Forschende der Universität Wien herausgefunden haben: Bei ausreichender Ernährung können die Tiere im hohen Alter die Schutzkappen ihrer Chromosomen, die Telomere, verlängern und so ihre Zellen physiologisch jung halten, ohne an Krebs zu erkranken.

Der Siebenschläfer | Siebenschläfer sind gute Kletterer. Dazu besitzen sie lange, gelenkige Zehen und feucht-klebrige Sohlenballen. Damit klettern sie selbst an senkrechten Flächen empor. Dabei hilft ihnen auch ihr langer Schwanz, mit dem sie sich abstützen und ausbalancieren.

Nur wenn es in verschwenderischen Mastjahren der Bäume genug zu fressen gibt, pflanzen sie sich überhaupt fort. Denn nur dann haben die Jungen eine realistische Chance, sich genügend Fettpolster anzufressen, um ihren ersten Winter zu überstehen. Allein in Jahren, die zur Herbstzeit ein üppiges Angebot an ölhaltigen Baumfrüchten wie Bucheckern oder Eicheln bereithalten, sind bereits im Frühjahr die Hoden der Männchen deutlich vergrößert und überhaupt zeugungsfähig. Woher sie schon im Frühling anhand der Baumknospen erkennen, dass es ein Mastjahr werden wird, ist noch immer rätselhaft. Übrigens: Der Siebenschläfer-Tag am 27. Juni ist zwar bekannt für seine meteorologischen Vorhersagen, seine »Bauernregeln« – er hat aber nichts mit den Bilchen zu tun. Vielmehr erinnert er an eine religiöse Geschichte: die sieben Schläfer von Ephesus. Diese sollen eingemauert angeblich 195 Jahre überlebt haben.

  • Der Siebenschläfer

    Hier finden Sie alle wichtigen Eckdaten und Beobachtungstipps rund um den nachtaktiven Nager

  • Steckbrief

    Klasse: Säugetiere

    Ordnung: Nagetiere

    Familie: Bilche

    Größe: 13 bis 18 Zentimeter

    Gewicht: 70 bis 160 Gramm

    Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 0 bis 1

    Nachkommen pro Periode: 4 bis 11

    Höchstalter: 13 Jahre

    Bundesweiter Gefährdungsgrad (Rote Liste): nicht gefährdet

    Volkstümlicher Name: Bücherl

  • Beobachtungstipps
    Nachts in Bäumen kletternd, von Mai bis September.
    Im Schlafgemach | Ein Siebenschläfer, eingerollt in seiner mit Moos gepolsterten Kammer.

Auch wenn Siebenschläfer die meiste Zeit des Jahres verschlafen, sind sie doch äußerst aufgeweckte Kletterer. Dazu besitzen sie lange, gelenkige Zehen und feucht-klebrige Sohlenballen. Das haftende Sekret an den Füßen hat einen ähnlichen Effekt wie Saugnäpfe und ermöglicht es den Nagern, selbst an senkrechten Flächen hochzuklettern. Und bei Gefahr können sie ihre Schwanzhaut abwerfen: Packt ein Feind einen Siebenschläfer am Schweif, reißt die Schwanzhaut samt Haaren an einer Sollbruchstelle ab und wird vom Schwanzskelett abgezogen. Und schon nach kurzer Zeit wachsen an dieser Stelle neue Haut und Fell nach.

Tagsüber schlafen die Tiere in alten Spechthöhlen oder auch gerne in Nistkästen oder auf Dachböden. Mit ihren großen, lichtempfindlichen Knopfaugen und den sensiblen Tasthaaren im Gesicht sind sie perfekt an das Leben in der Nacht angepasst. Zudem verfügen sie über einen ausgezeichneten Gehör- und Geruchssinn. Einst galt der Siebenschläfer als beliebte Delikatesse und wurde zu Römerzeiten gar in speziellen Gehegen eigens gezüchtet. Bei wohlhabenden Leuten war er ein begehrter Snack. Die heute noch gebräuchliche englische Bezeichnung »edible dormouse« (essbarer Bilch) ist ein lebendiges Zeugnis seiner unheilvollen Vergangenheit.

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