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Eulbergs tönende Tierwelt: Der Sturzflug der Himmelsziege

Mancherorts erfüllen ab Februar wundersame Sounds den Himmel – das wummernde Meckern der Bekassinen. Wird es in unseren Gefilden bald verstummen? Schwindende Moore und eine fragwürdige Tradition setzen dem kleinen Schnepfenvogel erheblich zu.
Buntstiftzeichnung einer Bekassine
Der überproportional lange und gerade Schnabel ist das auffälligste Merkmal der Bekassine.
Wissen Sie, wie ein Siebenschläfer klingt? Oder ein Reh? Warum der Pirol auch Regenkatze genannt wird? Vermutlich nicht – obwohl all diese Lebewesen Teil unserer heimischen Fauna sind. In der Kolumne »Eulbergs tönende Tierwelt« stellt der Techno-Künstler, Ökologe und Naturschützer Dominik Eulberg faszinierende Exemplare aus der Tierwelt vor unserer Haustür vor.

Dieses Frühjahr war ich sehr glücklich. Denn das erste Mal seit Jahren oder gar Jahrzehnten konnte ich wieder einen meiner liebsten Naturklänge unmittelbar vor meiner Haustür genießen. Es war kurz nach Sonnenuntergang, als ein wundersames Wummern den Himmel über einer wiedervernässten Feuchtwiese erfüllte. Amselgroße Flugobjekte sausten über meinen Kopf und gaben dabei diese sonderbaren Geräusche von sich. Ein Sound, bei dem man im ersten Moment kaum begreifen kann, von welcher Tierklasse er überhaupt stammt. Er klingt ein bisschen wie ein Meckern, weshalb man die Art im Volksmund auch »Himmelsziege« nennt.

In Wirklichkeit ist es aber ein Vogel, der zur Familie der Schnepfenvögel (Scolopacidae) zählt: die Bekassine (Gallinago gallinago). Ihr Name leitet sich von dem französischen Wort »bécasse« für kleine Schnepfe ab.

In der Abend- und Morgendämmerung vollführen Bekassinen in ihren Brutgebieten teilweise schon ab Februar spektakuläre Balzflüge, um Partner anzulocken und Reviere abzustecken. Dabei ist dieses fantastische, wummernde, meckernde Geräusch zu vernehmen. Das Besondere an dem Sound ist, dass es sich dabei um einen Instrumentallaut handelt. Anders als die Rufe des Vogels wird er nicht mit dem Stimmorgan kundgetan. Stattdessen erzeugt ihn die Bekassine mittels speziell versteifter äußerer Steuerfedern am Schwanz. Dazu schnellt der balzende Vogel, meist ein Männchen, etwa 50 Meter in die Höhe, kippt sich schlagartig zur Seite ab und lässt sich dann in steilem Winkel gen Boden fallen. Durch den kräftigen Luftstrom fangen die abgespreizten Steuerfedern an zu vibrieren, und ein summendes Geräusch erklingt. Das als Meckern wahrgenommene Tremolo entsteht durch rasche Flügelschläge, die den Luftstrom immer wieder kurzzeitig unterbrechen. Solche Steilflüge wiederholt die Bekassine mitunter minutenlang.

Die Bekassine | Bei den Bekassinen gibt es keinen Geschlechtsdimorphismus. Das Gefieder von Männchen und Weibchen weist eine bräunliche Tarnfärbung mit Längsstreifen auf Kopf und Rumpf auf.

Betrachtet man den Schnepfenvogel, so fällt sofort der enorm lange und gerade Schnabel auf, der etwa ein Viertel seiner Körperlänge ausmacht. Mit ihm kann die Bekassine hervorragend im Schlamm nach Nahrung stochern. Doch der Schnabel bietet noch viel mehr: Er ist ein regelrechtes Multifunktionswerkzeug. Dank empfindlicher Tastsensoren kann die Schnepfe damit Fressbares detektieren. Zudem ist der Oberschnabel im vorderen Bereich biegsam. In weichen Sumpfböden können die Vögel so kleinere Beutetiere schlucken, ohne den Schnabel aus dem Boden ziehen zu müssen.

Auf Grund ihres camouflageartigen Gefieders ist die kurzbeinige Bekassine in der Vegetation bestens getarnt. Bei Gefahr drückt sie sich an den Boden und verschmilzt so nahezu mit ihrer Umgebung. Wird sie dennoch entdeckt, fliegt sie erst im letzten Moment los und irritiert den Angreifer durch ihren rasanten Zickzackkurs. Ihren Nachwuchs kann sie bei Gefahr sogar fliegend abtransportieren. Dazu klemmt sie die Jungvögel zwischen der Brust und dem nach unten gepresstem Schnabel ein. Eine wahrlich erstaunliche Leistung für einen Vogel.

  • Die Bekassine
    Hier finden Sie alle wichtigen Eckdaten und Beobachtungstipps rund um die Bekassine.
  • Steckbrief

    Klasse: Vögel

    Ordnung: Regenpfeiferartige

    Familie: Schnepfenvögel

    Größe: 23 bis 28 Zentimeter

    Gewicht: 80 bis 120 Gramm

    Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 1

    Nachkommen pro Periode: 4

    Höchstalter: 18 Jahre

    Bundesweiter Gefährdungsgrad (Rote Liste): vom Aussterben bedroht

    Volkstümlicher Name: Himmelsziege

  • Beobachtungstipps
    Man kann die Bekassine während ihrer Balzflüge von Februar bis Mai in der Dämmerung in Mooren und Feuchtwiesen beobachten; als Durchzügler auch im Herbst an Schlickflächen in Teichen und Seen.
    Gut getarnt | Mit ihrem braungefleckten Gefieder fallen Bekassinen in der Vegetation kaum auf.

Einst brütete die Bekassine als häufig anzutreffender »Moorvogel« in Feuchtwiesen, Sümpfen und Mooren. Abtorfungen und Entwässerungen für die landwirtschaftliche Nutzung beraubten sie jedoch immer mehr ihres Lebensraums. Bestürzende 95 Prozent der intakten Moorflächen haben wir in Deutschland verloren. Auch der langfristige Bestandstrend der Art zeigt einen drastischen Rückgang um 80 Prozent. Mittlerweile gibt es hier zu Lande nur noch rund 3500 Brutpaare. Die Bekassine gilt bei uns daher als »vom Aussterben bedroht«, der höchsten Gefährdungseinstufung der Roten Liste vor »ausgestorben oder verschollen«. In 16 anderen europäischen Ländern hingegen darf sie im Herbst offiziell geschossen werden. Rund eine halbe Million der Vögel werden dort jährlich in traditionell motivierten Jagden erlegt, das entspricht rund einem Viertel der gesamten europäischen Population. So verlieren auch viele »unserer« Bekassinen in ihren Überwinterungs- und Durchzugsgebieten ihr Leben.

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