Lexikon der Astronomie: Galaxie
In der Astronomie bezeichnet Galaxie eine Ansammlung von einigen 100 Milliarden Sternen. Galaxien gehören damit zu den größten Strukturen im Universum.
Griechische Milch macht's
Wer den klaren Nachthimmel betrachtet, kennt den Anblick, wie sich die Sterne unregelmäßig verteilen. Unter guten Sichtbedingungen fällt ein schleierartiges Band auf, das sich um den ganzen Himmel windet. Bei genauer Betrachtung entpuppt sich dieses Band als Myriaden von Sternen, die alle zu unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, gehören.
Das Wort gala, galaktos (siehe rechts) ist altgriechischer Herkunft und bedeutet 'Milch'. Einerseits hat das einen Bezug zum milchig-trüben Erscheinungsbild der Milchstraße. Andererseits gibt es eine Verbindung zur griechischen Mythologie: Als nämlich Herakles als Säugling von Hera gestillt wurde, saugte er so kräftig, dass Hera ihn von sich stieß und Milch über den Himmel spritzte und dabei das Band der Milchstraße hinterließ.
Von Spiralen, Balken und Ellipsen
Könnte man die Milchstraße von außen betrachten, so würden wir sehen, dass die Scheibe aus Sternen, Gas und Staub ihr Antlitz dominiert. Die Scheibe zeigt dabei weitere, spiralförmige Strukturen, wie sie in der Abbildung rechts zu sehen sind: dies ist die berühmte Andromedagalaxie (M31), eine Begleitgalaxie der Milchstraße (Credit: R. Gendler, HST/NASA 2002). Beide Galaxien ähneln sich sehr. Galaxien mit dieser Gestalt (Morphologie) heißen Spiralgalaxien.
Es gibt jedoch auch ganz andere Gestalten unter den Sternsystemen, z.B. Spiralgalaxien mit einem zentralen, dicken Balken. Es handelt sich dabei um eine dynamische Struktur aus Sternen. Solche Galaxien nennt man Balkenspiralgalaxien. Außerdem fanden die Galaxienforscher elliptische Galaxien, manchmal auch nur kurz 'Ellipsen' genannt. Sie sehen aus wie eine kugelige oder ovale Wolke, und es gibt sie in groß (Riesenellipsen) und in klein (Zwergellipsen). Alles, was von der Gestalt her ganz anders aussieht wird in der Gruppe der irregulären Galaxien zusammengefasst. Zu diesem Typus gehören z.B. die Kleine und die Große Magellansche Wolke, die ebenfalls der Milchstraße verhältnismäßig nahe (etwa 150000 Lichtjahre) sind.
Alle diese morphologischen Galaxientypen werden in der Hubble-Klassifikation geordnet.
Von Strahle- und Dunkelmännern
Die Astronomen schätzen die Gesamtzahl aller Galaxien im Kosmos auf einige hundert Milliarden! In diesen Galaxienzoo kann man auch mit einem anderen Kriterium Ordnung bringen: mit der Helligkeit. Es gibt weniger helle und hell strahlende Galaxien. Die Milchstraße ist beispielsweise nicht so hell und wird deshalb zu den 'normalen', d.h. inaktiven Galaxien gezählt (engl. inactive, dormant: 'schlafend'). Demgegenüber stehen die aktiven Galaxien oder genauer gesagt die Aktiven Galaktischen Kerne (AGN). Deren enorme Leuchtkraft speist ein supermassereiches Schwarzes Loch (supermassive black hole, SMBH), das im Zentrum einer jeden (aktiven wie inaktiven) Galaxie lauert. Wird das Loch mit Materie gefüttert, kommt es im Zuge dieser Akkretion zu extrem hellen Leuchtprozessen. Ist das Loch auf Diät, weil es kein Futter in der Umgebung gibt, so bleibt es unauffällig und dunkel, wie bei der Milchstraße. Dennoch beobachten die Astronomen ein SMBH im Herzen unserer Heimatgalaxie, das etwa 3.5 Millionen Sonnenmassen schwer ist und mit der Radioquelle Sgr A* in Verbindung gebracht wird.
Galaxienjagd in der Tiefe des Alls
Wenn Astronomen sehr leuchtschwache, sehr dunkle Objekte im Kosmos beobachten möchten, müssen sie genauso vorgehen wie ein Fotograf, der im Dunkeln fotografiert: sie müssen lange belichten. Die Blende bzw. Öffnung des Teleskops bleibt also lange auf und sammelt viel Strahlung der kosmischen Quellen auf. Mit jedem Photon, das aufgesammelt wird, erhält der Astronom mehr Informationen. Er misst somit ein Spektrum aus, das er mit physikalischen Gesetzen interpretiert. Durch den Fit des geeigneten Modells an die Daten versteht der Astronom, um welche Quelle es sich handelt und welche Eigenschaften (Leuchtkraft, Entfernung, Alter, Zusammensetzung etc.) sie hat.
Die moderne Forschung stellt viele dieser lang belichteten Fotos von Himmelsausschnitten bei allen möglichen Strahlungsenergien her: diese Bilder heißen Deep Fields und verraten viel über die Geschichte des Universums, z.B. wie sich Galaxien und darin befindliche schwere Löcher entwickelt haben.
Galaxien sind soziale Wesen oder Einzelgänger
Tja, so ein Sternsystem hat eben doch auch menschliche Züge. So haben Astronomen durch jahrelange Beobachtungen (Surveys) herausgefunden, dass Galaxien sich in Gruppen formieren können, die sie Galaxienhaufen (engl. clusters) nennen; oder sie stehen mehr oder weniger für sich und heißen Feldgalaxien. Damit nicht genug: die Gruppen verdichten sich an manchen Orten zu noch dichteren Haufen, so dass der Begriff Galaxiensuperhaufen oder Superhaufen (engl. super clusters) angebracht ist. Das Zentrum dieser Superhaufen ist eine extrem massereiche Galaxie – im Falle des Virgo-Haufens ist es der AGN M87.
Die erwähnten Beispiele Milchstraße, Andromedagalaxie, Magellansche Wolken und eine Horde von Zwerggalaxien bilden einen kleinen Galaxienhaufen, die so genannte Lokale Gruppe.
Großskalige Strukturen
Die relevanten Raumskalen bei der Betrachtung von Galaxien sind riesig und betragen hunderte von kpc (Galaxiendurchmesser) über Mpc (Distanz zwischen Galaxienhaufen) bis Gpc (Durchmesser von Superhaufen). Sowohl Beobachtungen, als auch Simulationen auf Supercomputern zeigen, dass die Anordnung dieser großskaligen Strukturen sehr unregelmäßig ist: Galaxien und Galaxienhaufen ordnen sich auf Ketten zu fadenförmigen Gebilden an, die an Knotenpunkten zusammenstoßen. An den Knotenpunkten sitzen gerade die Superhaufen mit ihren extrem massereichen, zentralen Riesenellipsen. Zum Erstaunen des Betrachters sind dazwischen extrem große 'Blasen mit Nichts', die so genannten Strukturbildung, Voids. Den visuellen Eindruck gibt sehr gut der Millennium Run rechts oben wieder, bei dem ein Supercomputer nach monatelanger Rechnung das Aussehen eines Stücks Universum ausgespukt hat (große Version; Credit: Volker Springel et al. 2005, Virgo-Konsortium und MPA).
Diese Untersuchungen sind wesentlich für die moderne Kosmologie, da im Rahmen der Strukturbildung verstanden werden muss, wie sich nach dem Urknall aus der 'Ursuppe' Sterne, Galaxien und schließlich Leben gebildet haben.
kritische Anmerkung zum Schluss
Wie die Diskussion um den Planetenbegriff auf der Tagung der Internationalen Astronomischen Union in Prag im Sommer 2006 gezeigt hat, stellt schon die klare Benennung einfacher, kosmischer Strukturen ein Problem dar. Letztendlich fußt eine eindeutige Definition auf einem recht detaillierten und umfangreichen Kriterienkatalog – das ist nicht immer praktikabel. Einer vergleichbaren Problematik begegnet man bei allen diesen Begrifflichkeiten wie Planet, Stern oder Galaxie. So ist der Übergang vom Kugelsternhaufen über die Galaxie zum Superhaufen eher kontinuierlich. Dennoch sollte aufgrund der Erfahrung klar sein, worüber man spricht.
Weitere Literatur
- Web-Artikel: Das größte Schwarze Loch der Milchstraße
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