Lexikon der Biochemie: Harnstoff-Zyklus
Harnstoff-Zyklus, Arginin-Harnstoff-Zyklus, Ornithinzyklus, Krebs-Henseleit-Zyklus, ein bei Säugetieren und anderen ureotelischen Tieren (z. B. erwachsenen Amphibien) vorkommender Stoffwechselkreislauf, über den Harnstoff aus Kohlendioxid, Ammoniak und dem α-Aminostickstoff von L-Asparaginsäure unter Verbrauch von ATP synthetisiert wird (Abb.). Der Vorgang ist energiegebunden. Für die Synthese eines Moleküls Harnstoff oder L-Arginin werden drei Moleküle ATP benötigt und vier energiereiche Bindungen verbraucht (zwei ATP-Moleküle werden zu ADP und anorganischem Phosphat, ein ATP zu AMP und Pyrophosphat gespalten, letzteres wird zu anorganischem Phosphat hydrolysiert). Der H. ist ein katalytischer Prozess und hängt von der Wiederverwertung des katalytisch wirksamen Moleküls L-Ornithin ab. Die primäre Funktion des H. besteht darin, den als Abfall anfallenden Stickstoff in nichttoxischen, löslichen Harnstoff zu überführen, der ausgeschieden werden kann. Der Zyklus dient jedoch nicht nur der Hydrolyse von L-Arginin zu Harnstoff, sondern kann auch – durch Übertragung der Amidingruppe auf Glycin – zur Bildung von L-Ornithin und Guanidinoacetat (dem Vorläufer von Kreatin, L-Arginin, Phosphagene) herangezogen werden. Eine weitere Funktion ist die Synthese der proteinogenen Aminosäure L-Arginin. Der H. war in der Evolution primär ein Mechanismus der Synthese von L-Arginin. Bei Tieren wird der H. durch die Synthese von L-Ornithin aufgefüllt. Diese erfolgt: 1) aus L-Glutamat und 2) in gewissem Ausmaß aus Abbauprodukten des L-Prolins. L-Ornithin und L-Arginin stehen über den H. im Gleichgewicht. Mit Hilfe von L-Arginin aus der Nahrung kann der H. bedient werden. Umgekehrt kann die Synthese von L-Ornithin und dessen Umwandlung in L-Arginin durch den H. den ernährungsbedingten Bedarf an L-Arginin decken. Die Lage des Gleichgewichts dieser beiden Prozesse hängt ab von: 1) der jeweiligen Tierart, 2) dem physiologischen Zustand und 3) der Nahrung. Viele junge, heranwachsende Tiere müssen L-Arginin mit der Nahrung zu sich nehmen, während sie anscheinend im Erwachsenenalter den gesamten Bedarf durch Synthese decken können.
Die L-Argininsynthese dient in erster Linie der Bereitstellung der Amidinogruppe. Andere natürlich vorkommende Guanidinoverbindungen, in erster Linie Phosphagene, werden durch die Übertragung der Amidinogruppe aus L-Arginin auf den geeigneten Aminoakzeptor synthetisiert.
Der Hauptort des H. ist die Leber. Die Umwandlung von L-Ornithin in L-Citrullin, sowie die Synthese von Carbamylphosphat geschehen in der mitochondrialen Matrix, alle anderen Reaktionen laufen im Cytoplasma ab. Das Nierencytoplasma enthält zwar die Enzyme für die Überführung von L-Citrullin in L-Ornithin, den Nierenmitochondrien fehlen jedoch die notwendigen Enzyme zur Umwandlung von L-Ornithin in L-Citrullin und zur Synthese von Carbamylphosphat. Ein Teil des L-Citrullins wird von der Leber zur Niere transportiert, wo es in L-Ornithin und Harnstoff überführt wird. Der H. ist über folgende Reaktionsfolge mit dem Tricarbonsäure-Zyklus (TCA) verbunden: 1) Fumarat, das durch die Wirkung von Argininosuccinat-Lyase produziert wird, tritt in die Mitochondrien ein und wird 2) im TCA in Oxalacetat umgewandelt; 3) Mit Hilfe der Transaminierung von Oxalacetat zu Aspartat, wird Abfallstickstoff in die Aminogruppe von Aspartat eingebaut; 4) das Aspartat reicht diesen Stickstoff durch die Wirkung von Argininosuccinat-Synthase an den H. weiter. Eine dieser Reaktionen (Malat + NAD+ → Oxalacetat + NADH + H+) stellt über die oxidative Phosphorylierung eine Quelle für drei Moleküle ATP dar. Der Hauptteil des Ammoniaks, der bei der Synthese von Carbamylphosphat verbraucht wird, stammt aus der oxidativen Desaminierung von L-Glutamat durch die L-Glutamat-Dehydrogenase: L-Glutamat + NAD+ + H2O → 2-Oxoglutarat + NADH + H+ + NH3. Auch hier werden durch die Oxidation von NADH drei Moleküle ATP gebildet. Der Energiebedarf des H. wird demnach durch die Energieproduktion assoziierter Prozesse nahezu gedeckt. Ammoniakassimilation.
Harnstoff-Zyklus. AGA = N-Acetylglutaminsäure, ein stimulierender allosterischer Effektor der Carbamylphosphat-Synthetase.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.