Lexikon der Biologie: Entgiftung
Entgiftung, Detoxifikation, Detoxikation,1) Tierphysiologie: Ausschleusung „unerwünschter“ Stoffe aus dem Organismus, die über Nahrung, Schleimhäute, Haut oder sonstige Körperoberflächen aufgenommen wurden oder endogen entstanden sind. Bei Höheren Tieren und dem Menschen wird diese Funktion von der Leber oder ähnlichen zentralen Stoffwechselorganen, wie Fettkörper, Malpighi-Gefäßen, übernommen. Die der Entgiftung dienenden chemischen Reaktionen sind überall im Tierreich anzutreffen. Niedermolekulare toxische Substanzen (Gifte) werden durch Oxidation, Reduktion, Konjugation, Hydroxylierung, Methylierung, Decarboxylierung, Desaminierung oder Bindung an Transportmoleküle wie Glucuronsäure (bei Wirbeltieren) oder Glykoside (bei Gliederfüßern), Glykokoll (Glycin), Sorbit, Schwefelsäure, Cystein unschädlich und für die Exkretionsorgane (Exkretion) filtrierbar gemacht. Ergebnis dieser Reaktionen ist die Überführung der meist lipophilen in hydrophile Substanzen, die Zellmembranen (Membran) weniger leicht zu durchdringen vermögen. Bei Wirbeltieren können kleinere Partikel und Makromoleküle, wie Endotoxine aus Bakterienzellwänden (etwa nach einer Darminfektion; Enteritis), von den Makrophagen ähnlichen Kupfferschen Sternzellen durch Phagocytose (Endocytose) aufgenommen und entweder gespeichert oder inaktiviert werden. Alle diese als Biotransformationen bezeichneten chemischen Reaktionen sind „Versuche“ des Organismus, mit dem vorhandenen Repertoire an stoffwechselphysiologischen Möglichkeiten auf meist fremde und neuartige Substanzen zu reagieren. Es ist daher verständlich, daß die Wirkung einer toxischen Substanz so verändert werden kann, daß für den Organismus schädlichere Substanzen entstehen. So wird durch Desulfurierung aus Parathion (E 605) das weitaus toxischere Paraoxon, aus HeroinMorphin oder aus dem wenig toxischen Pharmakon Phenacetin p-Phenetidin, das eine vermehrte Oxidation von Hämoglobin (Methämoglobinämie) verursachen kann. Auch bei anderen Tiergruppen wurden ähnliche Mechanismen gefunden, die zeigen, daß Biotransformationen nicht in allen Fällen der Entgiftung dienen. So entsteht z.B. bei mit DDT behandelten Insekten das mindestens ebenso giftige DDD (DDE). Die Entgiftung der bei endogenen Stoffwechselprozessen anfallenden toxischen Substanzen, vor allem des beim Aminosäurekatabolismus (Aminosäuren) entstehenden Ammoniaks, erfolgt über den Harnstoffzyklus und Harnsäureweg. Zusätzlich kann bei ammonotelischen Tieren die Glutaminsynthese eine Rolle bei der Entgiftung von Ammoniak spielen. Biotransformation, endoplasmatisches Reticulum, freie Radikale, Glutathion. 2) Pflanzenphysiologie: die Entfernung von für die Pflanze schädlichen Stoffen (z.B. Stoffwechselendprodukte [Exkrete], Schwermetalle) aus bestimmten Zellkompartimenten, Geweben oder Organen und ihre Speicherung in spezialisierten Strukturen. Hauptspeicherort von Giftstoffen ist die Vakuole, deren Tonoplast für die meisten dieser Substanzen (z.B. Alkaloide, Gerbstoffe) undurchlässig ist. Die Einschleusung erfolgt durch aktiven Transport mittels spezifischer Translokatoren. Schwermetalle z.B. werden in Form von Metall-Chelaten gespeichert (Bindung an einfache Säuren oder Phytochelatine). Verschiedene Schwermetalle können auch methyliert und damit flüchtig gemacht werden (Schwermetallresistenz). Weitere Entgiftungsmechanismen sind direkte Ausscheidungen (Ausscheidungsgewebe) oder die kontinuierliche Produktion neuer Akkumulationsorgane (z.B. Blattbildungen; Absonderungsgewebe) und deren spätere Abstoßung (Abscission). 3) Bodenkunde: das Entfernen von Giftstoffen aus kontaminierten Böden (Bodenbelastung, Bodensanierung). Meist handelt es sich um Schwermetalle (wie Blei, Cadmium, Quecksilber; Schwermetallböden), die sich durch industrielle Produktionsprozesse (Erzbergbau, Verhüttung) oder Düngung mit Klärschlamm im Boden angereichert haben. Bioremediation (Abb.), Biosanierung.
L.M./A.Se.
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