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Lexikon der Chemie: Erzlaugung

Erzlaugung, Leaching, mikrobielle Erzlaugung, Verfahren der Biohydrometallurgie/Biogeotechnologie, mit denen mittels Mikroorganismen Metalle aus metallarmen Erzen in Lösung gebracht werden. Für eine erfolgreiche E. sind mehrere Faktoren von Bedeutung: 1) Vorhandensein von Wasser. 2) Erze, die Elemente enthalten, die von Mikroorganismen oxidiert werden können (bei eisen- und schwefelarmen Gesteinen werden Pyrit (FeS2), elementarer Schwefel oder Fe2(SO4)3-Lösung zugesetzt). Die oxidierten Metalle müssen anschließend die gewünschten Metalle oder Mineralsulfide oxidieren. 3) Billige Extraktionsmöglichkeiten für das zu gewinnende Element aus stark verdünnten wäßrigen Lösungen. 4) Bedingungen, die ein Wachstum der entsprechenden Mikroorganismen (z. B. Vorhandensein billiger chemischer Verbindungen als Wachstumssubstrate) ermöglichen, um so die erforderlichen Reaktionen durchführen zu können.

Bakterien erfüllen bei der E. mehrere Funktionen: 1) Produktion von H2SO4 als wichtigem Agens; 2) Oxidation der unlöslichen Sulfide zu löslichen Sulfaten; 3) Oxidation des bei chemischen Reaktionen gebildeten Fe2+ zu Fe3+; 4) Abbau von z. B. FeS2. Das dabei gebildete reduzierte Eisen und der Schwefel werden von den Mikroorganismen als Energiequelle genutzt.

Die E. wird insbesondere mit chemolithotrophen Bakterien (Thiobacillus-Arten, z. B. T. thiooxidans, T. ferrooxidans) durchgeführt, deren Energiequelle Sulfide, elementarer Schwefel und lösliche Thiosulfate sind, alternativ aber auch Fe2+ sein kann. Diese oxidieren den Schwefel (S0, S2-) (Gl. 1) und Eisen (Fe2+) (Gl. 2):

2 S0 + 3 O2 + 2 H2O → 2 H2SO4 (1)

4 FeSO4 + O2 + 2 H2SO4 → 2 Fe2(SO4)3 + 2 H2O  (2)

Die Bildung von H2SO4 ist auch für das Wachstum der acidophilen Bakterien (pH-Optimum bei 2,0) von Bedeutung.

"Leaching"-Verfahren werden vor allem mit sulfidischen Kupfererzen durchgeführt, die gleichzeitig Eisen enthalten (insbesondere CuFeS2, Kupferkies oder Chalcopyrit; Cu2S, Chalcocit; CuS Covellit) oder mit Pyrit vergesellschaftet sind. Beispiele für die bakterielle Oxidation der sulfidischen Erze sind:

4 FeS2 + 15 O2 + 2 H2O → 2 Fe2(SO4)3 + 2 H2SO4 (3)

4 CuFeS2 + 17 O2 + 2 H2SO4 → 4 CuSO4 +

2 Fe2(SO4)3 + 2 H2O (4)

2 Cu2S + 5 O2 + 2 H2SO4 → 4 CuSO4 + 2 H2O (5)

CuS + 2 O2 → CuSO4 (6)

Die unlöslichen Sulfide werden so in lösliche Sulfate umgewandelt und damit in Lösung gebracht. Zu diesem direkten Einfluß der Mikroorganismen (direkte Laugung) kommt als Folge der Bildung von Eisen(III)-sulfat (Gl. 3 und 4) ein indirekter Effekt (indirekte Laugung) hinzu. Die bakteriell gebildeten Ferri-Ionen wirken auf rein chemischen Wege auf unlösliche Sulfide (und auch auf UO2) ein. Dabei wird das Metallsulfid oxidiert und Fe3+ reduziert:

Cu2S + 2 Fe2(SO4)3 → 2 CuSO4 + 4 FeSO4 + S0 (7)

2 FeS2 + 2 Fe2(SO4)3 → 6 FeSO4 + 4 S0 (8)

CuFeS2 + 2 Fe2(SO4)3 → CuSO4 + 5 FeSO4 + 2 S0 (9)

UO2 + Fe2(SO4)3 → UO2SO4 + 2 FeSO4 (10)

Die Produkte dieser chemischen "Leaching"-Reaktionen sind Fe2+ und S0, die als Energiequelle für das Wachstum der Bakterien dienen. Kupfer kann aus der CuSO4-Lösung leicht abgetrennt werden.

Für einen effektiven chemischen "Leaching"-Prozeß ist ein hohes Fe3+/Fe2+-Verhältnis notwendig. Dieses wird – nach Gl. 2 – durch bakterielle Regeneration der Ferri-Ionen erreicht.

Die Laugung mit kohlenstoffheterotrophen Mikroorganismen nutzt deren Fähigkeit zur Bildung gesteinsauflösender Metabolite (Fettsäuren, Citronensäure) durch Bildung von Metabolit-Chelat-Komplexen. Nachteilig bei diesen Laugungsverfahren ist die Bereitstellung eines Substrates als Kohlenstoff- und Energiequelle. Zu diesem Verfahren müssen auch die kohlenstoffautotrophen chemolithotrophen Mikroorganismen gezählt werden, wenn das zu laugende Material (wie z. B. oxidische Erze, silicathaltige Gesteine) keine energieliefernden Oxidationsschritte zuläßt. Das energieliefernde Substrat muß in Form von Schwefel oder FeSO4 bereitgestellt werden.

Die E. wird gegenwärtig technisch auf speziell vorbereiteten Halden (Haldenlaugung), durch Hanglaugung und in Einzelfällen in speziellen Reaktoren durchgeführt.

Die Kupfer- und Urangewinnung durch mikrobielle E. besitzt die größte Bedeutung. In den USA wird ca. 10 % der gesamten Kupferproduktion durch E. gewonnen. Andere Metalle (Zn, Ni, Pb u. a.) können in ähnlicher Weise gewonnen werden. Diskutierte und bearbeitete Projekte sind die Gewinnung von seltenen Erdmetallen, die Gewinnung von Al, Fe, Ti, Mo, Si durch Umwandlung silicatischer Mineralien u. a.

Ein Vorteil der mikrobiellen E. aus erzarmen Gesteinen ist z. B. die Verhinderung von Umweltkontaminationen durch saure und kupferhaltige Auswaschungen von Halden und Grubengewässern. Ein Problem für den Gewässerschutz und damit für die Umwelt ist die unkontrollierte mikrobielle E. in unsachgemäß aufgeschütteten Halden.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
Prof. Dr. Rüdiger Stolz, Jena
Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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