Lexikon der Chemie: Viskosefasern
Viskosefasern, Abk. CV, cellulosische Chemiefasern, die aus natürlich gewachsener Cellulose nach dem Viskoseverfahren hergestellt sind.
Herstellung. Die Cellulose wird meist aus den Laubhölzern Buche oder Pappel und den Nadelhölzern Fichte oder Kiefer gewonnen. Weitere Celluloselieferanten können Schilf und Stroh sein. Die Cellulose – der Zellstoff – soll einen α-Cellulosegehalt von etwa 90% haben und muß nun in einen solchen Zustand gebracht werden, der die Herstellung einer Spinnlösung gestattet. Durch Tränken in 18%iger Natronlauge entsteht Alkalicellulose, eine Additionsverbindung der Cellulose mit dem Alkali. In ihr sind die Kristallite bereits gelockert und die Bindungsenergie der H-Brücken vermindert. Nach dieser Alkalisierung wird die überschüssige Lauge abgepreßt. Bei der anschließenden Vorreife wird die Alkalicellulose dem Luftsauerstoff ausgesetzt, der eine Depolymerisierung bewirkt. Obwohl hierdurch die Fasereigenschaften sich etwas vermindern, ist dieser Vorgang notwendig, um später die Viskosität der Spinnlösung nicht zu hoch zu erhalten. Es schließt sich das Sulfidieren mit Schwefelkohlenstoff an, wofür besondere Schutzmaßnahmen erforderlich sind, da CS2 ein langfristig wirkendes Nervengift und als Gemisch mit Luftsauerstoff hochexplosiv ist. Während der Reaktion geht die Alkalicellulose in Natriumxanthogenat über, verliert hierbei die fasrige Struktur und nimmt eine gelb-orange Farbe an. Die Moleküle haben nun eine so geringe Bindungsenergie, daß das Xanthogenat von Natronlauge gelöst werden kann. Hierbei entsteht eine honigartige sog. Viskose. Die nachfolgenden Arbeitsschritte Homogenisieren, Filtern und Entlüften sind für einen einwandfreien Spinnverlauf erforderlich. Es können auch Mattierungsmittel oder Farbstoffe für spinngefärbte Fasern zugesetzt werden.
Nach Erreichen der für das Spinnen notwendigen Viskosität wird die Spinnlösung über Pumpen und Filter den Spinndüsen zugeleitet und aus ihnen in ein Fällbad gedrückt. Die Spinnlösung hat etwa eine Konzentration von 7 bis 9% Cellulose. Das Fällbad koaguliert die Viskose und regeneriert aus ihr die Cellulose unter Bildung feiner Filamente (textile Faserstoffe). Für übliche V. besteht das Fällbad aus Schwefelsäure und Sulfaten (Müllerbad). Die Abzugsgeschwindigkeit der V. ist größer als die Austrittsgeschwindigkeit der Viskose aus den Düsen (z. T. über 120 m/min). Hierdurch werden die Filamente verfeinert und die Cellulosemoleküle in Achsrichtung orientiert. Dadurch verbessern sich vor allem die Festigkeitseigenschaften.
Die Düsen für die Filamentgarnherstellung haben bis 300 und für die Spinnfaserherstellung bis zu 120000 Loch mit 40 bis 200 μm Durchmesser. Kontinuemaschinen waschen, entschwefeln, bleichen, avivieren, zwirnen und wickeln das Filamentgarn sofort nach der Herstellung auf. Für die Spinnfaserherstellung werden die Filamente zu einem Kabel (textile Faserstoffe) zusammengefaßt und kontinuierlich vor dem Trocknen zu Fasern geschnitten und nachbehandelt. Hochfeste V. für z. B. Reifenkord erfordern einen sehr hohen Orientierungsgrad der in Faserrichtung angeordneten Bereiche. Dies bedingt auch eine hohe Verstreckung der sich bildenden Filamente mit speziellen Fäll- und Plastifizierungsbädern.
Eigenschaften. V. haben eine geringere Festigkeit als Baumwolle, besonders im nassen Zustand. Sie zeichnen sich durch eine gute Wasseraufnahme und hohe Quellbarkeit aus und glänzen ohne Mattierung stark (Mattierung mit TiO2). Gegen aggressive Medien sind V. wenig beständig; sie sind gut anfärbbar. Mit Kunstharzausrüstung werden V. knitterarm.
Verwendungsgebiete. V. werden meist in Mischung mit Baumwolle, Wolle oder anderen Chemiefasern zu Ober- und Unterbekleidungs- sowie Raum- und Haushalttextilien verarbeitet. Auch für Verbandmaterial und andere medizinische Textilien sowie als hochfeste Filamentgarne für technische Textilien werden V. verwendet.
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