Lexikon der Ernährung: Niere
Niere, Ren, Nephros, Ekidney, 1) paariges vorwiegend der Ausscheidungsfunktion dienendes Organ; 2) Lebensmittel: Innereien.
ad 1) Die paarige N. (je ca. 150 g beim Erwachsenen) ist mit Bändern an der hinteren Wand der Bauchhöhle befestigt und von einer Fettkapsel umgeben. Mit ihrem oberen Pol berühren die N. das Zwerchfell, in diesem Bereich sind auch die Nebennieren angelagert. Makroskopisch sind im Längsschnitt der N. eine Rindenschicht und eine zentrale Markschicht zu erkennen. Aus der Markschicht münden die sog. Nierenkelche in das Nierenbecken, welches in den Harnleiter übergeht.
Funktionelle Einheit der N. ist das Nephron (Nierenkörperchen): Ein arterielles Kapillarknäuel (Glomerulus) wird von der sog. Bowmann-Kapsel umschlossen. Das aus dieser abgehende Nierenkanälchen (Tubulus) bildet nach einigen Windungen die vom peritubulären Kapillarnetz umgebene Henle-Schleife, welche bis ins Nierenmark reicht, um dann nach weiteren Windungen über das sog. Sammelrohr in den Nierenkelch zu münden (Abb.). Die Anzahl der Nephrone je Niere liegt bei ca. 1 Mio.
Aus den Glomerulus-Kapillaren tritt Flüssigkeit durch Druckfiltration in die Bowmann-Kapsel über (glomeruläre Filtration) und bildet den Primärharn (bis zu 180 l / d), der in den nachfolgenden Tubulus-Abschnitten – v. a. in der Henle-Schleife nach dem Gegenstromprinzip und mittels zahlreicher Transportmechanismen – durch Rückresorption von Wasser und gelösten Substanzen zum Endharn wird und ausgeschieden wird (0,5–2 l/ d).
Nierenfunktion: (Erenal function). Die N. haben ein zentrale Funktion in der Konstanthaltung des Milieus der extrazellulären Flüssigkeit und wirken darüber hinaus als endokrines Organ.
Wasser- und Elektrolythaushalt: Die N. des Erwachsenen wird pro Minute von ca. 1.200 ml Blut durchströmt, damit passiert das gesamte Blutvolumen des Körpers in 4–5 Minuten einmal die Niere. Die gesamte extrazelluläre Flüssigkeit (bei Erwachsenen etwa 17 l) passiert rund 50mal pro Tag die Nieren. Die Mengen an Wasser bzw. anderen Bestandteilen des Primärharns (Elektrolyte, Glucose, Aminosäuren), die für die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen notwendig sind, werden in den Nierentubuli rückresorbiert und dem Blutkreislauf erneut zugeführt. Die Wasser- bzw. Elektrolytmengen, die im Überschuss mit der Nahrung aufgenommen werden sowie alle harnpflichtigen Substanzen werden – bei normaler Nierenfunktion – mit dem Endharn ausgeschieden. Einige Bestandteile des Blutplasmas, deren Konzentration besonders exakt sein muss (Wasserstoff- und Kaliumionen), können direkt aus dem Blut in die Tubulusflüssigkeit gelangen, um Konzentrationsschwankungen schnell ausgleichen zu können.
Säure-Basen-Haushalt: An der Aufrechterhaltung des Blut-pH-Wertes sind neben den Puffersystemen des Blutes (z. B. Hämoglobinpuffer) die Lunge (durch CO2-Abgabe), die Leber und die Niere beteiligt. Bei normaler Mischkost müssen täglich etwa 60–80 mmol an sauren Valenzen eliminiert werden. Fallen im Stoffwechsel vermehrt „fixe“ Säuren (z. B. Milchsäure, Ketonkörper) an, die nicht über die Lunge abgeatmet werden können, werden H+-Ionen gebunden an Ammoniak als NH4+ (ca. 40 mmol / d) und an Phosphat als H2PO4– (ca. 20 mmol / d) über die Niere ausgeschieden, wobei gleichzeitig Hydrogencarbonat (HCO3–) rückresorbiert wird. Nur etwa 0,05 % der sauren Valenzen werden als freie Protonen ausgeschieden. Je nach Stoffwechsellage (Acidose / Alkalose) können die Nieren über eine gezielte Ausscheidung bzw. Zurückhaltung von H+ bzw. HCO3– den pH-Wert des Blutes konstant halten.
Endokrine Funktion: Die Niere ist Bildungsort für eine Reihe wichtiger Hormone. Dazu zählt z. B. das an der Blutbildung beteiligte Erythropoetin (EPO). So ist bei einer chronischen Niereninsuffizienz (Kreatinin > 3,5 mg / dl) die Bildung der roten Blutkörperchen (Erythrocyten) reduziert, was zur Ausbildung einer renalen Anämie führen kann. In der Niere erfolgt die Umwandlung von Vitamin D in die aktive Hormonform (Calcitriol, 1,25-Dihydroxycholecalciferol), die für die Resorption von Calcium und Phosphat und damit für die Mineralisation der Knochen verantwortlich ist. Bei Niereninsuffizienten werden daher häufig Anzeichen eines Vitamin-D-Mangels festgestellt. Dies begünstigt die Entstehung einer Osteoporose bzw. einer so genannten renalen Osteodystrophie.
Weitere in der Niere gebildete Hormone sind u. a. Renin, Angiotensin II sowie einige Eicosanoide. Zu den Hormonen, die außerhalb der Niere gebildet werden, jedoch die N. beeinflussen, zählen Adiuretin, Aldosteron und Parathormon. Bei eingeschränkter N. werden häufig verminderte Konzentrationen des männlichen Geschlechtshormons Testosteron beobachtet, die zu einer Abnahme der Potenz resp. der Libido führen können.
Nierenfunktionstests: Die Ausscheidungsfunktion der Nieren kann durch die Ermittlung der glomerulären Filtration überprüft werden. Hierfür werden die Clearanceraten (Clearance) für endogene (Kreatinin) oder exogene Substanzen (Inulin) ermittelt. Aussagen über die Nierendurchblutung bzw. den renalen Plasmafluss (RPF) erhält man durch die Bestimmung der so genannten PAH-Clearance (Formel: Clearance). PAH (Para-Aminohippursäure) ist eine Substanz, die nahezu vollständig (93 %) aus dem Blutplasma eliminiert wird. Daher kann man von der PAH-Ausscheidung auf die Nierendurchblutung schließen, welche beim Gesunden etwa 1,2 l / min beträgt. Die Konzentrations- und Verdünnungsleistung erhält man durch die Ermittlung der Urinosmolarität, die zwischen 855 und 1.335 mosmol / kg liegt. Anlass für die Bestimmung geben Symptome, die mit einer erhöhten Flüssigkeitszufuhr und / oder -ausscheidung einhergehen.
Niere.: Aufbau und funktionelle Strukturen der Niere. Erläuterungen im Text. [Aus: E.-J. Speckmann u. W. Wittkowski, Bau und Funktion des menschlichen Körpers, 19. Aufl. Urban & Fischer, 2000] Niere.
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