Lexikon der Mathematik: d’Alembert, Jean Baptiste le Rond
Mathematiker, Physiker und Philosoph, geb. 16.(17.)11.1717 Paris, gest. 28.10.1783 Paris.
Der uneheliche Sohn eines Generals und einer adligen Dame wurde auf den Stufen der Pariser Kirche Saint-Jean-le-Rond ausgesetzt. Er wuchs in einer Handwerkerfamilie auf, sein leiblicher Vater ermöglichte ihm jedoch ein Studium in Paris. D’Alembert studierte Theologie, Jura, Medizin, Mechanik und Mathematik. Bedeutende Leistungen führten schon 1741 zur Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften. Seit 1754 war er Sekretär der Akademie der Wissenschaften, seit 1772 auch der Academie Francaise. In diesen Positionen war d’Alembert der einflußreichste Gelehrte Frankreichs.
Er begann seine wissenschaftliche Tätigkeit mit Arbeiten über die Bewegung fester Körper in Flüssigkeiten und der Integration von Differentialgleichungen. Bereits 1743 erschien sein Hauptwerk „Traité de dynamique“. Die Schrift war ein Meilenstein in der Mathematisierung der klassischen Mechanik. Es enthielt das d’Alembertsche Prinzip (d’Alembertsches Theorem), versuchte eine Begründung der Newtonschen Axiome und erklärte, daß die formale Beschreibung von „Kraft“ nur eine Konvention sei.
Mit Hilfe des d’Alembertschen Prinzips gelang es erstmals, die Bewegung gekoppelter Körper zu erklären. D’Alembert veröffentlichte danach über die
Bewegung von Flüssigkeiten, die Theorie des Windes und über die Theorie der schwingenden Saite (1747). Letztere Arbeit führte die Wellengleichung ein und begründete, neben Untersuchungen von Euler und D. Bernoulli, die Theorie der partiellen Differentialgleichungen. Andere Probleme der mathematischen Physik führten ihn zur Erkenntnis der Komplexwertigkeit analytischer Funktionen komplexer Veränderlicher (1746), zu den Differentialgleichungen von Cauchy-Riemann für jede komplexe analytische Funktion (1752), und zum d’Alembertschen Konvergenzkriterium. 1746 versuchte er erfolglos, den Fundamentalsatz der Algebra zu beweisen. Auch Arbeiten zu den Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie waren wenig erfolgreich.
Ab 1751 gab d’Alembert, gemeinsam mit Diderot, die „Encyclopédie ou Dictionaire raisonnée des sciences…“ heraus. Dieses Werk gehört zu den einflußreichsten Schriften der Wissenschaftsgeschichte. In mathematischen Artikeln der Encyclopédie formulierte d’Alembert u. a. exakt den Grenzwertbegriff.
In den philosophischen Beiträgen vertrat er eine rationale Fortschrittsidee und die Meinung, Wissenschaft habe dem Fortschritt der Produktivkräfte zu dienen. Er löste gleichzeitig die Einzelwissenschaften aus den alten deduktiven Wissenschaftssystemen. Seine eigenen Auffassungen waren aber durchaus nicht konsequent. Er vertrat auch skeptizistische Gedankengänge und unentschiedene theologische Positionen. Ein Essay von 1759 gilt sogar als eine wesentliche Quelle des Positivismus.
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