Lexikon der Optik: photographischer Verschluß
photographischer Verschluß, Einrichtung zur zeitlichen Steuerung der Belichtung in photographischen Kameras. Hierzu werden in der Regel bewegliche mechanische Elemente in den Strahlenfluß gebracht. P. V. sind vorzugsweise an ausgewählten Stellen des Strahlenganges anzuordnen, und zwar in unmittelbarer Nachbarschaft entweder der Öffnungsblende oder der Feldblende. Nur in diesen beiden Lagen gibt es eindeutige Zusammenhänge zwischen dem Vorgang der Verschlußöffnung, der Blende und der Belichtung. Entsprechend den beiden Anordnungen unterscheidet man zwischen Objektivverschluß und Bildfensterverschluß. Weniger günstig sind Verschlußanordnungen dicht vor oder dicht hinter dem Objektiv. Dort können Rollo- oder Scheibenverschlüsse angebracht werden. Bei allen derzeitigen p. V. ist darauf zu achten, daß sie bei voller Öffnung nicht vignettieren und ihre Öffnungs- und Schließzeit klein gegenüber der Offenzeit ist; andernfalls erhält man eine ungleichmäßige Belichtung des Bildfeldes.
Der Zentralverschluß ist die verbreitetste Form des Objektivverschlusses. Zwei bis fünf Lamellen geben beim Öffnen den Strahlenfluß von der Mitte aus bis zur vollen Öffnung fortschreitend frei und verdecken ihn anschließend wieder mit umgekehrtem Ablauf (Abb. 1). Dabei erfolgt die Belichtung des gesamten Bildfeldes gleichzeitig, gleichgültig ob der p. V. völlig oder nur teilweise geöffnet ist. In der mechanischen Ausführung gibt es ihn als Automatverschluß oder Spannverschluß. Beim Automatverschluß erfolgt das Spannen gleich mit der Verschlußbetätigung. Dieser p. V. ist stets betriebsbereit, gestattet allerdings nur wenige Belichtungszeiten bis zu minimal 1/100 s. Der Spannverschluß erfordert ein gesondertes Spannen. Die kürzesten Belichtungszeiten betragen je nach Verschlußgröße 1/500 bis 1/800 s (Compur-Rapid).
Die langen Belichtungszeiten werden durch Zeitbildungseinrichtungen realisiert (mechanisch durch Zahnräder-Hemmwerke oder auch durch eine pneumatische Bremse wie bei älteren Compound-Verschlüssen, elektronisch durch Widerstands-Kondensator-Kombinationen oder digitale Zeitgeber), während die kürzesten Zeiten durch die Eigenschaften der Verschlußelemente (Trägheitsmomente und verfügbare Kräfte) begrenzt werden. Dies erkennt man am Zentralverschlußdiagramm (Abb. 2). Bei diesem Lichtstrom-Zeit-Diagramm ist auf der Abszisse die Zeit und auf der Ordinate die Beleuchtungsstärke in der Bildebene aufgetragen. Während der Öffnungszeit steigt der Lichtstrom an, bis er bei voller Öffnung seinen Sollwert (100%) erreicht. Je nach Einstellung bleibt der p. V. eine gewisse Zeit offen (Offenzeit bzw. Volloffenzeit), um sich dann wieder zu schließen (Schließzeit). Dabei nimmt der Lichtstrom wieder bis auf Null ab. Die gesamte Zeit vom Beginn des Öffnens bis zum völligen Schließen nennt man Totalzeit t0. Maßgebend für die Belichtung ist jedoch die Äquivalent- oder Effektivzeit te, die man dadurch erhält, daß man die unterhalb der Lichtstrom-Zeit-Kurve befindliche Fläche von der angenäherten Form eines Trapezes in ein flächengleiches Rechteck verwandelt; te ist dann die Seitenlänge dieses Rechtecks auf der Abszisse. Das Verhältnis von Äquivalentzeit zur Totalzeit bezeichnet man als Zeitwirkungsgrad η, also η=te/t0. Er hängt von der eingestellten Verschlußzeit und von der Blendenöffnung ab. Er wird um so geringer, je kürzere Zeiten man wählt. Bei Abblendung brauchen die Verschlußlamellen nur einen kleineren Weg bis zur eingestellten Blendenöffnung zurückzulegen. Dadurch wird bei allen Belichtungszeiten η günstiger, die äquivalente Belichtungszeit jedoch größer als angegeben.
Der Scheibenverschluß ist eine vereinfachte Bauform des Zentralverschlusses, der vorwiegend bei einfachen Kameras Anwendung findet. Er kann auch dicht vor oder hinter dem Objektiv angeordnet sein (Abb. 3). Eine um den Punkt M sich drehende Scheibe trägt den Belichtungsschlitz B, der die Objektivöffnung Ö für die Zeitdauer der Belichtung freigibt. Die Freigabe erfolgt also nicht von der Mitte, sondern von der Seite der Objektivöffnung aus. Die Belichtungszeit kann durch Änderung der Winkelgeschwindigkeit in Grenzen variiert werden. Weiterentwickelte Scheibenverschlüsse mit mehreren rotierenden Scheiben werden heutzutage als Objektivverschlüsse in Luftbildmeßkammern benutzt.
Nach einem ähnlichen Prinzip wie der Scheibenverschluß arbeitet der Fallverschluß. Dies ist ein einfacher, für Laborzwecke geeigneter p. V., der durch Rechnung bestimmbare Belichtungszeiten in der Größenordnung von 1/10 bis 1/1000 s zuläßt (Abb. 4). Bezeichnen hs die Höhe des Belichtungsschlitzes und ha die Anfangshöhe seiner Unterkante über der Mitte der Öffnung Ö, so ergibt sich die Belichtungszeit zu
,
wobei g die Schwerebeschleunigung bedeutet.
Der Schlitzverschluß ist die übliche Form des Bildfensterverschlusses. Er liegt dicht vor der Filmebene und ist fest in das Kameragehäuse eingebaut. Zwei Vorhänge (Gummituch oder Metallrollos) laufen nacheinander ab (Abb. 5). Bei längeren Belichtungszeiten ist nach Ablauf des ersten Rollos das Bildfenster zunächst eine Zeitlang frei (Offenzeit), und danach wird es vom zweiten Rollo wieder verschlossen. Bei kürzeren Belichtungszeiten laufen die beiden Rollos im geringen Abstand hintereinander und belichten das Bildfeld streifenweise. Die Belichtungszeit wird dann kürzer als die Laufzeit der Rollos, und es gibt keine Offenzeit. Auf diese Weise sind Belichtungszeiten von 1/1000 s und kürzer möglich, während die Laufzeit 1/100 s und mehr beträgt. Die lange Laufzeit bei kurzen Belichtungszeiten kann zu Verzerrungen bei der Aufnahme schnell bewegter Objekte führen, denn die Belichtung eines Teils des Bildes ist abgeschlossen, bevor die des nächsten beginnt. Unterdessen hat sich aber das Objekt weiterbewegt. Im Gegensatz zum Zentralverschlußdiagramm ist das Schlitzverschlußdiagramm ein Weg-Zeit-Diagramm (Abb. 6).
Die Zeitenreihe der in photographischen Kameras vewendeten p. V. entspricht den gerundeten Werten einer geometrischen Reihe mit dem Faktor 1/2 (Werte in s): 8, 4, 2, 1, 1/2, 1/4, 1/8, 1/15, 1/30, 1/60, 1/125, 1/250, 1/500, 1/1000. Die Abweichung von den angegebenen Zeiten soll nicht mehr als 20% betragen.
Synchronisation von Blitz und p. V. erreicht man durch Einbau elektrischer Kontakte. Bei dem heute fast ausschließlich verwendeten Elektronenblitz erfolgt die Kontaktgabe im Moment der vollen Öffnung. Während beim Zentralverschluß eine Synchronisation bis zu kürzesten Verschlußzeiten möglich ist, geht dies beim Schlitzverschluß nur bis zu derjenigen Verschlußzeit, bei der das Bildfenster noch voll freigegeben ist.
Photographischer Verschluß 1: Öffnungs- und Schließvorgang bei einem Zentralverschluß mit 3 Lamellen.
Photographischer Verschluß 2: Zentralverschlußdiagramm. E Lichtstrom bzw. Beleuchtungsstärke in der Bildebene, t1 Öffnungszeit, t2 Volloffenzeit, t3 Schließzeit, t0 Totalzeit, te Effektiv- oder Äquivalentzeit.
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