Metzler Lexikon Philosophie: Diskurs
Bezeichnung für einen auf der Grundlage von Argumenten vollzogenen Dialog. Über diese allgemeine Bestimmung hinaus hat der Begriff »D.« durch Habermas eine Spezifizierung erfahren: Er stellt eine Form der Kommunikation dar, in der die Kommunikation selbst noch einmal zum Thema gemacht wird, nämlich die in jeder Kommunikation implizit oder explizit erhobenen Geltungsansprüche. Mit einer jeden Äußerung geht der Geltungsanspruch der Wahrheit (des Aussageinhalts) und der normativen Richtigkeit (d.h. der normativen Angemessenheit der Äußerung als einer Handlung in einem konkreten Handlungskontext) einher. Da mit jeder Kommunikation der Anspruch auf Verständigung verbunden ist, kommt es darauf an, dass diese Geltungsansprüche als begründet akzeptiert (oder als unbegründet zurückgewiesen) werden. Einen solchen Geltungsanspruch zu verstehen, besagt, dass man die Gründe kennt, die für ihn angeführt werden könnten und ihn akzeptabel machten. Durch diese Selbstthematisierung der Kommunikation stellt der D. eine reflexive Form der Metakommunikation dar. In D.en suchen wir ein problematisiertes Einverständnis, das im kommunikativen Handeln bestanden hat, durch Begründung wiederherzustellen (diskursive Verständigung).
Eine Logik des D.es muss Auskunft geben über die in D.en erhobenen Geltungsansprüche und die Bedingungen, unter denen sie akzeptabel sind. Bei solchen diskursiven Geltungsansprüchen muss unterschieden werden zwischen externen und internen Geltungsansprüchen (Schnädelbach). Um externe handelt es sich, wenn andere normative Standards als die der kommunikativen Verständigung verwendet werden, um das Resultat des D.es zu charakterisieren. z.B. wird im Kontext der Einzelwissenschaften die Explikation eines Begriffes deshalb akzeptiert, weil sie dessen Praktikabilität erhöht. Die internen Geltungsansprüche bemessen sich am Ziel der kommunikativen Verständigung. Dabei sind die universellen Geltungsansprüche, die für alle Diskurstypen erhoben werden, zu unterscheiden von den spezifischen, nur für einzelne Diskurstypen geltenden. Zu den universellen Geltungsansprüchen gehört (a) der Anspruch auf Verständlichkeit (i. S. der Verwendung angemessener Ausdrücke); (b) der Anspruch des Nicht-Persuasiven (d.h., nicht manipulativ zu beeinflussen); (c) der Anspruch der semantischen und pragmatischen Konsistenz (d.h. keine widersprüchlichen Prädikationen bezüglich eines Gegenstandes und keine Widersprüchlichkeit zwischen der Intention einer Äußerung und dem Aussageinhalt). Zu den speziellen Diskurstypen zählen: (a) der theoretische D.: Er stellt eine Form der Argumentation dar, in der kontroverse Wahrheitsansprüche zum Thema gemacht werden; (b) der sprachanalytische, deskriptive D.: Er trägt der kognitiven Absicht Rechnung, d.h. dem Anspruch auf Wahrheitsdefinitheit und auf Synthetizität; (c) der explikative D.: In ihm werden die Verständlichkeit, Wohlgeformtheit oder Regelrichtigkeit von symbolischen Ausdrücken kontrovers zum Thema gemacht; (d) der praktische oder normative D.: In ihm werden die Ansprüche auf normative Richtigkeit behandelt, z.B. von Handlungsnormen, die mit dem Anspruch auftreten, im Hinblick auf eine regelungsbedürftige Materie ein allen Betroffenen gemeinsames Interesse auszudrücken und deshalb allgemeine Anerkennung zu verdienen.
PP
Unter D. versteht Foucault das Ensemble von Bedingungen, die festlegen was, aus der unendlichen Masse des Sagbaren, zu einer bestimmten Zeit und in einer bestimmten Kultur tatsächlich gesagt wird. Auf der einen Seite sind solche D.e dezentral und vielschichtig, sie übergreifen Wissenschaftsbereiche und soziale Institutionen und beeinflussen bzw. legitimieren sich dabei gegenseitig. Auf der anderen Seite können sich D.e in bestimmten Institutionen kristallisieren, die gleichsam Schaltstellen der Diskurspraxis werden, seine Verbreitung und Legitimierung unterstützen bzw. seiner Immunisierung dienen. In jeder Gesellschaft wird die Produktion des D.es kontrolliert und selektiert durch Verfahren, deren Aufgabe es ist, das unberechenbar Ereignishafte des D.es zu bändigen. Für gesellschaftliche Kräfte liegt ein erhebliches Machtpotential darin, bestimmen zu können, was für Inhalte im D. zugelassen sind, welche Wahrheitskriterien zugrundegelegt werden und wer als »kompetenter« Sprecher überhaupt daran teilnehmen darf, weshalb unterschiedliche Institutionen um die Diskursvorherrschaft ringen (Wissenschaftsbereiche, Wirtschaft, Politik, Religion etc.).
FPB
Literatur:
- M. Foucault: Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt 92003
- C. F. Gethmann: Protologik. Untersuchungen zur formalen Pragmatik von Begründungsdiskursen. Frankfurt 1979
- J. Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns. Bd. I. Frankfurt 1981. S. 34 ff
- H. Schnädelbach: Reflexion und Diskurs. Fragen einer Logik der Philosophie. Frankfurt 1977. S. 135 ff.
PP/FPB
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.