Metzler Lexikon Philosophie: Schönheit
Zusammen mit dem Wahren und dem Guten ist das Schöne für die Philosophie seit deren Beginn in der griechischen Antike ein wesentliches Element der Trias der obersten Werte. Traditioneller Auffassung nach realisiert sich das Schöne sowohl in der Natur als auch in der Kultur. – Das Naturschöne tritt in verschiedenen Gestalten auf, etwa als »erhabene« Sch. schneebedeckter Berggipfel und schaumgekrönter Meereswogen oder als »anmutige« Sch. zierlicher Blüten oder sanfter Bewegungen menschlicher Körper. Das Kulturschöne ist im Wesentlichen verwirklicht im Kunstschönen. Dieses ist der zentrale Wert gelungener Werke der verschiedenen Kunstgattungen. Dabei kann paradoxerweise auch das ästhetische Spiel mit dem Hässlichen den Wert »Kunstschönheit« realisieren. Typische Gestalten des Kunstschönen sind z.B. das Komische und das Tragische, das Heitere und das Melancholische, das Besinnliche und das Dramatische etc. Diese Gegensatzpaare sind insbesondere für die literarischen Künste von Bedeutung. Kunstschönes kann sich aber auch realisieren als die Harmonie von Farben und Formen (in Architektur und bildender Kunst) oder als Aufbau und Auflösung der Spannung zwischen Akkorden (in der Musik).
Die dem Schönen korrespondierende Form des subjektiven Erlebens ist das Wohlgefallen. Im Gegensatz zum Wohlgefallen am Angenehmen oder auch am Guten ist (nach Kant) das Wohlgefallen am Schönen ohne alles Interesse, d.h. es setzt weder die reale Existenz noch das (z.B. besitzmäßige) Verfügen über den vorgestellten schönen Gegenstand voraus. Die dem interesselosen Wohlgefallen zugrundeliegende Bewusstseinshaltung ist die Kontemplation. Sie ist charakterisiert durch eine Distanz zum Wollen und Handeln. Die verschiedenen Formen des Wohlgefallens können terminologisch gefasst werden als Vergnügen (am Angenehmen), Schätzung/Billigung (des Guten) und Gefallen (am Schönen). Das Erlebnis des Schönen ist eine elementare existentielle Erfahrung. Es trägt in der Regel entscheidend zur Steigerung der Lust an der eigenen Existenz bei. – Das misslungene Kunstschöne wird terminologisch als Kitsch bezeichnet. Bei aller Verschiedenheit der Formen des Kitsches kommen diese doch darin überein, dass ihnen ein Moment der Übertreibung (z.B. Überdeutlichkeit) oder ein Mangel an Echtheit (Originalität, Genuinität) eigen ist. Die Vermeidung ästhetischer Übertreibung erfordert Geschmack. Insofern ist Produktion und Genuss von Kitsch Ausdruck des Mangels an Geschmack. Geschmack wäre seinerseits zu definieren als Sinn für das richtige Maß.
Literatur:
- H.-G. Gadamer: Die Aktualität des Schönen. Stuttgart 1977
- I. Kant: Kritik der Urteilskraft (1790); – F. Kaufmann: Das Reich des Schönen. Stuttgart 1960
- C. Mühleck: Schönheit und Freiheit. Die Vollendung der Moderne in der Kunst. Würzburg 1989.
RL
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