Ernährung: Fischerei im Umbruch
An einem kühlen Frühlingsmorgen begleite ich Carter Newell und seine zweiköpfige Crew zur Arbeit. Unser Ziel ist eine der produktivsten Muschelfarmen im Bundesstaat Maine an der US-amerikanischen Ostküste. Eine kurze Bootsfahrt bringt uns zu einem großen Schiff, 18 Meter lang und sieben Meter breit. Der promovierte Meeresbiologe Newell hat es nach dem walisischen Küstenort Mumbles benannt, an dem er früher geforscht hat. Der Kahn ist an einem stählernen Floß vertäut, von dem aus Hunderte von Seilen, jedes gut 13 Meter lang, ins Wasser hängen. Sie sind mit tausenden Miesmuscheln in verschiedenen Entwicklungsstadien übersät.
Ich zittere im beißenden Wind, als ein Besatzungsmitglied vom Schiff aus auf das schwankende Floß steigt und nachsieht, welche Muschelseile bereit für die Ernte sind. Newell bleibt auf dem Boot und zieht mit einem fünf Meter hohen Kran die gekennzeichneten Seile hoch. An jedem kleben in baumartigen Verzweigungen etwa 3000 Miesmuscheln. Eine überdimensionale Bürste fegt sie in einen riesigen Edelstahleimer, woraufhin sie eine andere Maschine in einen Sack aus Polyethylen füllt. Von dort aus werden sie wiederum auf ein Förderband geschüttet und geschrubbt, sortiert und verpackt. Newell hat diese Apparatur über Jahrzehnte hinweg in einem kostspieligen Prozess durch Ausprobieren entwickelt. Zahlreiche Herausforderungen musste er auf dem Weg dorthin meistern, etwa die Tiere vor Seegang und gefräßigen Eiderenten schützen.
Während er die morgendliche Ernte beaufsichtigt, spricht Newell über die Dynamik des Phytoplanktons, warum die Nitratkonzentration des Wassers im Winter ansteigt und wie sich der Chlorophyllgehalt für die gesamte Küste von Maine anhand von nur drei Satellitenbildern bestimmen lässt. Vor allem aber spricht er über Miesmuscheln: ihren Lebenszyklus, ihre geografische Verbreitung, ihre Zubereitung (nicht an Knoblauch sparen!), und wie man sie am besten züchtet, ohne Konkurs zu gehen. »Mit der Fischzucht verdient man kein schnelles Geld«, lautet sein Fazit.
Tatsächlich könnte sie aber bald die einzige verbleibende Möglichkeit sein, mit der Maines ums Überleben kämpfende Meeresfrüchteindustrie überhaupt noch Geld verdienen kann …
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