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Evolution: Gereiftes Lachen

Lachen und Gelächter galt lange als genuin menschlich. Doch auch Primaten können kichern. Eine Vergleichsstudie zeigt nun die Unterschiede auf und wirft so einen Blick auf die Entstehungsgeschichte des Lachens.
Orang-Utan Enero beim Kitzel-Versuch
Es ist ein eigenartiges Bild: Tierpfleger und Gorilla sitzen sich gegenüber, durch eine Reihe massiver Gitterstäbe getrennt. Plötzlich hebt der Pfleger seine Hände, lässt sie über die Fußsohle des Gorillas wandern. Das Tier zuckt zusammen, schlägt leicht mit den Händen, stößt Geräusche aus. Und hält Sekunden später seine Fußsohle wieder hoch, für eine neue Kitzel-Attacke.

Was die Stimmbänder des Tieres hervor pressen, sind keine Abwehrrufe. Im Gegenteil: Der Gorilla lacht. Davon ist zumindest die Biologin Marina Davila Ross von der University of Portsmouth überzeugt. Sie ließ in einer Vergleichsstudie 21 junge Primaten sowie drei kleine Menschenkinder kitzeln und zeichnete anschließend auf, wie ihre Probanden darauf reagierten. Ihr Ergebnis: Sowohl Schimpansen, Gorillas, Bonobos als auch Orang-Utans und Siamangs aus der Familie der Gibbons stoßen charakteristische Geräusche aus.

Lachende Primaten

"Es ist nicht anthropomorphistisch, auch bei Primaten von Lachen zu sprechen", sagt Ross. Nur hört es sich anders an. Wenn ein Gorilla lacht, ähnelt das beispielsweise eher dem Hecheln eines Hundes als dem Gelächter eines Kindes. Dies hat seinen Grund: Während Menschen Laute normalerweise nur beim Ausatmen ausstoßen – die Phonetik spricht hier von egressiver Lautproduktion –, können Primaten auch beim Einatmen Geräusche von sich geben. Dieser Fähigkeit kommt am ehesten das sirenenähnliche Schreien eines Säuglings nahe.

Orang-Utan Neru | Orang-Utan Neru war einer von 21 Primaten, die am Versuch teilnahmen. Außer ihm wurden Schimpansen, Gorillas, Bonobos und Siamang gekitzelt – sowie drei Menschenkinder.
Zudem sind die menschlichen Laute beim Lachen regelmäßiger als die der Menschenaffen. Bei der phonetischen Analyse der Lachsalven konnte Ross mit ihrem Team auch Abstufungen ausmachen: in der Länge der Laute, ihrer Anzahl pro Kitzelattacke und der Stimmmodulation. Bonobo und Schimpanse stehen der Forscherin zufolge dabei dem Menschen näher als Orang-Utan und Siamang. Das entspricht auch dem klassischen evolutionären Stammbaum des Menschen.

Enge Verwandtschaft

Besonders beeindruckte die Forscher eine weitere Fähigkeit der Primaten: Schimpansen und Gorillas waren während der Lachattacken in der Lage, länger Laute von sich zu geben, als es ihr normaler Atemrhythmus eigentlich zulässt. Diese Fähigkeit wird als eine Grundvoraussetzung für Sprachfähigkeit gewertet – und bestätigt wieder einmal die enge Verwandtschaft von Menschenaffen und Menschen.

Ross und ihre Kollegen gehen darum davon aus, dass sich die Fähigkeit zu lachen schrittweise entwickelt hat. Möglicherweise entstand der spezifische menschliche Klang, als sich unsere frühen Vorfahren von den Primaten abgespalten haben, also etwa zwischen 4,6 bis 6,2 Millionen Jahren. Das Lachen selbst aber ist ihrer Ansicht nach wesentlich älter und reicht bis zu 16 Millionen Jahre zurück, zu dem letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Affe.
  • Quellen
Ross, M. D. et al: Reconstruction the Evolution of Laughter in Great Apes and Humans. In: Current Biology 10.1016/j.cub.2009.05.28, 2009.

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