Aids-Forschung: Konkurrenz vermasselt das Geschäft
Sich einen Virus einzuhandeln, um gesund zu bleiben - klingt nicht nach einer durchdachten Strategie. Höchstens dann, wenn friedliche Erreger tödliche verdrängen helfen.
Seit einem Jahrzehnt schon verbeißt sich Jack Stapleton in ein Problem namens GBV-C – ein harmloses Virus, das einem überhaupt nicht harmlosen Konkurrenz machen soll. Ausgangspunkt des Forscherinteresses war eine merkwürdige Beobachtung: Viele mit GBV-C infizierte und gleichzeitig HIV-positive Patienten, so erkannten Stapleton und sein Team von der Universität Iowa schon 2001, erkranken später an Aids und leben mit beiden Erregern auch länger als solche, die allein das HI-Virus tragen.
Warum dies so ist, blieb lange völlig unklar – jedenfalls aber schien das eine, sonst unauffällige Virus dem anderen, tödlichen, irgendwie beim Zerstören der menschlichen Immunabwehr in die Quere zu kommen. Nach und nach kamen Hintergründe dieser viralen Beeinflussung ans Licht: Sowohl HIV als auch GBV-C haben es auf den gleichen Zelltyp abgesehen – die im Blut zirkulierenden Zellen des Immunsystems mit so genannten CD4-Rezeptoren.
Solche Subtypen weißer Blutkörperchen entern HI-Viren, nachdem sie sich an deren CD4-Rezeptor-Außenanhängsel gebunden haben. Unmittelbar danach dringen sie in die Zellen ein, vermehren sich dort und zerstören ihren unfreiwilligen Zellwirt abschließend. Kein Wunder, dass auch viele Bekämpfungsstrategien gegen HIV das erste Ziel des Erregers, den CD4-Rezeptor, zum Ziel haben – ihn auszuschalten, irgendwie zu tarnen oder ihn zur Virusverwirrung massenhaft in der Zellumgebung zu verteilen, stand und steht im Mittelpunkt verschiedener HIV-Bekämpfungsstrategien.
Knackpunkt bleibt dabei aber stets, nicht mehr Schaden anzurichten als Gutes zu tun, schließlich erfüllen die den CD4-Rezeptor tragenden Zellen eine wichtige Rolle im Körper. In dieser Hinsicht schien das Flavivirus GBV-C von Anfang an ein aussichtsreiches Studienobjekt: Der Erreger, der nach seiner Entdeckung zunächst fälschlich als ein weiteres Hepatitis-Virus eingestuft worden war, ist weit verbreitet, dabei aber von offensichtlicher Harmlosigkeit: Fast drei Prozent aller auf GBV-C getesteten Blutspender in den USA tragen das Virus problemlos, rund zwölf Prozent verraten durch Antikörperreste, ihn einmal im Körper gehabt zu haben – offenbar arbeitet sein Zugriff auf CD4 ohne besondere Risiken und Nebenwirkungen gegen HIV.
Schade ist dabei nur eines: Zwar verzögert das harmlose die tödliche Wirkung des anderen Virus – aufhalten kann es sie auf Dauer nicht. Dies zeigt schon die Tatsache, dass etwa 86 Prozent aller HIV-Patienten auch das Flavivirus tragen oder trugen – ohne dass dies an ihrer düsteren Zukunft wirklich grundlegend etwas ändert. Die häufige Koinfektion ist übrigens kein Zufall, da GBV-C wie HIV über Körperflüssigkeiten ausgetauscht werden.
Stapleton und Kollegen arbeiteten seit ihrer ersten Entdeckung daran herauszufinden, wie noch mehr aus dem Anti-HI-Virus-Virus herauszuholen sein könnte. Nun präsentieren sie neue Details. Die Forscher hatten sich in Zellkulturen auf ein GBV-C-Protein namens NS5A konzentriert – und ernteten in ihren Ergebnissen zunächst ein typisches Gute-Nachricht/Schlechte-Nachricht-Resultat.
Zuerst die gute Nachricht: Tatsächlich sorgte schon allein eine drastische Erhöhung des GB-viruseigenen Proteins NS5A dafür, dass die HI-Virusreplikation in Zellkulturen dramatisch einbrach. Dies lag aber wohl zum großen Teil daran, dass gleichzeitig die Konzentration des Zell-Signalstoffes SDF-1 deutlich angestiegen war – die eher schlechte Nachricht. Denn dass SDF-1 HIV bremst, war schon bekannt: Der Signalstoff hemmt die Immunschwäche-Viren, weil er den Rezeptor CXCR4 in Beschlag nimmt, welcher seinerseits das Andocken an die Wirtszellen erleichtert. Wirkt GBV-C also über einen Mechanismus, den man bereits als Schwachstelle von HIV erkannt hatte, ohne sie bislang ausnutzen zu können?
Nicht nur, fanden Stapleton und Co heraus. Denn als sie das unter dem Einfluss von NS5A mehr gebildete SDF-1 mit Antikörpern in einem weiteren Versuch abfingen, war die Replikation der HI-Viren dennoch deutlich gestört. Offensichtlich arbeitet GBV-C durch NS5A also auf mehreren Fronten gegen das Immunschwächevirus. Wichtig ist bei der unbekannten HI-virusbremsenden Funktion des Eiweißes jedenfalls eine bestimmte, 85 Aminosäuren umfassende Sequenz inmitten des Proteins, erkannten die Wissenschaftler. Je nach Sequenz scheint dieser Abschnitt eine bestimmte Kinase der Immunzellen stark zu beschäftigen und dadurch daran zu hindern, von HIV in Beschlag genommen zu werden, glauben die Wissenschaftler: Ohne das Enzym stockt die HI-Virusproduktion.
Vielleicht ein neuer Ansatz zur Bekämpfung des Aids-Erregers, so Stapleton und seine Kollegen optimistisch: Könnte man künstlich gezielt kopieren, was GBV-C leistet, dann würde man HIV nicht direkt bekämpfen, sondern stattdessen seine Möglichkeiten und Ressourcen in der Wirtszelle gezielt beschneiden. Dagegen könnte das Virus dann womöglich auch nicht gar so schnell Resistenzen in Stellung bringen – insgesamt ein, so Stapleton, "bislang noch unbeschrittener Weg antiretroviraler Therapie".
Warum dies so ist, blieb lange völlig unklar – jedenfalls aber schien das eine, sonst unauffällige Virus dem anderen, tödlichen, irgendwie beim Zerstören der menschlichen Immunabwehr in die Quere zu kommen. Nach und nach kamen Hintergründe dieser viralen Beeinflussung ans Licht: Sowohl HIV als auch GBV-C haben es auf den gleichen Zelltyp abgesehen – die im Blut zirkulierenden Zellen des Immunsystems mit so genannten CD4-Rezeptoren.
Solche Subtypen weißer Blutkörperchen entern HI-Viren, nachdem sie sich an deren CD4-Rezeptor-Außenanhängsel gebunden haben. Unmittelbar danach dringen sie in die Zellen ein, vermehren sich dort und zerstören ihren unfreiwilligen Zellwirt abschließend. Kein Wunder, dass auch viele Bekämpfungsstrategien gegen HIV das erste Ziel des Erregers, den CD4-Rezeptor, zum Ziel haben – ihn auszuschalten, irgendwie zu tarnen oder ihn zur Virusverwirrung massenhaft in der Zellumgebung zu verteilen, stand und steht im Mittelpunkt verschiedener HIV-Bekämpfungsstrategien.
Knackpunkt bleibt dabei aber stets, nicht mehr Schaden anzurichten als Gutes zu tun, schließlich erfüllen die den CD4-Rezeptor tragenden Zellen eine wichtige Rolle im Körper. In dieser Hinsicht schien das Flavivirus GBV-C von Anfang an ein aussichtsreiches Studienobjekt: Der Erreger, der nach seiner Entdeckung zunächst fälschlich als ein weiteres Hepatitis-Virus eingestuft worden war, ist weit verbreitet, dabei aber von offensichtlicher Harmlosigkeit: Fast drei Prozent aller auf GBV-C getesteten Blutspender in den USA tragen das Virus problemlos, rund zwölf Prozent verraten durch Antikörperreste, ihn einmal im Körper gehabt zu haben – offenbar arbeitet sein Zugriff auf CD4 ohne besondere Risiken und Nebenwirkungen gegen HIV.
Schade ist dabei nur eines: Zwar verzögert das harmlose die tödliche Wirkung des anderen Virus – aufhalten kann es sie auf Dauer nicht. Dies zeigt schon die Tatsache, dass etwa 86 Prozent aller HIV-Patienten auch das Flavivirus tragen oder trugen – ohne dass dies an ihrer düsteren Zukunft wirklich grundlegend etwas ändert. Die häufige Koinfektion ist übrigens kein Zufall, da GBV-C wie HIV über Körperflüssigkeiten ausgetauscht werden.
Stapleton und Kollegen arbeiteten seit ihrer ersten Entdeckung daran herauszufinden, wie noch mehr aus dem Anti-HI-Virus-Virus herauszuholen sein könnte. Nun präsentieren sie neue Details. Die Forscher hatten sich in Zellkulturen auf ein GBV-C-Protein namens NS5A konzentriert – und ernteten in ihren Ergebnissen zunächst ein typisches Gute-Nachricht/Schlechte-Nachricht-Resultat.
Zuerst die gute Nachricht: Tatsächlich sorgte schon allein eine drastische Erhöhung des GB-viruseigenen Proteins NS5A dafür, dass die HI-Virusreplikation in Zellkulturen dramatisch einbrach. Dies lag aber wohl zum großen Teil daran, dass gleichzeitig die Konzentration des Zell-Signalstoffes SDF-1 deutlich angestiegen war – die eher schlechte Nachricht. Denn dass SDF-1 HIV bremst, war schon bekannt: Der Signalstoff hemmt die Immunschwäche-Viren, weil er den Rezeptor CXCR4 in Beschlag nimmt, welcher seinerseits das Andocken an die Wirtszellen erleichtert. Wirkt GBV-C also über einen Mechanismus, den man bereits als Schwachstelle von HIV erkannt hatte, ohne sie bislang ausnutzen zu können?
Nicht nur, fanden Stapleton und Co heraus. Denn als sie das unter dem Einfluss von NS5A mehr gebildete SDF-1 mit Antikörpern in einem weiteren Versuch abfingen, war die Replikation der HI-Viren dennoch deutlich gestört. Offensichtlich arbeitet GBV-C durch NS5A also auf mehreren Fronten gegen das Immunschwächevirus. Wichtig ist bei der unbekannten HI-virusbremsenden Funktion des Eiweißes jedenfalls eine bestimmte, 85 Aminosäuren umfassende Sequenz inmitten des Proteins, erkannten die Wissenschaftler. Je nach Sequenz scheint dieser Abschnitt eine bestimmte Kinase der Immunzellen stark zu beschäftigen und dadurch daran zu hindern, von HIV in Beschlag genommen zu werden, glauben die Wissenschaftler: Ohne das Enzym stockt die HI-Virusproduktion.
Vielleicht ein neuer Ansatz zur Bekämpfung des Aids-Erregers, so Stapleton und seine Kollegen optimistisch: Könnte man künstlich gezielt kopieren, was GBV-C leistet, dann würde man HIV nicht direkt bekämpfen, sondern stattdessen seine Möglichkeiten und Ressourcen in der Wirtszelle gezielt beschneiden. Dagegen könnte das Virus dann womöglich auch nicht gar so schnell Resistenzen in Stellung bringen – insgesamt ein, so Stapleton, "bislang noch unbeschrittener Weg antiretroviraler Therapie".
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