Planetenforschung: Messenger bei Merkur: die ersten Ergebnisse
Der sonnennächste Planet Merkur steht seit Mitte März 2011 unter ständiger Beobachtung der US-Raumsonde Messenger. Nun stellte die NASA erste Ergebnisse aus den ersten drei Monaten der Primärmission vor. Messenger übermittelte schon mehrere zehntausend Bilder der Merkuroberfläche, die den Planeten teilweise in Auflösungen bis herab zu einem Dutzend Meter zeigen. Mit einem Laserhöhenmesser konnte die Sonde schon rund zwei Millionen Mal die Höhe einzelner Punkte der Merkuroberfläche erfassen und mittels eines Spektrometers für ultraviolettes, sichtbares und infrarotes Licht lassen sich erstmals Rückschlüsse auf die mineralogisch-chemische Zusammensetzung der Merkurkruste ziehen.
Die Aufnahmen des Kamerasystems fokussierten sich in den ersten drei Monaten der Mission vor allem auf die Nordhalbkugel Merkurs. Bislang waren diese Gebiete bei den Vorbeiflügen von Mariner 10 und Messenger im Vorfeld der Orbitalmission nur unvollständig und unter sehr flachen Blickwinkeln erfasst worden, was ihre geologische Interpretation erschwert. Ein Großteil der Nordhalbkugel wird von relativ glatten Ebenen eingenommen, die vulkanischen Ursprungs sind. Offenbar spielte Vulkanismus auf Merkur eine noch wesentlich größere Rolle als auf dem so ähnlich wirkenden Erdmond. Die vulkanischen Ablagerungen sind zum Teil wohl mehrere Kilometer dick.
An der Auswertung der Daten von Messenger sind auch Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof beteiligt. Das Team um Jürgen Oberst vom Institut für Planetenforschung verarbeitet Bilddaten der Kameras und des Laserhöhenmessers zu dreidimensionalen Modellen der Merkuroberfläche. Derzeit erhält das Team zweimal täglich die neuesten Bilddaten von Messenger.
Schon bei den drei Merkur-Vorbeiflügen waren auf den Bildern der Messenger-Sonde helle fleckige Gebiete aufgefallen, die sich in manchen Einschlagkratern befinden. Allerdings reichte die Bildschärfe dieser Bilder nicht aus, Einzelheiten dieser Flecken zu erfassen. Die scharfen Aufnahmen aus der Umlaufbahn enthüllen nun, dass die hellen Flecken aus randlosen, unregelmäßig geformten Löchern bestehen, die zwischen wenigen hundert Metern bis einige Kilometer groß sind. Diese Löcher sind oft umgeben von diffusen Halos aus noch hellerem Material. Sie finden sich vor allem auf den Zentralbergen oder Zentralringen und den Kraterwällen größerer Einschlagkrater.
Wie Brett Denevi, ein Wissenschaftler am Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University im US-Bundesstaat Maryland mitteilte, wirken diese Regionen wie angeätzt. Derartige Strukturen sind auf dem Mond oder den anderen erdähnlichen Planeten nicht bekannt. Geologisch scheinen diese Strukturen relativ jung zu sein und weisen auf einen höheren Gehalt an flüchtigen Stoffen in der Merkurkruste im Vegleich zum Mond hin. Dies wird auch von den Messungen des Spektrometers unterstützt, die belegen, dass sich die Verhältnisse wichtiger Elementevorkommen in der Merkurkruste deutlich von denjenigen des Erdmonds unterscheiden.
Insbesondere interessant ist der Nachweis relativ großer Gehalte an Schwefel, der vor allem in Sulfidmineralen auftritt. Offenbar war das Material, aus dem sich Merkur vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren bildete, weniger stark oxidiert als die Urmaterie, aus der sich Erde, Mond und Mars zusammenballten. Möglicherweise sind schwefelhaltige Gase auch einer der Antriebsmotoren des weit verbreiteten Vulkanismus auf Merkur.
Die Messungen mit dem Laserhöhenmesser zeigen bislang, dass auf Merkur maximale Höhenunterschiede von rund neun Kilometern auftreten. Der sonnennächste Planet weist somit deutlich geringere Höhenunterschiede auf als die Erde mit einer Maximalspanne von rund 20 Kilometern und Mars mit mehr als 30 Kilometern. Insbesondere die nördliche Polarregion ist auch aus dem Blick des Höhenmessers ausgesprochen flach und hat nur wenig Relief.
Die Höhendaten belegen auch, dass die Einschlagkrater in Nordpolnähe tief genug sind, so dass niemals Sonnenlicht in sie hineinfällt. Merkurs Rotationsachse steht praktisch senkrecht auf seiner Umlaufbahn, so dass der Planet keine Jahreszeiten durchläuft. Somit könnte es am Boden der ewig dunklen Krater kalt genug sein, dass sich dort größere Mengen flüchtiger Stoffe wie Wasser über Milliarden von Jahren hinweg halten könnten. Vor rund 20 Jahren waren auf Radarbildern Merkurs, die mit erdgebundenen Radioteleskopen entstanden, in der Nähe beider Pole helle Flecken aufgefallen, deren Reflexionseigenschaften im Radarbereich Wassereis sehr ähnlich sind. Eine der Aufgaben Messengers ist es herauszufinden, ob sich in den polnahen Kratern von Merkur wirklich Wassereis befindet.
Messenger soll Merkur noch mindestens bis März 2012 umrunden und ihn weiter im Detail erforschen. Die bisherigen Ergebnisse sind erst ein kleiner Vorgeschmack dessen, was im Datenschatz der Mission noch so alles schlummert. Die Auswertung hat gerade erst begonnen und wird die beteiligten Wissenschaftler noch auf Jahre hinaus beschäftigen. Sollte die Raumsonde nach Abschluss der Primärmission noch in gutem Zustand sein, so wird ihr Flug mit Sicherheit verlängert. Eine Entscheidung hierzu wird wohl im nächsten Früghjahr fallen.
Tilmann Althaus
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