Direkt zum Inhalt

Placeboeffekt: Nebenwirkungen erhöhen den Therapieerfolg

Nebenwirkungen gelten als lästige Begleiterscheinung vieler Arzneien. Dabei können sie den eigentlichen Effekt der Mittel sogar verstärken.
Stapel mit mehreren Tablettenblistern
Viele Medikamente haben unerwünschte Nebenwirkungen. Offenbar können diese aber den Placeboeffekt verstärken.

Ein gutes Medikament hat wenig Nebenwirkungen, das klingt logisch. Denn sie sind in der Regel unangenehm und lassen Patientinnen und Patienten die Behandlung oft vorzeitig beenden. Doch unerwünschte Arzneimittelwirkungen können den Therapieerfolg sogar erhöhen, wie eine Gruppe um Christian Büchel vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf herausfand.

Das Team hatte 77 Versuchspersonen mit Hitzereizen traktiert und sie gebeten, auf einer Skala von 1 bis 100 anzugeben, wie schmerzhaft das war. Zuvor hatten die Teilnehmer ein Nasenspray verabreicht bekommen, das angeblich das starke Schmerzmittel Fentanyl enthielt. In Wirklichkeit handelte es sich um eine Kochsalzlösung, der man bei der Hälfte der Anwendungen etwas Capsaicin zugesetzt hatte. Dieser auch in Chili enthaltene Stoff verursacht ein leichtes Brennen in der Nase.

Hohe Erwartungen durch Nebenwirkungen

Beide Nasensprays linderten den Schmerz, obwohl sie kein Analgetikum enthielten. Wem das Mittel in der Nase gebrannt hatte, der verspürte durch die Hitzereize jedoch weniger Schmerz als nach der Einnahme eines nebenwirkungsfreien Sprays. Um herauszufinden, welche Rolle die Erwartungen dabei spielen und wie sich die Schmerzlinderung in der Hirnaktivität widerspiegelt, wiederholten die Neurowissenschaftler das Experiment im Hirnscanner. Sie teilten die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen auf: Der einen Gruppe erzählten sie, dass die Nasensprays kein Fentanyl enthielten, die anderen beließen sie in dem Glauben, es handle sich um ein Analgetikum.

Wer nun wusste, dass es sich um ein Placebo handelte, profitierte von der Nebenwirkung nicht mehr: Ob mit oder ohne Brennen, die Sprays wirkten beide gleich schwach. Offenbar ist es nicht die Nebenwirkung selbst, die den Schmerz dämpft, sondern vielmehr die Erwartung an den Behandlungserfolg, schlussfolgern die Autoren. Die per funktioneller Magnetresonanztomografie gemessene Hirnaktivität deutet darauf hin, dass die durch das Brennen ausgelöste positive Erwartung das System der absteigenden Schmerzhemmung aktiviert. Dieses Netzwerk von Hirnarealen unterdrückt Schmerzreize.

Es mehren sich die Belege dafür, dass Erwartungen an eine Therapie entscheidend für deren Erfolg sind. Fachleuten zufolge kann man den Placeboeffekt noch deutlich besser ausschöpfen, etwa indem man dafür sensibilisiert, Nebenwirkungen als Zeichen der beginnenden Wirkung einer Behandlung zu werten.

  • Quellen
Brain 10.1093/brain/awae132, 2024

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.