»Wenn sich nichts richtig anfühlt«: Den Widrigkeiten des Lebens trotzen
Krankheit, Gewalterfahrungen, Naturkatastrophen – fundamentale Ereignisse wie diese können schwere Traumata auslösen, die Menschen ein Leben lang beeinträchtigen. Doch was ist mit der unsicheren Bindung in der Kindheit, dem Prüfungsstress in der Mittelstufe oder den finanziellen Engpässen während der Ausbildung? Der zunehmenden Bürokratie im Job, der ständig sichtbaren Anti-Falten-Werbung für reife Haut? Auch diese eher unscheinbaren, aber wiederkehrenden Belastungen sind es laut der britischen Psychologin Meg Arroll wert, wahrgenommen und anerkannt zu werden – und therapiert: »Wie große Lebensereignisse passieren kleine Traumata zu irgendeinem Zeitpunkt, und wenn sie diese erste psychische Kerbe geschlagen haben, wird dieses geringfügige Trauma oft über die Jahre verstärkt. Diese Verstärkung ist es, die ein Muster zu bilden beginnt – daraus kann ein psychisches Gesundheitsmuster oder ein Verhaltensmuster resultieren.« Oft folge daraus ein diffuses, aber andauerndes Gefühl, dass sich in unserem Leben nichts wirklich richtig anfühlt, obwohl wir nach gängigen Maßstäben eigentlich keinen Grund hätten zu klagen. Auch innere Unruhe, Perfektionismus und langanhaltende körperliche Abgeschlagenheit zählen für Meg Arroll zu den Folgen kleiner Traumata.
Wie die Autorin verdeutlicht, können wir diesen wiederholten Mikroverletzungen gar nicht entkommen – zum Glück, denn sie lieferten uns, so Arroll, in wohldosierter Menge wichtige Impulse, um das Leben mit all seinen kleinen und großen Widrigkeiten gut zu bewältigen. Dafür gibt die Psychologin in ihrem Buch ebenfalls konkrete Tipps. So endet jedes Kapitel mit »Dr. Megs Tagebuchvorschlägen«, etwa für mehr Selbstvertrauen oder »nachhaltige Zufriedenheit«.
Ständig Stress und Druck
Diese auf den ersten Blick eher plumpe Selbsthilfeästhetik sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Autorin tatsächlich wichtige Denkanstöße liefert – vor allem mit Blick auf die große Herausforderung, in einer Welt zu leben, die auf ständige Leistung, Optimierung und Verfügbarkeit setzt. Die Folgen bekommen laut der Psychologin bereits die Kleinsten zu spüren, sei es, weil ihre Eltern viel arbeiten müssten, oder wegen der Schule, die vielen Kindern zu viel Stress bereite: »Erniedrigungen auf dem Sportplatz, Prüfungsstress, der Druck, in einer auf Ranglisten statt auf sinnvolles Lernen fokussierten Umgebung erfolgreich sein zu müssen – all dies kann Spätfolgen haben«, schreibt Meg Arroll.
Auch die Fähigkeit zur Empathie, zu der insbesondere Frauen sozialisiert würden, könne derartige psychische Probleme verursachen: »Dieses Reaktionsmuster – sich ständig in andere hineinversetzen, sich so verhalten, dass es anderen gefällt, und wie auf Eiern gehen, um die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten […] – kann Frauen dazu bringen, kulturell unerwünschte Gefühle zu verbergen oder in extremen Fällen ihr eigenes Selbst zu unterdrücken.«
Auch wenn das hier vorgestellte Analysemodell kleiner Traumata nicht wirklich neu ist, hat Meg Arroll ein kurzweiliges Selbsthilfebuch geschrieben, das vor allem eines schafft: uns selbst gegenüber Güte und Verständnis zu vermitteln angesichts der kleinen und großen Zumutungen, die unweigerlich zu unserem Leben gehören.
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