Lexikon der Geographie: Atmosphäre
Atmosphäre, allgemein die gasförmige Hülle eines Himmelskörpers, speziell diejenige der Erde. Planeten haben eine Gashülle, wenn sie genügend Masse und eine hinreichend niedrige Temperatur haben, Gase aufgrund der Massenanziehungskraft und entgegen der Gasdiffusion zu binden. Schwere Gase werden stärker angezogen als leichte. In der Erdatmosphäre sind daher Gase mit hohen Molekulargewichten wie Sauerstoff und Stickstoff eher zu finden als solche mit geringeren Molekulargewichten wie Wasserstoff und Helium; diese Gase sind in höheren Anteilen in den Atmosphären der großen Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun vorhanden.
Die erste Atmosphäre der sich langsam abkühlenden Erdoberfläche vor 4 Mrd. Jahren bestand überwiegend aus Wasserdampf, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff. Mit der Abkühlung kondensierte der Wasserdampf. Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff wurden dabei in den Sedimenten der entstehenden Meere gebunden. Es verblieben Stickstoff, Kohlendioxid und Wasserdampf. Erst mit der Photosynthese der Lebewesen gelangte das O2 in die Atmosphäre. Dies war die Voraussetzung für den Prozess der Ozonbildung und -dissoziation in der höheren Atmosphäre, wodurch die Intensität der die Erdoberfläche erreichenden UV-Strahlung vermindert wurde. Erst dadurch waren die Bedingungen gegeben, unter denen die Lebewesen das Wasser verlassen und die feste Erdoberfläche besiedeln konnten. Durch die verstärkte Sauerstofffreisetzung infolge der Photosynthese der Pflanzen wurde vor ca. 350 Mio. Jahren der heutige Sauerstoffgehalt der Atmosphäre erreicht.
Die Zusammensetzung der Atmosphäre ist – abgesehen vom sehr variablen Wasseranteil und wechselnden Anteilen atmosphärischer Spurenstoffe – konstant ( Abb. 1). Die Hauptbestandteile der Atmosphäre sind Stickstoff N2 (78,08 Vol.-%), Sauerstoff O2 (20,95 Vol.-%) und Argon Ar (0,93 Vol.-%). Daneben kommen atmosphärische Spurengase (Wasserdampf, Kohlendioxid, Ozon, Schwefeldioxid, Stickoxide und Methan) in geringer Konzentration vor, sie haben aber eine hohe klimatologische, meteorologische oder luftchemische Bedeutung.
Die vertikale Gliederung der Atmosphäre wird nach unterschiedlichen Kriterien vorgenommen ( Abb.2). Wegen ihrer meteorologischen und klimatologischen Bedeutung ist die thermische Einteilung die häufigste. Sie resultiert aus der Tatsache, dass die Atmosphäre drei deutlich unterscheidbare Heizschichten aufweist: Die Erdoberfläche als unterste Heizschicht, an welcher die Sonneneinstrahlung im Wellenlängenbereich zwischen 0,3 μm und 5 μm absorbiert wird; die mittlere Heizschicht in einer mittleren Höhe von ca. 50 km, in welcher die UV-Strahlung <0,4 μm durch die Ozonmoleküle absorbiert wird; die obere Heizschicht oberhalb der Mesopause in der die EUV-Strahlung (Thermosphäre) und Korpuskularstrahlung der Sonne absorbiert werden.
Die Heizschichten bedingen Temperaturmaxima, oberhalb derer die Temperatur mit zunehmender Höhe abnimmt, bis ein Minimum zwischen zwei Heizschichten erreicht ist und sich der Temperaturgradient umkehrt. Diese Schichten mit einer Temperaturzunahme werden als Inversionen bezeichnet. Dadurch entsteht der in der Abbildung 2 dargestellte vertikale Temperaturverlauf. Vom Boden aufsteigend nimmt die mittlere Temperatur in der Troposphäre bis in eine Höhe von ca. 11 km um durchschnittlich 6,5°C/km ab. Die Tropopause, deren globale Mitteltemperatur ca. -56°C beträgt, trennt die Troposphäre von der Stratosphäre in der die Temperatur wieder ansteigt. Die Troposphäre ist durch die Prozesse der turbulenten Durchmischung und der Konvektion gekennzeichnet. Die stärkere oberflächliche Erwärmung in den niederen Breiten bedingt eine stärkere Konvektion, weshalb die Tropopause dort höher als in den gemäßigten den polaren Breiten liegt. Die Troposphäre wird anhand der Bewegungscharakteristika in die planetarische oder atmosphärische Grenzschicht und die darüber liegende freie Atmosphäre gegliedert.
In der Stratosphäre nimmt die Temperatur nichtlinear zu, bis sie an der Stratopause in ca. 50 km Höhe ihr Maximum aufweist. Die Abhängigkeit vom Sonnenstand bedingt einen ausgeprägten Jahresgang der Stratosphärentemperatur mit einem Maximum im Sommer und einem Minimum im Winter, am ausgeprägtesten in den Polarregionen mit den absoluten Extremen. Darüber hinaus wird sie von den Transportvorgängen und photochemischen Prozessen in der Ozonschicht gesteuert.
Die überlagernde Mesosphäre mit einem Vertikalgradienten von ca. -2,2°C/km reicht bis zur Mesopause in ca. 90 km Höhe. Die mittlere Mesopausentemperatur beträgt -86,3°C, dort wurden die tiefsten bisher bekannten Atmosphärentemperaturen gemessen. In der folgenden Thermosphäre nimmt die Temperatur wieder zu. Sie ist von der Jahreszeit und der Sonnenaktivität abhängig. In der Exosphäre ist die Atmosphäre so dünn, dass es praktisch zu keinen Kollisionen der Moleküle oder Atome kommt, wodurch eine Wärmeleitung fehlt. Die angegebene Temperatur errechnet sich aus der kinetischen Energie der Atome. Oberhalb von ca. 800 km überwiegt Helium, oberhalb von 2500 km Wasserstoff. Die Atmosphäre hat keine scharfe Obergrenze, sie läuft allmählich in den interstellaren Raum aus.
In einer chemischen Einteilung der Atmosphäre wird die Homosphäre von der Heterosphäre überlagert. Die ständige Bewegung in der Homosphäre bedingt, dass bis zu einer Höhe von ca. 85 km über der Erdoberfläche das Molekulargewicht durch turbulente Durchmischung konstant bei 28,96 kg/kmol bleibt. Die Grenzfläche ist die Turbopause. In der Heterosphäre nimmt das Molekulargewicht in vertikaler Richtung ab, bis in der Exosphäre die leichten Gase Helium und Wasserstoff mit den Molekulargewichten von 4 und 1 vorherrschen.
Die elektrische Einteilung der Atmosphäre resultiert aus dem Vorhandensein von Ionen, die durch die kurzwellige Sonneneinstrahlung entstehen. Nur in der höheren Atmosphäre, der Ionosphäre, haben die Ionen wegen der größeren freien Weglänge eine längere Lebensdauer und reflektieren Radiowellen. Die Ionosphäre hat – abhängig von den Tagesgängen der Sonneneinstrahlung – eine Gliederung in mehrere Schichten. Darüber hinaus wird die Ionisierung durch die Schwankungen der Sonnenaktivität gesteuert. Die D-Schicht in der unteren Ionosphäre oberhalb von ca. 70 km bildet sich am Morgen mit der Sonneneinstrahlung. Nach Sonnenuntergang löst sie sich auf, indem sich die Ionenpaare wieder vereinigen.
In der in Höhen von 90 bis 140 km befindlichen E-Schicht ist die freie Weglänge so groß, dass sich die Ionisierung nachts nur abschwächt. Lediglich in den Polarnächten kommt es zum vollständigen Abbau. In der F-Schicht erreicht die Ionenkonzentration in 250 bis 500 km ihr Maximum. Sie besteht im oberen Teil ausschließlich aus ionisiertem Wasserstoff.
JVo
Lit: [1] DEUTSCHER WETTERDIENST (Hrsg.)(1987): Allgemeine Meteorologie. – Offenbach. [2] KRAUS, H. (2000): Die Atmosphäre der Erde. – Braunschweig. [3] RÖDEL, W. (2000): Physik unserer Umwelt: Die Atmosphäre. – Berlin.
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