Lexikon der Neurowissenschaft: Schläfenlappen
Schläfenlappen, Temporallappen, Lobus temporalis, Schläfenhirn, Etemporal lobe, einer der 4 großen Großhirnlappen. Er liegt unterhalb der Sylvius-Furche, die ihn gegen den Frontallappen und z.T. gegen den Scheitellappen begrenzt. Die Grenze zum hinten liegenden Hinterhauptslappen ist unscharf. Am Schläfenlappen können 4 Flächen unterschieden werden: Das Planum temporale ist waagrecht und bildet die Unterseite der Sylvius-Furche. In seinem hinteren Teil befinden sich die Heschl-Windungen (auditorischer Cortex). Das Planum temporale ist auf der dominanten Hirnhälfte meist größer als auf der nicht-dominanten. Eine weitere Fläche ist lateral, sie ist charakterisiert durch drei längsverlaufende Windungen (Gyri temporales superior, medius, inferior). Im hinteren Gyrus temporalis superior befindet sich in der dominanten Hirnhälfte das sensorische Sprachzentrum (Wernicke-Areal), sowie auf beiden Seiten Gebiete zur Analyse von Lauten (Phonemen) und Tonfolgen (Melodien). In den vorderen unteren Teilen befinden sich beidseits Zentren zur visuellen Erkennung von Gegenständen (Objekterkennung) und im vordersten Pol das Areal für Gesichtererkennung. Die lateralen Anteile des Schläfenlappens werden deshalb auch gerne als "was"-Areal bezeichnet, in dem die mit den verschiedenen Sinnesorganen wahrgenommenen Gegenstände und Personen auf ihre Identität überprüft werden, im Gegensatz zum "wo"-Areal in den hinteren Teilen des Scheitellappens, in dem die räumlichen Bezüge der wahrgenommenen Objekte analysiert werden. Epileptische Anfälle, die dieses Gebiet betreffen, wie auch elektrische Reizungen (durchgeführt meist im Rahmen einer Temporallappenablation wegen medikamentös nicht beeinflußbarer Krampfanfälle) können beim Patienten bewirken, daß er komplexe Szenarien "sieht" und Melodien "hört", die eigentlich gar nicht stattfinden. Es können dabei auch Jahre zurückliegende Erlebnisse wieder lebendig werden. Dies deutet darauf hin, daß hier Erinnerungsinhalte über lange Zeit abgespeichert werden (Langzeitgedächtnis). Die Unterfläche des Schläfenlappens wird von den Gyri occipitotemporales lateralis und medialis gebildet. Er ist durch den Sulcus collateralis (Sulcus rhinalis) vom ganz medial gelegenen Gyrus parahippocampalis getrennt. Diese Gebiete werden auch zum perirhinalen Cortex zusammengefaßt. Der vorderste verbreiterte Abschnitt des Gyrus parahippocampalis wird Uncus genannt. Der Feinaufbau weist den Gyrus parahippocampalis als entorhinalen Cortex aus und damit als Teil der Hippocampusformation. Hier werden sensorische Informationen aus allen Sinnesorganen gesammelt und dem Hippocampus zur weiteren Verarbeitung zugeführt. Bei der Alzheimer-Krankheit sind diese Rindengebiete zu einem frühen Zeitpunkt betroffen. Ihr Verlust äußert sich in einer Beeinträchtigung der Merkfähigkeit (Kurzzeitgedächtnis). Die mediale Wand des Schläfenlappens wird gebildet durch Strukturen des Hippocampus. Nach außen liegt der Gyrus dentatus, durch den Sulcus hippocampi vom Gyrus parahippocampalis getrennt, dem Hirnstamm als schmales, gezähntes Längsband benachbart an. An der Oberseite des Gyrus dentatus entspringt das Faserband der Fimbria hippocampi, dessen innere Fläche das Cornu temporale des Seitenventrikels begrenzt. Hier hat sich die mediale freie Wand des Schläfenlappens zum Cornu ammonis (Ammonshorn) eingerollt. Gemeinsam mit dem Gyrus parahippocampalis hat der Hippocampus eine Schlüsselrolle für Lernen und Gedächtnis.
C.N.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.