Lexikon der Neurowissenschaft: Hippocampus
Hippocampusm [von griech. hippokampos = Seepferdchen], Hippokampus, Pes hippocampi,Hippocampus retrocommissuralis,Ehippocampus, Bezeichnung für die eingerollte mediale Wand der Großhirnhemisphäre, die eine zentrale Schaltstation des limbischen Systems ist. Beim Menschen ist durch das Auswachsen des Balkens der Hippocampus in das Unterhorn des Seitenventrikels verlagert. Dort erstreckt er sich in dessen ganzer Ausdehnung und erinnert in der Sicht von oben an ein Seepferdchen, dessen Schwanz von der Fornix gebildet wird. Ein Schnitt senkrecht zur Längsachse des Hippocampus ( siehe Abb. ) zeigt drei charakteristisch sich unterscheidende Rindenfelder (Gyrus dentatus, Ammonshorn, Subiculum), bei denen es sich allerdings nicht um 6-schichtigen Isocortex, sondern um 3-schichtigen Allocortex handelt. Von außen nach innen findet sich bei allen 3 Abschnitten ein Stratum moleculare, gefolgt von einem Stratum granulare (im Gyrus dentatus) bzw. Stratum pyramidale (in den beiden anderen Teilen) und von einem Stratum multiforme. Darunter, zum Ventrikel hin, liegt der Alveus, der in die Fimbria hippocampi übergeht. Die Faserverbindungen innerhalb des Hippocampus verlaufen in parallelen Lamellen senkrecht zu seiner Längsachse. – Der Hippocampus ist schon früh in der Evolution aufgetreten; er ist das älteste Assoziationsgebiet (Assoziationsfelder) des Großhirns. Impulse aus verschiedenen Sinnesorganen werden gemeinsam verarbeitet. Der Hippocampus ist eine der krampfbereitesten Strukturen des Gehirns und Ausgangspunkt (Fokus) zahlreicher Epilepsien, insbesondere der Temporallappenepilepsie. Während nach einseitiger Entfernung des Hippocampus (Temporallappenablation) keine nennenswerten Veränderungen der Persönlichkeit des Patienten auftreten, führt sein beidseitiger Verlust, wie auch eine beidseitige Fornicotomie, zu schweren Gedächtnisausfällen ( siehe Zusatzinfo ). Neue Informationen können dann nicht mehr abgespeichert werden, Lernen wird unmöglich (Störungen im Kurzzeitgedächtnis). Lange zurückliegende Ereignisse bleiben jedoch in Erinnerung. Gedächtnis.
Die immer noch weit verbreitete Ansicht, daß im erwachsenen menschlichen Gehirn keine neuen Nervenzellen gebildet werden, wurde schon vor einiger Zeit widerlegt; so wurde z.B. im Hippocampus die Neubildung von Nervenzellen zweifelsfrei belegt. Jetzt wurde auch gezeigt, daß diese neu gebildeten Zellen für die Hauptaufgabe des Hippocampus, das Speichern neuer Informationen, von essentieller Bedeutung sind (Gedächtnis). Werden Ratten mit Methylazoxymethanolacetat (MAM) behandelt, tötet diese Substanz sich teilende Zellen ab und unterdrückt somit auch die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus. Solche Ratten schneiden schlechter in Gedächtnisaufgaben ab, die vom Hippocampus abhängen, nicht aber in Hippocampus-unabhängigen Tests.
Hippocampus
Nissl-Färbung eines Hippocampusschnitts
Hippocampus
Hippocampus und deklaratives Gedächtnis:
Experimente mit Ratten haben gezeigt, daß das deklarative Gedächtnis allgemein stark beeinträchtigt ist, wenn der Hippocampus nicht mehr funktioniert. Bewiesen wurde dies mit Hilfe eines Assoziations-Tests. Menschen müssen dazu Wortpaare lernen und später bei der Vorgabe eines Wortes das andere ergänzen. Dasselbe Prinzip kann man auch mit Ratten durchführen, nur daß anstelle der Worte verschiedene Behälter (mit Futter) treten. Diese Behälter haben unterschiedliche Gerüche. Jeweils zwei (A und B) werden zunächst gemeinsam dargeboten, später muß das Versuchstier nach der Präsentation eines davon (A) zwischen dem assoziierten (B) und einem anderen (X) wählen, wobei B korrekt ist. Im eigentlichen Versuch wird dann getestet, inwieweit die Ratten Transitivität- und Symmetrie-Aufgaben bewältigen können, also in der Lage sind, Schlüsse zu ziehen zwischen Reizen, die ein gemeinsames Element haben bzw. zwischen Reizen, die in der verkehrten Reihenfolge relativ zur Trainingsphase angeboten werden. Die unversehrte Kontrollgruppe war dazu ohne weiteres in der Lage. Doch Ratten, deren Hippocampus durch Operation oder eingespritztes Zellgift zerstört wurde, die ansonsten aber gesund waren, konnten die Aufgaben nicht bewältigen. Somit ist der Hippocampus bei Ratten wie auch beim Menschen nicht nur für das räumliche, sondern ganz allgemein für das deklarative Gedächtnis notwendig, also für das Vermögen, viele verschiedene, auch neue Assoziationen in ganz unterschiedlichen Situationen zu verknüpfen.
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