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Lexikon der Neurowissenschaft: Epilepsie

Epilepsiew [von griech. epilepsia = Anfall, Fallsucht], Fallsucht, Morbus caducus, Morbus sacer, St.-Valentins-Krankheit, E epilepsy, meist chronisch verlaufende Krankheit, die mit einer Häufigkeit von 1:200 (so häufig wie Diabetes mellitus) vorkommt. Sie äußert sich in plötzlichem Auftreten von Bewußtseinsstörungen und/oder abnormen motorischen Reaktionen und basiert auf einer unkontrollierten synchronen Entladung von Nervenzellen. Für eine normale Erregungsübertragung (Erregungsleitung) im Zentralnervensystem ist ein Na+-Ionen-Gradient über der Zellmembran der Neuronen essentiell notwendig. Die Na+-Konzentration liegt dabei extrazellulär höher als intrazellulär. Nimmt die Steilheit dieses Gradienten ab, so sinkt die Krampfschwelle, wodurch sich die Krampfbereitschaft erhöht.

Bei einem epileptischen Anfall kommt es zu einer extremen Synchronisation der Neuronenaktivität, wobei der »Schrittmacher« des epileptischen Anfalls Neuronen sind, deren Krampfschwelle gesenkt ist. Durch exogene oder endogene Faktoren kann das Membranpotential der Neuronen gesenkt und damit die Neigung zu Spontanentladungen gefördert werden. Exogene Faktoren sind hierbei beispielweise optische Überreizung (z.B. bei schnellen Computerspielen) oder Hyperventilation, endogene Faktoren können langandauerndes Fieber, Hypoglykämie, Hypoxämie, Störungen des Ionenhaushalts (z.B. durch einen erblichen Defekt der Natrium-Kalium-Pumpe), erhöhte Konzentration erregender Neurotransmitter (z.B. Glutaminsäure), verminderte Konzentration hemmender Transmitter (z.B. GABA) und Veränderungen des Hirngewebes (z.B. durch Narbenbildung, Tumoren, Abszesse oder Blutungen) umfassen.

Liegt der »Schrittmacher« des epileptischen Anfalls in tiefen, mittigen Hirnstrukturen (z.B. Formatio reticularis), so breitet sich der Krampf über die reticulo-corticalen Bahnen auf die Hirnrinde (Bewußtseinsstörungen, Bewußtlosigkeit) und über die reticulospinalen Bahnen auf die Motoneurone aus (tonisch-klonische Krämpfe). Liegt der »Schrittmacher« in der Hirnrinde, so ist der Anfall zunächst auf eine Körperhälfte begrenzt, kann sich aber sekundär zu einem Ganzkörperkrampf ausweiten. Nach EEG-Befunden (Elektroencephalogramm; nicht immer ist ein epileptischer Anfall auch im EEG erkennbar) und klinischen Befunden unterscheidet man verschiedene Formen der Epilepsie, aber auch eine Unterteilung nach Krankheitsursache oder Anfallsauslöser ist gebräuchlich.

Beispiele für Epilepsieformen

  1. generalisierte große Anfälle (grand mal): großer epileptischer Anfall, primär generalisierter Ganzkörperkrampf, gekennzeichnet durch eine initiale tonische Phase (dauert einige Sekunden bis wenige Minuten) mit Streckung der Muskulatur, gefolgt von rhythmischen, klonischen Zuckungen der gesamten Körpermuskulatur. Die Atmung ist forciert. Dies wird häufig durch den Nachschlaf (dauert unter Umständen Stunden) gefolgt, aus dem der Patient geweckt werden kann.
  2. generalisierte kleine Anfälle (petit mal): charakteristisch für diese Gruppe sind Absencen (Bewußtseinstrübungen, Bewußtlosigkeit, Dämmerattacken) oder kurzdauernde Myoklonien.
  3. fokale Anfälle: bei diesen Anfällen ist die epileptische Aktivität auf eine Hirnregion beschränkt. Je nach betroffener Hirnregion findet man motorische, sensible oder visuelle, auf eine Körperregion beschränkte Erscheinungen, psychische oder psychomotorische Symptome.

Die Therapie der Epilepsie erfolgt mit Antiepileptika, in einigen Fällen auch operativ. Aura, Epilepsiechirurgie, Epilepsiediagnostik, Epilepsietherapie.

T.M.

Lit.: Heinemann, U.: Epilepsie 94. Aktivierungsverfahren in der Diagnostik. Berlin 1995. Krämer, G.: Epilepsie von A-Z. Stuttgart 1996. Schmidt, D.: Epilepsie. Diagnostik und Therapie für Klinik und Praxis. Stuttgart 1997. Stefan, H. (Hrsg.): Epilepsie 93. Berlin 1994.

  • Die Autoren
Redaktion

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Christine Scholtyssek (Assistenz)

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Prof. Manfred Spitzer, Ulm

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