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Eulbergs tönende Tierwelt: Das heimliche Leben der Moorochsen

Mit ihren Sounds, die an ein Nebelhorn oder ein Rind erinnern, ist die Rohrdommel (Botaurus stellaris) alles andere als unauffällig. Und trotzdem bekommt kaum jemand sie je zu Gesicht. Kein Wunder, denn fühlt sie sich bedroht, so ahmt sie in »Pfahlstellung« das Schilf nach, in dem sie lebt.
Buntstiftzeichnung einer Rohrdommel
Die Rohrdommel brütet hier zu Lande vor allem im Nordostdeutschen Tiefland. In vielen Bundesländern ist sie als Brutvogel ausgestorben.
Wissen Sie, wie ein Siebenschläfer klingt? Oder ein Reh? Warum der Pirol auch Regenkatze genannt wird? Vermutlich nicht – obwohl all diese Lebewesen Teil unserer heimischen Fauna sind. In der Kolumne »Eulbergs tönende Tierwelt« stellt der Techno-Künstler, Ökologe und Naturschützer Dominik Eulberg faszinierende Exemplare aus der Tierwelt vor unserer Haustür vor.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran: In meiner Jugend zeltete ich einmal im Frühling im Havelland in Brandenburg. Doch so schön die Landschaft hier auch war, erholsamen Schlaf fand ich nicht. Denn immer wieder hörte ich unglaublich weittragende, dumpfe Rufe. Sie erinnerten an ein Nebelhorn oder an das Geräusch, welches entsteht, wenn jemand schräg in eine große Flasche hineinbläst.

Diese sonderbaren Klänge stammen von einem Vogel aus der Familie der Reiher (Ardeidae): der Rohrdommel (Botaurus stellaris). Männliche Vertreter der Art werben mit ihren bassigen Sounds bereits ab Mitte Februar um die Gunst der im Schnitt zehn Prozent kleineren Weibchen. Außerdem stecken die stark rivalisierenden Männchen so ihre Reviere ab. Die tieffrequenten Rufe sind bis zu fünf Kilometer weit zu hören. Da die Laute an ein Rind erinnern, wurde die Rohrdommel früher mitunter »Moorochse« oder »Wasserochse« genannt. Auch ihr Gattungsname Botaurus leitet sich davon ab und bedeutet so viel wie »Brüllochse«. Seit jeher beflügeln ihre eigentümlichen Rufe, aber auch ihre markante Gestalt, die Fantasie der Menschen. Immer wieder tauchte die Rohrdommel in der Literatur und Poesie auf, etwa in Goethes »Faust I«, in einem Sherlock-Holmes-Roman oder bei Joseph von Eichendorffs »Aus dem Leben eines Taugenichts«.

Um den markanten Dommel-Sound zu erzeugen, pumpt das Tier seine Speiseröhre durch hastiges Luftschnappen auf wie einen Dudelsack. Wenn man genau hinhört, kann man das Schnabelklappern beim »Luftverschlucken« ausmachen. Dann presst die Rohrdommel die Luft dank äußerst starker Muskulatur wieder kraftvoll heraus und es ertönt der spezifische Ruf. Früher glaubte man fälschlicherweise, dass der Vogel seine Sounds erzeugt, während er den Schnabel unter Wasser hält.

Die Rohrdommel | Zu sehen ist ein männliches Exemplar. Männchen sind kräftiger gezeichnet und ungefähr zehn Prozent größer als die Weibchen.

Mit ihrem dolchförmigen Schnabel, der an der Spitze fein gesägt ist, erbeutet die Rohrdommel durch plötzliches Zustoßen vor allem Fische, Amphibien und Wasserinsekten. Dazu pirscht sie sich gemächlich schreitend in typischer Reiher-Manier heran.

Die Rohrdommel ist eine heimliche Bewohnerin ausgedehnter Schilfgebiete und vor allem dämmerungs- und nachtaktiv. Es ist schon ein großes Glück, wenn man sie einmal zu Gesicht bekommt – mit ihrem gelb-braun gestreiften Gefieder ist sie zwischen den Halmen kaum auszumachen. Ihr Federkleid ahmt verblüffend gut das Licht- und Schattenspiel im Schilf nach. Fühlt sie sich bedroht, nimmt sie eine »Pfahlstellung« ein. Dabei reckt sie ihren Kopf und Schnabel derart in die Höhe, dass sich ihre Gestalt komplett aufrichtet. Nun verschmilzt die Rohrdommel förmlich mit den Halmen. Damit nicht genug: Um die Tarnung zu perfektionieren, imitiert sie durch ein Hin- und Herwiegen ihres Körpers den Wind im Schilf und löst so optisch ihre Körperkonturen vollständig auf.

  • Die Rohrdommel
    Hier finden Sie alles Wissenswerte rund um die Rohrdommel.
  • Steckbrief

    Klasse: Vögel

    Ordnung: Pelecaniformes

    Familie: Reiher

    Größe: 70 bis 80 Zentimeter

    Gewicht: 820 bis 1940 Gramm

    Fortpflanzungsperioden pro Jahr: eine

    Nachkommen pro Periode: 3 bis 7

    Höchstalter: 10 Jahre

    Bundesweiter Gefährdungsgrad (Rote Liste): gefährdet

    Volkstümlicher Name: Moorochse

  • Beobachtungstipps
    Pfahlstellung | Mit gestrecktem Körper und ihrem gelb-braun gestreiften Gefieder ist die Rohrdommel zwischen den Halmen im Schilf kaum auszumachen.

    Man kann die Rohrdommel bei uns ganzjährig beobachten, vor allem in Ostdeutschland in ausgedehnten Verlandungszonen von stehenden Gewässern mit breiten Schilfgürteln.

Auch Jungvögel nehmen schon eine Woche nach ihrem Schlupf diese typische Pfahlstellung ein. Obwohl die Jungen Nesthocker sind und erst nach etwa fünf Wochen das Nest verlassen, beteiligen sich die Väter nicht an der Fütterung und der Aufzucht. Sie leben häufig polygam und verpaaren sich mit bis zu sieben Weibchen gleichzeitig pro Saison.

Viele der Rohrdommel-Reviere sind durch Schilfschwund und Trockenlegung verloren gegangen. Auch die zunehmende Freizeitnutzung der Gewässer und das Befahren der Schilfgürtel mit Booten oder Stand-up-Paddel-Boards bedrohen immer wieder die Bestände der hochgradig störungsempfindlichen Vögel. Die Art wird auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands als »gefährdet« geführt; es gibt hier zu Lande noch 800 bis 850 Rohrdommel-Reviere.

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