Lexikon der Biochemie: seltene Nucleinsäurebausteine
seltene Nucleinsäurebausteine, ungewöhnliche Nucleinsäurebausteine, (engl. minor oder rare nucleic acid components), Purin- und Pyrimidinverbindungen, die relativ selten vorkommen und durch enzymatisch katalysierte Modifizierungen entweder der Base oder des Zuckers der üblichen Nucleinsäurebausteine Adenin, Guanin, Cytosin, Uracil, Thymin oder Ribose entstehen. Mit Ausnahme der 5-Hydroxymethyldesoxycytidylsäure (Pyrimidinbiosynthese) erfolgt die Biosynthese der s. N. auf der Ebene der intakten Polynucleotidkette der Nucleinsäuren. Die modifizierten Nucleinsäurebasen werden auch minor oder rare bases genannt. Eine enzymatische Modifizierung freier Purin- oder Pyrimidinbasen ist mit Ausnahme der Bildung von Purinalkaloiden in Pflanzen (methylierte Xanthine) nicht möglich.
Die nachträgliche Modifizierung der Nucleinsäurebausteine erfolgt hauptsächlich durch Acetylierung (z.B. mit Acetyl-CoA zu N4-Acetylcytidin und 5-Acetyluridin), Glucosylierung (z.B. von 5-Hydroxymethylcytidin durch Uridindiphosphatglucose zu 5-Glucosylhydroxymethylcytidin), Isoprenylierung (z.B. von Adenosin durch N6-γ,γ-Dimethylallylpyrophosphat, d. i. aktives Isopren, zu N6-Isopentenyladenosin), Reduktion (z.B. von Uridin zu 5,6-Dihydrouridin), Thiolierung (z.B. mit Cystein zu 2-Thiouridin), Spaltung einer N-C- und Knüpfung einer C-C-Bindung (z.B. Uridin zu Pseudouridin) oder Methylierung, die besondere Bedeutung hat. Dabei übertragen spezifische Methylasen die Methylgruppe von S-Adenosyl-L-methionin (SAM) auf die Purin- oder Pyrimidinnucleoside der Nucleinsäuren. Die Methylsubstitution kann an einem C-, N- oder O-Atom erfolgen und sowohl an der Base (z.B. 5-Methyluridin) als auch am Zuckeranteil (z.B. 2'-O-Methyluridin) auftreten. Weitere wichtige s. N. sind Inosin und Ribothymidin. Man kennt ungefähr 40 s. N. Die enzymatisch katalysierten Modifizierungen der Nucleinsäuren sind artspezifisch. Die einzelnen Nucleinsäurearten unterscheiden sich signifikant hinsichtlich ihres Modifizierungsgrades. Besonders in der transfer-RNA treten gehäuft s. N. auf. Sie sind dort an definierten Stellen, vor allem in einzelsträngigen Bereichen, z.B. innerhalb und unmittelbar neben der Anticodonschleife, lokalisiert. Auch DNA und rRNA enthalten methylierte Nucleotide. Prokaryonten- und Phagen-mRNA enthält offensichtlich keine methylierten Reste, d.h. falls sie vorhanden sind, liegt ihre Konzentration unterhalb der Nachweisgrenze (weniger als ein in 3.500 Resten). Eukaryonten- und Viren-mRNA besitzen 5'-terminale Cap-Strukturen mit methylierten Resten sowie einige interne 6-Methyladenylsäurereste (messenger-RNA).
Bei der DNA-Methylierung katalysieren spezifische Methylasen die Übertragung von Methylgruppen aus SAM auf die 6-Aminogruppen von Adeninresten sowie auf C5 von Cytosin. Ein spezifisches Methylierungsmuster dient dazu, die DNA vor den zelleigenen Restriktionsendonucleasen zu schützen. Die DNA von Viren, die sich in einem bestimmten Wirt replizieren können, wird durch Methylierung von Basen an den endonucleaseempfindlichen Stellen vor den Endonucleasen geschützt.
Die tumorinduzierenden alkylierenden Substanzen übertragen ihren Alkylrest bevorzugt auf das N7-Atom von Guanin unter Bildung von 7-Alkylguanin. Einige der in der tRNA vorkommenden s. N. sind aktive Cytokinine, z.B. N6-(γ,γ-Dimethylallyl)-adenosin.
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