Lexikon der Biologie: Äthiopis
Äthiopis w [von latein. Aethiopia, griech. Aithiopia = Schwarzafrika], äthiopische Region, gelegentliche Bezeichnung Afrotropis oder afrotropische Region, tiergeographische Region, umfaßt Südwestarabien und Afrika südlich von Atlas und Sahara. Die heute als Ausbreitungsschranke wirkende Sahara erweist sich als Übergangsgebiet zwischen Äthiopis und Paläarktis. Eng sind die faunistischen Beziehungen ( Ä vgl. Tab. ) zur Orientalis, mit der die Äthiopis zur Paläotropis zusammengefaßt wird. Zwischen diesen Faunenregionen bestanden verschiedentlich breite Landverbindungen (Landbrücke), wodurch ein Austausch ermöglicht wurde. Im Tertiär war Afrika von Eurasien durch einen Arm des Tethys-Meeres (Tethys) isoliert. Während dieser Zeit entwickelten sich hier z. B. die Säugetier-Ordnung der Rüsseltiere(Proboscidea), Schliefer(Hyracoidea), Rüsselspringer(Macroscelididae) und die Altweltaffen(Catarrhini). Die Rüsselspringer sind heute mit Ausnahme einer Art (Elephantulus rozeti in Nordwestafrika; Elefantenspitzmäuse) auf die Äthiopis beschränkt, während z. B. Rüsseltiere und Altweltaffen auch die Orientalis erreichten. Infolge einer Hebung der Landmassen im Bereich Vorderasiens kam es im mittleren Tertiär zu einer breiten Landverbindung zwischen Äthiopis und Orientalis, über die solche Einwanderungen möglich waren. Aus Asien drang auf diese Weise ein Großteil der heute so charakteristischen Säuger der afrikanischen Savanne ein, wie die Giraffen(Giraffidae), die Hornträger(Bovidae), Vorfahren der heutigen Nashörner(Rhinocerotidae) und die Ahnen der Pferdeartigen oder Pferde (Equidae) sowie die der Strauße(Struthioniformes). Im Pliozän waren sich die beiden Faunen somit sehr viel ähnlicher als heute. Das Pleistozän mit seinen Wechseln von Warm- und Kaltzeiten brachte für die tropischen Regionen ebenfalls tiefgreifende Klimaveränderungen. Pluvialzeiten (Pluvial) führten jeweils zur Ausdehnung der Regenwälder (Regenwald) und Seen und zur Isolierung der Savannen. Hieraus erklärt sich das auf die nördlichen oder südlichen Trockensavannen beschränkte Vorkommen verschiedener Gruppen. Die Nord-Süd-Unterschiede sind jedoch nicht so groß, als daß eine eigene, der Capensis entsprechende Tierregion abgegrenzt wurde. Zum anderen ermöglichten die Pluvialzeiten nördlichen Waldformen das Eindringen in die eingeengte Sahara, was im heutigen Reliktvorkommen (Relikte) holarktischer Arten (Holarktis) in den Gebirgsstöcken Tibesti, Hoggar oder Aīr sowie im Hochland von Äthiopien deutlich wird. Beim Abklingen des feuchten Klimas wurden auch Oasen zu Rückzugsgebieten (Erhaltungsgebiet) für einige Arten, z. B. den Seefrosch (Rana ridibunda;Grünfrösche) und die Große Perleidechse (Lacerta lepida;Eidechsen). Mit den inter- und postpluvialen Ausdehnungen der Savannengebiete drangen umgekehrt äthiopische Tiere ins paläarktische Nordafrika vor. Felszeichnungen im Gebiet der Sahara und altägyptische Darstellungen zeigen, wie noch in historischer Zeit in diesem Gebiet Elefanten, Giraffen, Antilopen, Löwe und Leopard mit holarktischen Formen wie Hirschen, Bären und Wildschweinen sich zu einer eigentümlichen äthiopisch-paläarktischen Mischfauna verbanden. Die Ausdehnung der Wüstengürtel (Wüste) führte schließlich zu einer weitestgehenden Unterbindung dieses Faunenaustauschs. Gleiches gilt für das Grenzgebiet zur Orientalis, wo die Trennung durch die pleistozäne Aufwölbung des iranischen Hochlands verschärft wurde. Viele der für die Paläotropis endemischen Familien (Endemiten) bildeten vikariierende Gattungen (Vikarianz), so z. B. die Menschenaffen (Pongidae) mit Gorilla (Gorilla) und Schimpanse(Pan) bzw. dem orientalischen Orang-Utan(Pongo) oder die Elefanten (Elephantidae) mit dem Afrikanischen (Loxodonta) bzw. dem Indischen oder Asiatischen Elefanten (Elephas). Nur einige Wüstenbewohner, z. B. die Sandkatze(Felis margarita) oder der Kaphase(Lepus capensis), sind über das gesamte saharo-indische Trockengebiet verbreitet. Die postglaziale Austrocknung führte des weiteren zur Verkleinerung des Gesamtareals des tropischen Regenwalds sowie zu dessen reliktärer Aufsplitterung, besonders im mittleren und östlichen Zentralafrika. Afrika, Madagassische Subregion, Südafrikanische Unterregion.
H.F.
Lit.: de Lattin, G.: Grundriß der Zoogeographie. Jena 1967. Rensch, B.: Verteilung der Tierwelt im Raum. In Handbuch der Biologie, Band 5. Thenius, E.: Grundzüge der Faunen- und Verbreitungsgeschichte der Säugetiere. Stuttgart 21980.
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