Lexikon der Biologie: Resistenzzüchtung
Resistenzzüchtung, Immunitätszüchtung, Züchtung mit dem Ziel eines hohen Resistenzniveaus (Resistenz) gegenüber endemischen Krankheiten, Schädlingen und abiotischen Streßfaktoren bei Kulturpflanzen (Streßfaktoren bei Pflanzen) und Nutztieren.
1)Pflanzenzüchtung: Aufgrund des Verlustes der Biodiversität (genetische Flexibilität, genetische Verarmung) hat im Laufe der Evolution bei den meisten Kulturpflanzenarten die Anfälligkeit gegenüber Pathogenen und Umweltstreß (Umweltbelastung) erheblich zugenommen. Etwa 90.000 Pflanzenkrankheiten, hervorgerufen durch phytopathogene Viren (Pflanzenviren), Bakterien und Pilze, 30.000 Unkräuter, 3000 Nematoden-Arten (Fadenwürmer) und 800.000 Insektenarten (Insekten), verursachen immense Schäden an Nutzpflanzen und bedingen hohe Ernteeinbußen in der Landwirtschaft. Zusätzlich müssen die Kulturpflanzen vor den schädigenden Wirkungen verwendeter Pestizide geschützt werden, um daraus resultierende Verluste zu vermeiden. Nicht zuletzt die Bemühungen, den chemischen Pflanzenschutz (chemische Schädlingsbekämpfung) und die Anwendung von Düngemitteln (Dünger) zu reduzieren (alternativer Landbau, integrierte Schädlingsbekämpfung), führen schließlich zu einer Evaluierung von natürlichen, nutzbaren Resistenzquellen. Dabei werden oftmals die genetischen Ressourcen für adäquate Resistenzgene (Resistenzfaktoren) gegenüber biotischem und abiotischem Streß in verwandten Wildarten und Primitivformen gesucht (Ethnobotanik, Genreservoire, Genzentrentheorie). Diese werden dann in Abhängigkeit von ihrer Kreuzbarkeit (Kreuzung) mit den Kulturarten in standortadaptierte Linien eingebracht. Neben den klassischen Züchtungsmethoden wie Auslesezüchtung, Mutationszüchtung und Kreuzungszüchtung bedient man sich biotechnologischer (Biotechnologie) und gentechnologischer Verfahren (Gentechnologie). Während die klassische Resistenzzüchtung innerhalb der genetischen Variabilität der spezifischen Art und ihrer kreuzbaren Verwandten arbeitet, kann die molekulare Züchtung die gesamte genetische Variabilität der Natur, über alle Artgrenzen hinweg, nutzen. Möglich werden daher sowohl der konventionelle Einsatz von pflanzeneigenen Genen zur Steigerung der Abwehrmechanismen der Pflanze (pflanzliche Abwehr, Streßresistenz bei Pflanzen) als auch der von Genen phytopathogener Organismen, um die Wechselwirkungen zwischen Pathogen und Pflanze zu stören. Letztlich können sogar Gene aus völlig anderen Organismen zum Einsatz kommen, von denen bekannt ist, daß sie Phytopathogene und Phytophagen zu schädigen vermögen. Mit dem Ziel, multiple Resistenzen zu schaffen, werden diese Ansätze kombiniert. Zudem wird es durch den Gebrauch biotechnologischer und gentechnischer Methoden möglich, die Züchtungszeit deutlich zu verkürzen, die Pflanzen gezielter zu verändern (Genübertragung, Transformation) und die Selektion (in-vitro-Evolution, molekulare Marker, RFLP) erwünschter Resistenzen zu beschleunigen. – Im Laufe der Resistenzzüchtung ließ sich erkennen, daß eine spezifische, monogenisch (Monogenie) bedingte „qualitative“ Resistenz in ihrer Stabilität meist zeitlich begrenzt ist und nach wenigen Vegetationsperioden zusammenbricht. Daher werden nunmehr polygenisch (Polygenie) bedingte sortenübergreifende, „quantitative“ Resistenzen angestrebt. Leider weisen oftmals Sorten mit einer hohen Resistenz gegen biotische Schaderreger eine geringere Qualitäts- und Ertragsleistung sowie Empfindlichkeiten gegenüber abiotischen Stressoren auf. Eine weitere Problematik der klassischen Resistenzzüchtung ergibt sich neben dem hohen Zeitaufwand aus dem unkontrollierten Einkreuzen von Genen zusätzlich zu den angestrebten Resistenzen mit resultierenden unerwünschten Nebeneffekten. Schließlich muß die Unbedenklichkeit übertragener Resistenzgene bzw. deren Expression bezüglich der Toxizität, Allergenität und ökologischen Schädigung ständig geprüft werden, denn oft sind gerade diejenigen Substanzen, die eine Resistenz gegen Mikroorganismen und Insekten bedingen, für Menschen und Tiere giftig.
2)Tierzüchtung: Auch in der Tierzüchtung ist durch das Einbringen spezifischer Merkmale der Resistenzerwerb gegenüber Krankheiten (Infektionskrankheiten) möglich. Neben der konventionellen Züchtung kann ein Einbau von isolierten Genen in Zygoten oder totipotente (Totipotenz) Tierzellen z.B. durch Mikroinjektion, Elektroporation und Viren-Vektoren (Retroviren) erfolgen. Mittlerweile zielen die modernen Züchtungsprogramme auf Mehrfachresistenzen gegen einzelne wichtige Pathogene und Resistenz-Komplexe gegen diverse potentielle Schaderreger. Bacillus-thuringiensis-Toxin, biotechnische Schädlingsbekämpfung, gentechnische Schädlingsbekämpfung, Insektenresistenz, Protoplastenfusion, transgene Pflanzen.
S.Gä.
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