Lexikon der Biologie: Züchtung
Züchtung, Zucht, Verbesserung und/oder Erhaltung der genetisch fixierten Eigenschaften von Kulturpflanzen(Pflanzenzüchtung) und Nutztieren(Tierzüchtung) bzw. die Erzeugung neuer Sorten und Rassen mit definierten Qualitätsmerkmalen – unter der Zielsetzung, das Leistungsniveau zu verbessern. Bereits im Neolithikum (Jungsteinzeit, neolithische Revolution) begannen die Menschen damit, Wildpflanzen und Wildtiere zu domestizieren (Domestikation, Haustierwerdung, Naturvölker), um positive Eigenschaften erhalten zu können, welche die Nahrungsgrundlagen (Ernährung) sichern sollten. Voraussetzung für Züchtung ist das Vorhandensein genetischer Diversität (Biodiversität, Genpool) innerhalb einer Population. Im Rahmen verschiedener Züchtungsmethoden selektiert (Selektion) man entweder natürlich vorhandene Varianten (Variation) mit angestrebten Eigenschaften zur Weiterzucht (Auslesezüchtung), oder man vergrößert die genetische Formenvielfalt durch Kombination verschiedener Genotypen (Kreuzung; Kreuzungszüchtung), andernfalls mit der Auslese natürlicher sowie künstlich induzierter Mutationen(Mutationszüchtung). Häufig werden Kombinationen aus den verschiedenen Züchtungsansätzen vorgenommen. Nach der Selektion des dem gewünschten Zuchtziel entsprechenden Genotyps muß dieser durch eine Erhaltungszüchtung fixiert werden. Hingegen ist es in der Hybridzüchtung, welche positive Heterosiseffekte (Heterosis) nutzt, erforderlich, die entsprechenden Ausgangssorten immer wieder bereitzustellen, da Heterosis nur in der F1-Generation (Filialgeneration, Mendelsche Regeln) auftritt. Bei sich ungeschlechtlich vermehrenden Individuen (z.B. Bakterien) beläuft sich die Züchtung auf die Selektion positiver Mutanten. Neben der klassischen Züchtung, die sich der genetischen Grundlagen bedient, vermögen es Biotechnologie, Gentechnologie und Molekularbiologie, die zunehmend Einzug in die Züchtungsvorgänge halten, mit ihren vielfältigen Methoden, neue Möglichkeiten innerhalb des Züchtungsprozesses zu eröffnen und eine bessere Nutzung der biologischen Vielfalt zu erlangen. Entscheidender Unterschied zur klassischen Züchtung ist die Überschreitung natürlicher Artbarrieren, da Gene von durch Kreuzung nicht kombinierbaren Organismen übertragen werden – z.B. werden oft bakterielle Gene in Pflanzen eingeführt (Bacillus thuringiensis). So konnte die züchterische Effizienz durch Zeitersparnis, Umgehung von Kreuzungsbarrieren und gezielte Selektion von Merkmalen deutlich erhöht werden. Die Züchtung von Nutztieren und Kulturpflanzen orientiert sich an Zielen der Wirtschaft, d.h. hauptsächlich der Ertragssteigerung durch reinen Massezuwachs (Massentierhaltung) sowie durch die Zucht auf Toleranzen und Resistenzen gegenüber Krankheitserregern und schädlichen Umwelteinflüssen (Resistenzzüchtung). Daneben werden in der Versuchstierzucht (Versuchstiere) wissenschaftliche Erkenntnisse auf den Gebieten der Medizin, Genetik und Physiologie angestrebt. Auch Züchtungen in der Mikrobiologie (Kulturensammlung, mikrobielles Wachstum) finden in der Forschung und Krankheitsdiagnose (Infektionskrankheiten) ihre Anwendung. Oftmals beziehen sich die Zuchtziele neben praktischen Anforderungen auch auf subjektive Schönheitsmerkmale wie Blütengröße (Blüte, gefüllte Blüten), Zeichnung von Gefieder oder Fell und der Körperform. Betrachtet man Züchtung als einen der natürlichen biologischen Evolution (Evolution) ähnlichen, jedoch zeitlich gerafften Vorgang, muß man bedenken, daß viele von Menschenhand geschaffene Zuchtergebnisse auf natürlichem Weg nie entstanden und somit auch ohne menschliches Zutun in ihrer Umwelt nicht lebensfähig wären. Neben den derzeit noch schwer einzuschätzenden Risiken des angewandten Gentransfers (gentechnische Freilandexperimente, Genübertragung, Sicherheitsstämme, Sicherheitsvektoren) besteht die große Gefahr der genetischen Verarmung ( ü vgl. Infobox ), bedingt durch die Intensivzucht einzelner, in Masse gezüchteter Sorten und Rassen (Überzüchtung). Baur (E.), Diasporenbank, Genzentrentheorie, Gewebezüchtung, Johannsen (W.L.), Klonierung, Kultivierung, Kultur, Linienzüchtung, Menschenzüchtung, Meristemkultur, Samenbank, Separierungszüchtung, sexuelle Selektion, transgene Organismen, transgene Pflanzen, transgene Pilze, transgene Tiere, Tschermak (E.); Selektion II .
S.Gä./P.N.
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