Lexikon der Biologie: Rinder
Rinder, Bovinae, Unterfamilie der Hornträger mit plumpem Körperbau und breitem Kopf; beide Geschlechter horntragend (Horngebilde [Abb.]); unbehaartes und stets feuchtes „Flotzmaul“; Zahnformel:
;
Fell meist kurzhaarig und anliegend, Schwanz mit Endquaste. 4 Gattungen ( vgl. Tab. 1 ) mit zusammen 9 rezenten Arten und 21 Unterarten. Rinder sind Herdentiere, die in sehr unterschiedlichen Lebensräumen (z.B. Wälder, Grassteppen, Gebirge – sofern Wasser vorhanden ist) existieren können und ihr Wohngebiet weder verteidigen noch markieren. Sie sind reine Pflanzenfresser, die wiederkäuen (Wiederkäuer-Magen, Pansen, Pansensymbiose). Sie verfügen über einen leistungsstarken Geruchssinn und ein gutes Gehör; vergleichsweise weniger gut ausgeprägt ist ihr Sehvermögen. – Die Rinder sind eine stammesgeschichtlich relativ junge Tiergruppe mit Hauptentfaltung während der Eiszeiten (Pleistozän). Wildrinder leben heute noch in ihrer Urheimat Asien und in Afrika; in Europa und in Nordamerika wurden sie in historischer Zeit nahezu ausgerottet (Ausrottung). Weltweit verbreitet sind heute ihre vom Menschen in den Hausstand überführten (Haustierwerdung) Nachfahren. – Das heute in vielen Rassen gezüchtete Hausrind (Bos primigenius taurus; Schulterhöhe 120 bis 135 cm, Körpergewicht 400–700 kg; vgl. Abb. 1 ), eines der ältesten Haustiere des Menschen, stammt vom Auerochsen ab. Zunächst dienten eingefangene (später wohl auch in Gattern gehaltene, gezähmte) Wildrinder in Mesopotamien, Ägypten, Persien und Indien zu Kultzwecken. Mit der vermutlich im 6. Jahrtausend v.Chr. erfolgten Domestikation war eine wesentliche Voraussetzung zur Entwicklung der asiatisch-europäischen Ackerbau-Kultur (Ackerbau) in der Jungsteinzeit geschaffen. Aus dem ursprünglichen Opfertier wurde zunächst ein Fleischlieferant und Arbeitstier; erst später kam die Milchnutzung (Milch) hinzu. Unter den heutigen europäischen Hausrind-Rassen unterscheidet man die züchterisch weniger beeinflußten sog. primitiven Rinderrassen mit geringerem wirtschaftlichem Wert (z.B. Steppen-, Camargue-, Spanisches Kampf-, Korsisches Land-, Schottisches Hochland-, Englisches Parkrind) von den Hochzuchtrassen, die auf hohe Milch- oder Fleischproduktion (Fleisch; vgl. Tab. 2 ) oder Arbeitskraft sowie auf ihre Eignung für bestimmte Gelände oder Klimaverhältnisse gezüchtet werden ( vgl. Abb. 2 ). Hierzu gehören die Höhenrassen der Mittel- und Hochgebirge (z.B. Simmentaler Fleckvieh, Graubraunes Höhenvieh, Pinzgauer Rind, Hinterwälder Rind) und die norddeutschen Niederungs- oder Tieflandschläge (z.B. Schwarz- und Rotbuntes Niederungsrind, Angler Rind). Die jährliche Milchleistung der Hochzuchtrassen beträgt zwischen 3000 und 6000 l (Höchstleistungen bei 11.000 l). Hochzuchtrassen-Bullen werden mit 1,5 bis 2 Jahren, Kühe mit 2 bis 2,5 Jahren erstmals zur Zucht verwendet. Nahezu ausschließlich findet heute künstliche Besamung statt. Nach einer mittleren Tragzeit von 285 Tagen wird meist nur 1 Kalb geboren; bei ungleichgeschlechtlichen Zwillingen bleibt das weibliche Tier unfruchtbar (sog. Zwicke). Hornlose Hausrinder sind schon mehrmals durch Mutation entstanden und werden zur Zeit weitergezüchtet (z.B. Aberdeen Angus). – Auch das Zebu ( vgl. Abb. 3 ) stammt nach heutiger Auffassung vom Auerochsen ab. Aus den Wildrindern Banteng und Gaur wurden das Balirind und der Gayal als Hausrinder gewonnen. Auch Yak und Wasserbüffel wurden zu wichtigen Haustieren. – Im zentralafrikanischen Seengebiet züchten Hirtenvölker (z.B. die „Watussi“) besonders langhörnige Rinder – eine Mischung aus Nachkommen des altägyptischen Langhornrinds und dem Zebu – mehr zu Kult- als zu wirtschaftlichen Zwecken. Sie nutzen die Milch und durch Aderlaß gewonnenes Blut der „Watussirinder“ als Getränk, den Dung als Brennmaterial und den Urin zur Körperpflege. Landwirtschaft, Massentierhaltung.
H.Kör.
Rinder
Abb. 1: Hausrind (Bos primigenius taurus):a Schädel, b Backenzahn, c Längsschnitt durch ein Horn
Rinder
Abb. 2:
1 Braunvieh, 2 Vorderwälder, 3 Höhenfleckvieh (Bulle), 4 Schwarzbuntes Niederungsvieh
Rinder
Abb. 3: Zebus
Rinder
Tab. 1: Gattungen und Arten:
Asiatische Büffel (Bubalus)
Anoa
(Bubalus depressicornis)
Wasserbüffel
(Bubalus arnee)
Afrikanische Büffel (Syncerus)
Kaffernbüffel
(Syncerus caffer)
Eigentliche Rinder (Bos)
Gaur(Bos gaurus)
Banteng(Bos javanicus)
Kouprey(Bos sauveli)
Auerochse (†)
(Bos primigenius)
Yak(Bos mutus)
Bisons (Bison)
Bison(Bison bison)
Wisent(Bison bonasus)
Rinder
Tab. 2: Einige Inhaltsstoffe (in 100 g eßbarem Anteil) in Kalbsfilet bzw. (in Klammern) Rinderfilet
Energiegehalt: 403 kJ = 95 kcal (494 kJ = 116 kcal)
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Wasser: 76,7 g (75,1 g) | Vitamin B1: 150 μg (100 μg) | Natrium: 95 mg (50 mg) | Ölsäure: 315 mg (1690 mg) | |
Protein: 20,6 g (19,2 g) | Vitamin B2: 300 μg (130 μg) | Kalium: 350 mg (340 mg) | Linolsäure: 160 mg (80 mg) | |
Fett: 1,4 g (4,4 g) | Vitamin B6: 400 μg (500 μg) | Phosphor: 200 mg (165 mg) | Cholesterin: 70 mg (70 mg) | |
Mineralien: 1,2 g (1,1 g) | Niacin: 6,5 mg Vitamin B12: (2 μg) | Eisen: 1400 μg (2100 μg) | Purine: 140 mg (120 mg) |
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