Lexikon der Geowissenschaften: Fisher-Statistik
Fisher-Statistik, bewährtes Verfahren für die statistische Behandlung paläomagnetischer Daten und die Berechnung der Mittelwerte von Richtungen der remanenten Magnetisierung und von virtuellen paläomagnetischen Pollagen. Die remanente Magnetisierung eines geologischen Körpers, die an einer Vielzahl von orientiert entnommenen Einzelproben gemessen wird, ist nicht einheitlich, sondern mit einer mehr oder weniger großen Streuung behaftet. Die wichtigsten Ursachen dafür sind: a) die Säkularvariation des erdmagnetischen Feldes während des Erwerbs einer Remanenz, b) lokal verschieden große Anteile der einzelnen Remanenztypen an der natürlichen remanenten Magnetisierung (NRM) sowie c) kleine Orientierungsfehler bei der Probenentnahme. Die Daten, wie z.B. ein Satz von Deklinations- und Inklinationswerten (Deklination, Inklination), können nicht einzeln arithmetisch gemittelt werden, weil sie als Meßgrößen eines Vektors im dreidimensionalen Raum betrachtet werden müssen. Der Mittelwert zweier Richtungen liegt stets auf dem beiden Richtungen gemeinsamen Großkreis. Bei der Fisher-Statistik wird vorausgesetzt, daß die an einzelnen Gesteinsproben ausgeführten Messungen alle unabhängig von der Intensität der remanenten Magnetisierung, von gleicher Genauigkeit und praktisch fehlerfrei sind. Die ermittelten Richtungen werden daher ohne Bewichtung der Intensität der Remanenz und der Fehler der Einzelmessung als gleichwertige und fehlerfreie Einheitsvektoren betrachtet. Gegeben seien i Wertepaare (Deklination Di, Inklination Ii), welche die fehlerfreien Remanenzrichtungen von i Proben in Form von i Einheitsvektoren darstellen. Die orthogonalen Vektorkomponenten der i Einheitsvektoren sind:
Nordkomponente: li = cosDi·cosIi
Ostkomponente: mi = sinDi·cosIi
Vertikalkomponente: ni = sinIi.
Die Nord-, Ost- und Vertikalkomponenten (X,Y,Z) des Mittelwertes erhält man durch folgende Rechenoperationen:
X = R-1·Σli; Y = R-1·Σmi; Z = R-1·Σni,
mit:
R = [(Σli)2+(Σmi)2+(Σni)2]1/2
als Vektorsumme der i Einheitsvektoren. Deklination D und Inklination I der mittleren Remanenzrichtung können mit folgenden Beziehungen ermittelt werden: D = arctan (Y/X) mit 0° ≤ D ≤ 180°; I = arcsin Z mit -90° ≤ I ≤ +90°.
Die Statistik von Fisher bietet auch die Möglichkeit, die Streuung von Richtungen zu quantifizieren. Dabei wird davon ausgegangen, daß alle Richtungen gemäß einer Gauß-Verteilung um eine mittlere Richtung gruppiert sind (Fisher-Verteilung). Die Spitzen der Einheitsvektoren erscheinen auf einer Kugel mit dem Einheitsradius als Punkte. Die Verteilung der Meßpunkte um einen Mittelwert läßt sich mit einer Wahrscheinlichkeitsdichte-Funktion P(Φ) beschreiben. Es ist:
P(Φ) = (k'/4π·sinh k')·ek'·cosΠ,
dabei ist Π der Raumwinkel zwischen einem Datenpunkt auf der Einheitskugel und dem Mittelwert der Punktgruppe und k' der Präzisionsparameter. Dieser variiert zwischen k' = ∞ bei identischen Punkten bzw. Richtungen bis zu k' = 0 bei einer vollständig regellosen Verteilung der Punkte auf der Kugeloberfläche. Dies entspricht einer ganz ungeordneten Verteilung der Remanenzrichtungen. Für die Praxis reicht eine näherungsweise Berechnung des Präzisionsparameters aus. Für k' ≥ 3 ergibt sich folgender Näherungswert für den Präzisionsparameter, der dann mit k bezeichnet wird:
k = (N-1)/(N-R).
Dabei ist N die Anzahl der verwendeten Richtungen (oder Punkte auf der Einheitskugel) und R der nach der oben genannten Formel berechnete Wert für die Vektorsumme der Einheitsvektoren. Wegen der möglichen Streuung der Einheitsvektoren ist stets R ≤ N. Bei Werten für k ≤ 10 ist die Streuung der Richtungen schon recht erheblich, paläomagnetische Daten mit k ≤ 3 sind weitgehend unbrauchbar. Hier läßt sich höchstens noch der Quadrant angeben, in dem wahrscheinlich die mittlere Remanenzrichtung liegt.
Bei paläomagnetischen Messungen hat sich neben dem leicht zu berechnenden Präzisionsparameter k noch eine andere Größe eingebürgert, mit der man bei einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeitsschranke die Zuverlässigkeit eines Mittelwertes angeben kann. Es ist die Größe α (in Grad) des Radius eines Kreises (Konfidenzkreis) auf der Einheitskugel um den berechneten Mittelwert, innerhalb dessen sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit (i.d.R. wird die Wahrscheinlichkeit W = 1-P = 0,95 = 95% verwendet) der wahre Mittelwert befindet. Für die Berechnung von α95 (dies entspricht P = 0,05 = 5%) gilt folgende Beziehung:
cos α(1-P) =
cos α95 = {1-[(N-R)/R]·[(1/P)1/(N-1)-1]}.
Für eine Probenanzahl N ≥ 5 kann man auch folgende Näherungsformel verwenden:
α95≅140/(k·N)1/2.
Kleine Werte für den Radius α95 des Konfidenzkreises können auch dadurch erhalten werden, daß man die Anzahl N der untersuchten Proben erhöht. Deshalb ist bei der Beurteilung der Streuung und damit der Qualität und Zuverlässigkeit eines paläomagnetischen Ergebnisses auch auf den Präzisionsparameter k zu achten. [HCS]
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