Lexikon der Geowissenschaften: Kristallklasse
Kristallklasse, Einteilung der Kristalle nach der makroskopischen Symmetrie. Diese Einteilung erfolgt in 32 geometrische Kristallklassen, meist einfach "Kristallklassen" genannt. Für ihre Bezeichnung sind zwei Nomenklatursysteme gebräuchlich, die von Kristallographen bevorzugte modernere Hermann-Mauguin-Nomenklatur (internationale Symbole) sowie die bei Chemikern und einigen Physikern bestehende Nomenklatur nach Schoenflies ( Tab. 1 und 2 ). Die Blickrichtungen sind so gewählt, daß in der Papierebene die
-Richtung nach rechts und die
-Richtung nach unten oder links unten zeigt. Das Symbol enthält die Bezeichnungen für ein oder mehrere Symmetrieoperationen, die ein Erzeugendensystem für eine Punktgruppe der Kristallklasse bilden. Die mit einer Operation assoziierte Blickrichtung ergibt sich aus ihrer Stellung im Symbol. Es bedeuten im einzelnen: a) n (n = 1, 2, 3, 4, 6) = n-zählige Drehungen, für n = 2, 3, 4, 6 um spezielle Drehpunkte; b) m = Spiegelung an einer Linie, deren Normale in der angegebenen Blickrichtung liegt. Die entsprechenden Schoenflies-Symbole (die hier jedoch selten verwendet werden) sind Cn (n = 1, 2, 3, 4, 6) für die Klassen mit den reinen Drehgruppen und Cv bzw. Cnv (n = 2, 3, 4, 6) für die übrigen Klassen. Die Blickrichtungen
,
und
hat man sich so im Raum orientiert zu denken, daß
senkrecht nach oben,
nach rechts und
nach vorne zeigt (bei
und
je nach System mit evtl. gewissen Abweichungen). Im monoklinen System wird, speziell bei Anwendungen in der Physik, zuweilen die
-Richtung als ausgezeichnete Richtung gewählt.
In der Hermann-Mauguin-Nomenklatur enthält das Symbol für eine Kristallklasse die Bezeichnungen für ein oder mehrere Symmetrieoperationen, die ein Erzeugendensystem für eine Punktgruppe der Klasse bilden. Es bedeuten: a) n (n = 1, 2, 3, 4, 6) = n-zählige Drehung. Für n = 2,...,6 liegt die Drehachse in der durch die Stellung im Symbol gekennzeichneten Blickrichtung. Mit der Operation 1 ist keine bestimmte Richtung verbunden. b)
(n = 1, 2, 3, 4, 6) = n-zählige Drehinversion, auch Inversionsdrehung genannt, das Produkt einer n-zähligen Drehung und einer Inversion an einem Punkt auf der Drehachse. Die Reihenfolge der beiden Operationen ist beliebig, da die Inversion mit allen Symmetrieoperationen vertauschbar ist. Für n = 2,...,6 liegt die Drehinversionsachse in der durch die Stellung im Symbol gekennzeichneten Blickrichtung. Die mit der Spiegelung m =
assoziierte Richtung ist also die der Spiegelebenen-Normalen. Mit der Operation
, der Spiegelung an einem Punkt, dem Inversionszentrum, ist keine bestimmte Richtung verbunden.
In der Schoenflies-Nomenklatur leiten sich die Symbole für die Kristallklassen von folgenden Bezeichnungen ab: a) Cn = cyklische Gruppe, hier erzeugt von einer n-zähligen Drehung (n = 1, 2, 3, 4, 6); b) Dn = Diedergruppe, erzeugt von einer n-zähligen Drehung um eine Hauptachse und einer 2-zähligen Drehung um eine Nebenachse (n = 2, 3, 4, 6); c) Sn = sphenoidische Gruppe, erzeugt von einer Drehspiegelung, bestehend aus einer n-zähligen Drehung und einer Spiegelung an einer Ebene senkrecht zur Drehachse (tritt in der Schoenflies-Nomenklatur nur mit n = 4 auf); d) T = Tetraedergruppe, Gruppe aller Drehungen, die ein Tetraeder auf sich abbilden; e) O = Oktaedergruppe, Gruppe aller Drehungen, die ein Oktaeder auf sich abbilden; f) i = Inversion; g) s = Spiegelung; h) h = Spiegelung an horizontaler Spiegelebene, d.h. an einer Ebene senkrecht zu einer Hauptachse; i) v = Spiegelung an vertikaler Spiegelebene, d.h. an einer Ebene parallel zu einer Hauptachse; j) d = Spiegelung an diagonaler Spiegelebene, d.h. an einer vertikalen Spiegelebene, welche den Winkel zwischen zwei Drehachsen halbiert. Neben den in den Tabellen angegebenen sog. gekürzten Hermann-Mauguin-Symbolen sind noch ausführlichere Symbole in Gebrauch, wie zum Beispiel 2/m 2/m 2/m für mmm.
Die Kristallklassen bedingen auch eine Klassifikation der Raumgruppen, denn jede Raumgruppe läßt sich eindeutig einer Kristallklasse zuordnen. Man erhält diese Klasse aus der Raumgruppe, indem man von den Translationen abstrahiert, d.h. die Beträge der zu den Translationen gehörigen Vektoren gleich Null setzt. Entsprechend ist in den Raumgruppen-Symbolen der Bezug auf die Translationen zu streichen: P4/mmm→4/mmm, I41/acd→4/mmm, Fd
m→m
m. In mathematischer Betrachtungsweise ist eine Kristallklasse eine Klasse von kristallographischen Punktgruppen, wobei zwei Punktgruppen derselben Klasse angehören, wenn sie durch eine Transformation mit einer isometrischen (abstandstreuen) Abbildung aufeinander abgebildet werden können. Eine feinere Klassifikation erhält man durch Einschränkung auf solche isometrischen Abbildungen, welche ganzzahlige Koordinaten stets wieder in ganzzahlige Koordinaten überführen, welche also nicht aus einem Gittertyp herausführen. Diese Einteilung führt zu den arithmetischen Kristallklassen, die in einem umkehrbar eindeutigen Verhältnis zu den Typen der symmorphen Raumgruppen stehen. Im zweidimensionalen Raum sind das 13 und im dreidimensionalen Raum 73 Klassen. In Ermangelung einer eigenen Nomenklatur wählt man zur Bezeichnung der arithmetischen Kristallklassen die entsprechenden Raumgruppensymbole. Zur geometrischen Kristallklasse
2m beispielweise gehören die arithmetischen Klassen P
2m, P
m2, I
2m und I
m2. [WEK]
Literatur: [1] Kleber, W. (1998): Einführung in die Kristallographie. – Berlin. [2] Hahn, Th. (Hrsg.) (1992): International Tables for Crystallography, Volume A, Space-Group Symmetry. – Dordrecht.
Kristallklasse (Tab. 1): die zehn Kristallklassen in der Ebene. Kristallklasse (Tab. 1):
Kristallklasse (Tab. 2): die 32 Kristallklassen im dreidimensionalen Raum. Kristallklasse (Tab. 2):
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