Lexikon der Kartographie und Geomatik: U.S.-amerikanische Kartographie
U.S.-amerikanische Kartographie die kartographische Erschließung des Territoriums der späteren USA setzte im 17. Jh. im Zuge der kontinuierlichen Besiedlung durch Europäer an der Ostküste und von durchgeführten Expeditionen ins Landesinnere ein, die bis zum Mississippi und nach Norden bis Kanada reichten. Es entstanden zahlreiche Übersichts- und Teilkarten der bekannt gewordenen Regionen, z. B. die von J. Smith (1580-1631) erstellten Blätter "Virginia" (1612) und "New England" (1614) oder von französischer Seite Karten von S. de Champlain (1567-1635) und L. Hennepin (um 1640-1705) ("Description de la Louisiane" (1683). Zuvor waren im Zuge der Entdeckungsfahrten des 15./16. Jhs. lediglich einige Küstenregionen erfasst worden. 1524 wurde erstmals der Küstenabschnitt zwischen Neufundland und Florida kartographisch aufgenommen. Auf den ersten Weltkarten, auf denen der neue Kontinent eingetragen war, erschienen zunächst nur die Süd- und Teile der Ostküste Nordamerikas.
Eine intensivere kartographische Aufnahme setzte im 18. Jh. ein, als Kartenmaterial für militärische Zwecke erforderlich wurde. Während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges wurden über 250 Kartenblätter (überwiegend im Maßstab 1 : 63 360) auf der Grundlage detaillierter Routenaufnahmen für die Streitkräfte entworfen. Die erst unter Leitung von R. Erskine und seit 1784 von S. de Witt erstellten Karten blieben jedoch auch nach dem Krieg aus Kostengründen ungedruckt und standen somit ziviler Verwendung nicht zur Verfügung.
Nach dem Frieden von Paris 1783, der den Vereinigten Staaten auch die Territorien bis zum Mississippi zusprach, und nach dem Kauf von Louisiana 1803 stieg die Nachfrage nach kartographischen Darstellungen des Landesinneren an. Bereits 1784 erschienen die "New and Correct Map of the United States of America" (4 Blätter) von A. Buell und "The United States According to the Definitive Treaty of Peace Signed at Paris, Sept. 3d 1783" von W. McMurray.
Zur Steuerung der Landnahme durch Siedler wurde 1785 das "US General Land Office" gegründet. Das Amt hatte die Aufgabe, Staatsland zu vermessen, zu kartieren und an die Siedler zu verteilen. Dabei entstanden "township-plats" (in Manuskriptform, 1 : 31 680) mit topographischen Angaben, die in der Folgezeit als Grundlage für weitere Karten und Atlanten dienten. In der Armee wurde 1813 das "Topographical Bureau" gegründet (ab 1838 "U.S. Army Corps of Topographical Engineers"), dessen Hauptaufgabe in der Vermessung von Kanälen, Straßen, Häfen und Eisenbahnlinien sowie in der Erstellung militärischer Karten bestand. Bekannt geworden sind vor allem die vom Topographical Bureau initiierten drei Großexpeditionen in den Westen (1824-46) und vier transkontinentale Routen für den Eisenbahnbau (seit 1853), die das topographische Wissen erheblich erweiterten.
In der amerikanischen Seeschifffahrt fanden zunächst ausschließlich britische Seekarten bzw. davon abgeleitete Werke ("Atlantic Neptune" von J.F.W. Debarres) Verwendung. Wenngleich zu Beginn des 19. Jhs. mehrere unzusammenhängende Aufnahmen durchgeführt wurden, begann erst 1832 mit der Gründung des U.S. Coast Survey eine eigene systematische Herstellung von Karten der amerikanischen Küstengewässer. Auf der Grundlage eines Netzes triangulierter Festpunkte (vgl. Triangulation) und hydrographischer Aufnahmen wurden die küstennahen Gewässer sowie die Küstentopographie bis zu drei Meilen landeinwärts erfasst.
Der vor allem auf einzelstaatlicher Ebene wachsende Bedarf an Karten wurde ausschließlich von gewerblicher Seite gedeckt, z. B. New York von S. De Witts (1802), Pennsylvania (1822) von J. Melish. Bis 1840 erschienen rund 30 verschiedene Karten von Staaten und zahlreiche Atlanten, z. B. "A Military and Topographical Atlas of the United States" (1813). Insbesondere in Philadelphia entstand ein Zentrum der Verlagskartographie, z. B. die S.A. Mitchell Company. Weitere wichtige Unternehmen in den folgenden Jahrzehnten waren die J.H. Colton Company in New York und Rand McNally in Chicago (gegr. 1856). Die Kartenproduktion stieg mit zunehmender Verkehrserschließung der USA rasant an (Eisenbahn-, Kanal-, Straßenkarten).
1879 erwuchs aus dem Zusammenschluss mehrerer Aufnahmeprojekte, darunter die "U.S. Geological Exploration of the Fortieth Parallel" und der "U.S. Geographical Surveys West of the One Hundredth Meridian" der US Geological Survey (USGS). Seine Aufgabe bestand zunächst darin, die geologischen Bedingungen und natürlichen Ressourcen des Landes zu erfassen. Doch schon bald wurde deutlich, dass die Herstellung geeigneter topographischer Karten hierzu eine notwendige Voraussetzung bildete. 1882 wurde der USGS daher um eine topographische Abteilung erweitert. Die Arbeit des USGS sollte sich dabei auf die Triangulationsergebnisse des U.S. Coast Survey stützen, der mittlerweile mit der Erstellung geodätischer Grundlagen sämtlicher nationaler Karten beauftragt worden war. Schwerpunkt der nachfolgenden Arbeiten war die Schaffung eines aus Einzelblättern bestehenden "Topographic Atlas of the United States" (nationale topographische Kartenserie) und eines "Geological Atlas of the United States" (ab 1894). Die topographischen Kartenblätter erschienen ab 1884 dabei in vier verschiedenen Maßstäben: 1 : 31 680 (in einigen Staaten 1 : 24 000) für Siedlungs- und Sondergebiete, 1 : 62 500 für dichtbesiedelte ländliche Räume und 1 : 125 000 bzw. 1 : 250 000 für die Darstellung noch unerforschter Gebiete sowie von Wüsten- und Gebirgsräumen. Angesichts der Größe des abzudeckenden Raums und der geringen finanziellen Unterstützung durch die Bundesregierung ging die Arbeit nur vergleichsweise langsam voran. Trotz mehrerer (z. T. gesetzlicher) Versuche, die kartographische Erschließung voranzutreiben, blieben die Fortschritte bis zum Zweiten Weltkrieg unbefriedigend, auch wenn teilweise bereits photogrammetrische Aufnahmeverfahren zur Anwendung gelangten (Tennessee-Valley-Projekt).
Erst 1939 wurde ein "National Topographic Program" beschlossen, das hier Abhilfe schaffen sollte und neben Änderungen der geodätischen Grundlage und des Maßstabs (1 : 24 000, 1 : 62 500, 1 : 250 000 und 1 : 1 Mio.) eine einheitliche Spezifikation für die National Topographical Map Series verbindlich festschrieb. 1942 traten ergänzend Genauigkeitsanforderung hinzu (National Map Accuracy Standards). Standen 1947 nur für rund 25 % der Landoberfläche der USA Karten im Maßstab 1 : 24 000 und 1 : 62 500 zur Verfügung, stieg der Anteil bis 1968 auf immerhin 78 % an. Mit Ausnahme Alaskas diente für das gesamte Territorium der USA dabei ab 1957 der Maßstab 1 : 24 000 als Grundkarte, deren Erstellung seitdem im Vordergrund stand. Die kleineren Maßstäbe (1 : 250 000 und 1 : 1 Mio.) konnten bereits seit 1940/55 bzw. 1962 fertiggestellt werden. Um dennoch eine möglichst schnelle und kostengünstige Abdeckung der noch nicht mit Karten im Maßstab 1 : 24 000 erfassten Gebiete zu erzielen, wurde seit den 1970er Jahren auch mit Provisorien gearbeitet, z. B. Vorabdrucke oder Ortho-Luftbildkarten. Zudem erfolgte die Umstellung auf das metrische System (Metric Conversion Act of 1975), Einführung des neuen North American Datum (NAD) 1983 und Schaffung eines neuen Maßstabs 1 : 100 000 in 1822 Blättern (abgeleitet aus der 1 : 24 000). Darüber hinaus erschienen für Teilgebiete einzelner Staaten Karten im Maßstab 1 : 50 000. Die Umstellung von 1 : 24 000 in 1 : 25 000 hing dabei von den Einzelstaaten ab.
Der neue Maßstab 1 : 100 000 wurde als erstes in die National Digital Cartographic Data Base (NDCDB) überführt, womit endgültig die Umstellung auf digitale Techniken einsetzte.
Die Defense Mapping Agency (später National Imagery and Mapping Agency, NIMA) begann in den 1970er Jahren mit der Erzeugung von Rasterdaten (Digital Terrain Elevation Data, DTED) und Vektordaten (Vector Product Format, VPF). Die Vektordaten dienten zunächst dem Einsatz in Simulationsgeräten, später zur Erstellung der Digital Chart of the World und den verschiedenen Vektor Map Series (Vmap Level 0, 1 und 2, World Vector Shoreline Plus, WVS+, Digital Nautical Chart, DNC). Im September 1999 war die NIMA maßgeblich an der SRTM (Shuttle Radar Topography Mission) beteiligt und prozessiert aus den gewonnenen Daten Geländemodelle zur militärischen und zivilen Nutzung. Weitere Geodaten wurden u. a. vom US Census Bureau in Form von Vektordaten erzeugt (TIGER/Line data; Topologically Integrated Geographic Encoding and Referencing), um Census-Daten unmittelbar auf Gebietseinheiten beziehen zu können.
Das Angebot des USGS umfasst heute neben konventionellen topographischen Karten in den Maßstäben 1 : 24 000 (1 : 25 000) (rd. 40 000 Bl.), 1 : 50 000 (rd. 12 000 Bl.), 1 : 100 000 (rd. 1800 Bl.), 1 : 250 000 (rd. 470 Bl.), 1 : 1 Mio. (53 Bl.) und einigen weiteren kleineren Maßstäben auch entsprechende digitale Versionen, sowohl als Rasterdaten (Digital Raster Graphics, DRG) als auch für ausgewählte topographische Merkmale als Vektordaten (Digital Line Graphs, DLG). Ergänzt werden diese Erzeugnisse durch Orthophotos (Digital Orthophoto Quads, DOQ), digitale Geländemodelle, Luftbilder und Satellitenbilder u. a. Darüber hinaus stehen zahlreiche thematische Kartenwerke, insbesondere für geowissenschaftliche Zwecke (Geologie, Hydrologie u. a.) zur Verfügung. Heute ist der U.S. Geological Survey mit seinem Geodaten-Angebot Teil der im Aufbau befindlichen National Spatial Data Infrastructure (NSDI).
Neben dem USGS sind weitere bedeutende Träger kartographischer Aktivitäten: "U.S. Census Bureau", das ab 1890 statistische Atlanten zu den Volkszählungen publiziert (seit einigen Jahren als Onlineversion); "American Geographical Society" (N.Y.) und "National Geographic Society" (Washington, D.C.), die zahlreiche Originalkarten der gesamten Erde hergestellt haben.
FDN
Literatur: [1] BÖHME, R. (1989): Inventory of World Topographic Mapping, Vol.1, Barking, England. [2] MORRISON, J.L. (1999): The State of Government Cartography in 1998, in: Cartography and Geographic Information Science, Vol. 26, No. 3, July 1999, 167-199 (= 1999 U.S. National Report to the International Cartographic Association – The State of U.S. Cartography). [3] THOMPSON, M.M. (1979): Maps for America, Washington, D.C. [4] WOODWARD, D. (1977): The All-American Map, Chicago. http://www.usgs.gov/; http://www.nima.mil/
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