Lexikon der Neurowissenschaft: Encephalitis
Encephalitisw [von griech. egkephalos = Gehirn; Mehrzahl: Encephalitiden], Enzephalitis, Gehirnentzündung, Eencephalitis, entzündliche Erkrankung des Gehirns, die meist durch Viren, aber auch durch Bakterien, Pilze, Parasiten und immunologische Prozesse verursacht werden kann ( siehe Zusatzinfo ); je nach Erreger verläuft sie meist unter Mitbeteiligung der weichen Hirnhäute als Meningoencephalitis. Wird das Rückenmark miteinbezogen, liegt eine Encephalomyelitis vor. Je nach bevorzugtem Befall der grauen oder weißen Substanz wird von Polioencephalitis oder Leukencephalitis gesprochen; Panencephalitis beschreibt eine Entzündung von grauer und weißer Substanz. Das klinische Bild ist je nach Ursache bezüglich Schweregrad, Prognose und Symptomen variabel: es können Fieber, Kopfschmerzen, epileptische Anfälle, organische Psychosyndrome, Bewußtseinsstörungen und neurologische Herdsymptome (z.B. Lähmungen oder Sprachstörungen) auftreten. In der Cerebrospinalflüssigkeit kommt es meist zu einer Erhöhung der Anzahl von Lymphocyten und Monocyten. – Virale Formen: die Herpesencephalitis als nekrotisierende Encephalitis mit bevorzugtem Befall des Temporallappens hat unbehandelt eine Letalität von 70%. Die Tollwut-Encephalitis zeigt charakteristische intracytoplasmatische Einschlüsse (Negri-Körperchen). Einige Formen haben zu schweren Epidemien geführt, z.B. Encephalitis epidemica (Encephalitis lethargica, Economo-Krankheit, europäische Schlafkrankheit), Encephalitis equina, Encephalitis japonica u.a. Subakut verlaufende chronische Virusinfektionen mit tödlichem Ausgang sind die subakut sklerosierende Panencephalitis (SSPE, van Bogaert-Leukencephalitis, Masernvirus), die progressive Röteln-Panencephalitis und die progressive multifokale Leukencephalopathie. – Nichtvirale Formen: Betrifft die Encephalitis Hirnstamm oder Kleinhirn, liegt eine Hirnstammencephalitis bzw. Cerebellitis vor. Bei bakterieller embolischer Streuung ins Hirn (z.B. bei Endokarditis) resultiert eine metastatische Herdencephalitis. Die parainfektiöse und paravaccinale Encephalitis tritt in zeitlichem Zusammenhang mit Allgemeininfektionen oder Impfungen mit perivenösen, entzündlichen Entmarkungen auf (perivenöse Encephalitis); ursächlich sind vermutlich immunologische Prozesse. Sonderformen sind die schwer verlaufende akute disseminierte Encephalomyelitis (ADEM) und die verwandte akute hämorrhagische Leukencephalitis (mit kleine perivenösen Blutungen) sowie die Bickerstaff-Encephalitis (parainfektiöse Hirnstammencephalitis). Die paraneoplastische Encephalitis mit Präferenz des limbischen Systems und Hirnstamms tritt als subakute limbische Encephalitis unter dem Leitsymptom der fortschreitenden Demenz mit Anfällen oder als Hirnstammencephalitis auf; man findet hierbei antineuronale Antikörper. Die häufigste vermutlich immunologisch vermittelte Erkrankung des Zentralnervensystems ist die Encephalomyelitis disseminata, die multiple Sklerose (Abk. MS), mit multiplen Entmarkungsherden. Sehr seltene, der MS verwandte Krankheitsbilder sind die Encephalitis periaxialis diffusa (diffuse Sklerose, Schilder-Erkrankung), die Leukencephalitis periaxialis concentrica (konzentrische Sklerose) und die Encephalomyelitis disseminata acuta non purulenta (akute MS vom Typ Marburg). Amöben-Meningoencephalitis, Meningitis.
S.M.
Encephalitis
Encephalitiserreger:
Die erregerbedingte Encephalitis wird meist viral verursacht, vor allem von Herpes simplex Typ I, Varicella-Zoster-, Cytomegalie-, Arbo-, Adeno-, ECHO-, Masern-, Röteln-, Mumps-, Coxsackie-, Influenza-, Polio-, HIV-, lymphocytäre Choriomeningitis-, Frühsommer-Meningoencephalitis- und Tollwut-Viren. Bakterielle Infektionen werden durch Treponemen (Syphilis, Borreliose), Listerien, Brucellen, Actinomyces u.a. verursacht. Daneben gibt es auch Infektionen durch Mycoplasmen, Chlamydien, Rickettsien, Pilze (Candida, Aspergillus, Histoplasma) oder Parasiten (Trichinen, Plasmodien, Toxoplasmen, Trypanosomen).
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