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Naturschutz: Die Serengeti lebt

Serengeti und Bernhard Grzimek sind für viele Menschen noch immer ein Synonym - stand doch die afrikanische Savanne stets im schöpferischen Mittelpunkt des Naturschützers und Filmers. Ihm und seinen ideellen Erben ist der Erfolg des Parks zu verdanken - allen Problemen zum Trotz.
Leopard in der Serengeti
Diese Natur begründete seinen Ruf, war Herzensangelegenheit und Teil seines Schicksals, und sie wurde zum Ort seiner letzten Ruhestätte: Die Serengeti machte Bernhard Grzimek – den Tierfilmer, Wissenschaftler und Zoodirektor aus Frankfurt – weltberühmt. Jedoch kosteten die Dreharbeiten zur preisgekrönten Dokumentation "Serengeti darf nicht sterben" auch seinem Sohn Michael 1959 das Leben. Vater wie Sohn wurden am Rande des Ngorongoro-Kraters in Tansania begraben. In all den Jahren zwischen dem Beginn der Forschungs- und Dreharbeiten in der Serengeti 1957 und seinem Ableben 1987 war diese afrikanische Savanne ein zentrales Anliegen für Bernhard Grzimek und die von ihm lange Zeit geleitete Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF).

Elefanten in der Savanne | Heute leben wieder rund 2500 Elefanten im Serengeti-Nationalpark. Ende der der 1980er Jahre standen sie kurz vor der Ausrottung: Die Wilderei für Elfenbein machte ihnen zu schaffen.
Dass dort heute über eine Million Weißschwanz-Gnus und mehrere hunderttausend Zebras, Antilopen und Gazellen nahezu ungestört durch die Grasländer streifen können, wieder begleitet von mehr als 2000 Elefanten und gejagt von gesunden Populationen an Löwen, Hyänen und Leoparden, ist mit Sicherheit ein Verdienst dieser Bemühungen. Denn vor knapp fünfzig Jahren sah die Situation um die Serengeti noch völlig anders aus: Elefanten gab es in der Region fast keine mehr, sie waren bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Wilderern wegen ihres Elfenbeins ausgerottet worden. Die Bestände an Gnus erreichten nicht einmal ein Viertel der heutigen Zahlen, die Jagd auf Großwild war allgegenwärtig. Und die tansanische Regierung erwog, den nahe der Serengeti gelegenen Ngorongoro-Krater-Nationalpark einzuzäunen, um die Wanderungen der Tierherden zu kanalisieren.

Konflikte um Wasser als Risiko

Erst die Zählungen und Beobachtungen der Grzimeks zeigten, dass die Zugbahnen der Säuger in andere Richtungen als gedacht verlaufen, was zu einem Umdenken der verantwortlichen Politiker führte und das Konzept eines letztlich umfassenden Schutzgebietsystems wie -managements mit aus der Taufe hob. Die Serengeti ist auch deshalb heute eine der großen Erfolgsgeschichten im afrikanischen Naturschutz und gilt als einer der besten Nationalparks der Erde. Dennoch bestehen weiter Risiken und Gefahren für den Fortbestand des Ökosystems und seiner artenreichen Tierwelt, wie Markus Borner, Projektleiter der ZGF in Afrika, betont.

Wilderer-Lager | Die illegale Jagd nach Trophäen wie Elfenbein oder Tierhäuten ist im Nationalpark nahezu zum Erliegen gekommen – dank intensiver Überwachung durch lokale Ranger.
Mit Sorge blicken die Naturschützer vor allem in Richtung Norden des Nationalparks und die angrenzenden Gebiete in Kenia, wo der Mara-Fluss während der jährlichen Trockenzeiten das einzig verlässliche Trinkwasservorkommen für die riesigen Gnu- und Zebrabestände bietet. Alljährlich von August bis Oktober auf dem Höhepunkt der Trockenzeit wandern die Huftiere vom Südwesten des Schutzgebietes in die Region Massai Mara, wo die letzten, in den Hochlagen der angrenzenden Gebirge niedergegangenen Regenfälle zum Viktoria-See strömen. Erst mit Beginn der Regensaison im November kehren die großen Herden wieder in die Ebenen der Serengeti und des Ngorongoro-Kraters zurück, um dort ihre Jungen zu gebären. Sollte diese überlebensnotwendige Quelle versiegen, so Borner, könnte laut Modellrechnungen die Population der Gnus je nach Länge einer Dürre regelrecht zusammenbrechen auf nur noch maximal 200 000 Tiere – und damit weniger als zu Zeiten von Grzimeks Zählungen: "Sie fallen in ein Räuberloch, aus dem sie ohne aktives Eingreifen nicht mehr herauskämen, da es für eine Bestandserholung dann zu viele Löwen und Hyänen gäbe."

Unter Druck steht der Mara-Fluss von mehreren Seiten. So wurden in Teilen seines Einzugsgebiets im Bereich der Mau-Steilstufe die Wälder großflächig abgeholzt und damit deren Wasserrückhaltevermögen zerstört. Schon treten größere Schwankungen im Abfluss auf, während der Fluss früher gleichmäßiger strömte.
"Die Gnus fallen dann in ein Räuberloch, aus dem sie ohne aktives Eingreifen nicht mehr herauskämen"
(Markurs Borner)
Bedeutend ist auch die Wasserentnahme für großflächige, mechanisierte Landwirtschaft in der kenianischen Loita-Ebene, wo Weizenfelder mit dem Nass versorgt werden müssen. Sollten Rodung wie Feldbau weiterhin wie prognostiziert steigen, könnte der Mara zukünftig weniger Wasser in die Serengeti schaffen, als dort benötigt würde.

Gnuherde in der Serengeti | In den vergangenen fünfzig Jahren hat sich die Serengeti von der früheren Ausbeutung erholt – und so können heute mehrere hunderttausend Zebras, Antilopen und Gazellen mit großen Gnuherden durch die Grasländer streifen, wieder begleitet von mehr als 2000 Elefanten und gejagt von gesunden Populationen von Raubtieren. Der Friede ist dennoch trügerisch: Bis zu 40 000 Gnus fallen nach Angaben des Nationalparks der Jagd mit Schlingfallen jährlich zum Opfer – neben Zebras, Antilopen und manch unglücklichem Raubtier, das in die Falle tappt –, was der Bestand gerade noch so verkraften kann. Sollten aber das Trinkwasserreservoir des Mara-Flusses in der Trockenzeit versiegen, so könnte laut Modellrechnungen die Population der Gnus regelrecht zusammenbrechen.
Im Hintergrund droht zudem das Ewaso-Ng’iro- Wasserkraftprojekt, mit dem Kenia seine chronischen Energieprobleme in der Hauptstadt Nairobi lösen möchte, indem das Mara-Flusssystem mit dem Ewaso Ng’iro (South) verbunden und unterwegs Strom erzeugt werden soll. Das Wasser würde schließlich im Natron-See im Osten münden statt wie bislang im Viktoria-See im Westen – mit ungeahnten Folgen für alle betroffenen Ökosysteme. Bislang besteht das Vorhaben jedoch nur auf dem Papier, wie Borner betont, und es trifft auf den starken Widerstand sowohl der Bevölkerung vor Ort wie auch der tansanischen Regierung. Endgültig zu den Akten gelegt ist es jedoch nicht, sodass die Ökologen ihre grenzüberschreitende Zusammenarbeit zukünftig vertiefen wollen und müssen, um eine Wiedervorlage vielleicht endgültig zu verhindern. Ein internationales Abkommen soll stattdessen die Wassernutzung in der Mara-Region regeln.

Wilderei momentan nicht bedrohlich

Befreiung eines Zebras | Immer noch vorhanden ist dagegen die Wilderei für Fleisch, das in den regionalen und überregionalen Buschfleischhandel geht. Auch hier zeigen regelmäßige Kontrollen gute Wirkung und verhindern die Übernutzung. Manchmal müssen Tiere aber auch aus Fallen befreit werden – wie dieses Zebra.
Ein anderes langwieriges Problem scheint dagegen mittlerweile unter Kontrolle zu sein: Die Wilderei im Park stellt praktisch keine Gefahr mehr für die Tiere dar und ist wie auch in den angrenzenden Schutzgebieten weit von den blutigen 1970er und 1980er Jahren entfernt. Finanzielle Probleme des Staates nötigten damals die Wildhüter zur Reduzierung ihrer Patrouillenfahrten und Überwachungen, sodass sich illegale Jäger nahezu ungestört im Schutzgebiet bewegen konnten. Gleichzeitig stimulierten hohe Preise für Elfenbein und die Hörner von Rhinozerossen die unnachgiebige Verfolgung der Dickhäuter, von denen jeweils nur wenige Exemplare überlebten: rund 500 Elefanten und nicht einmal zwei Dutzend Schwarze Nashörner. Erst als ab 1988 die Kontrolle des Parks wieder verstärkt und der Handel mit Elfenbein gebannt wurde, erlag diese Art der Freibeuterei wieder. Die Bestände der Rüsseltiere erholten sich daraufhin deutlich, jedoch hausen immer noch weniger als hundert Nashörner im Serengeti-Ökosystem – und stehen fast rund um die Uhr unter quasi persönlicher Überwachung.

Nach Untersuchungen von Borner zusammen mit weiteren Wissenschaftlern um Ray Hilborn von der Universität von Washington in Seattle steht die Wiederaufnahme von zehn bis zwanzig Streifengängen pro Tag – verglichen mit sechzig pro Jahr wie Mitte der 1980er Jahre – in direktem Zusammenhang mit dem Rückgang der Wilderei.
"Antiwilderei-Maßnahmen wirken in Schutzgebieten"
(Ray Hilborn)
Seit 1993 liegt deren Ausmaß so niedrig, dass die Bestände von Büffeln und Elefanten deutlich zulegen konnten: "Antiwilderei-Maßnahmen wirken in Schutzgebieten", fasst es Hilborn kurz zusammen.

Latent vorhanden ist dagegen immer noch die Jagd nach Fleisch, bei der es sich aber nach Aussage von Markus Borner überwiegend nicht um eine "In-den-Topf-Wilderei" zum lokalen Verbrauch handele, sondern die durchaus kommerziellen Zwecken dient. Das überwiegend mit Schlingen erlegte Wild wird als "Bushmeat" in der näheren und weiteren Umgebung verkauft. Bis zu 40 000 Gnus fallen dieser Jagd nach Angaben des Nationalparks jährlich zum Opfer – neben Zebras, Antilopen und manch unglücklichem Raubtier, das in die Falle tappt –, was der Bestand gerade noch so verkraften kann.

Gute Aussichten für die Löwen | Insgesamt blickt das Serengeti-Ökosystem einer relativ guten Zukunft entgegen: Die lukrativen Einnahmen aus dem Tourismus – etwa zur Beobachtung von Löwen – überzeugen auch die Menschen der umliegenden Dörfer, dass sich Naturschutz lohnt.
Der Naturschutz setzt deshalb zunehmend auf so genannte Wildlife Management Areas (WMA) außerhalb der festen Parkgrenzen. Sie sollen neben dem Erhalt der traditionellen Wanderwege der Herden der ortsansässigen Bevölkerung ein zusätzliches und vor allem höheres Einkommen verschaffen als der herkömmliche Ackerbau. Denn die Tiere "gehören" bislang niemandem, deshalb wildern viele, wie Borner anmerkt. Mit den WMA haben die Menschen vor Ort jedoch die Möglichkeit, die Natur gewinnbringend für sich einzusetzen, indem sie Qualitätstourismus anlocken. Statt nur 400 Dollar pro Quadratkilometer wie bei Ackerbau und Viehzucht lassen sich so bis zu 600 Dollar erwirtschaften. Die lokale Bevölkerung hätte dann ein echtes Interesse, "ihr" Wild zu schützen. Gleichzeitig hoffen die Naturschützer, mit diesem Konzept die unkontrollierte Zuwanderung an die Parkgrenzen und damit den entsprechenden ökologischen Druck zu verringern, da sich dem nun die Altsiedler zunehmend widersetzen: Zeitweise wuchs die Zahl der Einwohner mit neun Prozent jährlich dreimal so schnell wie im Landesdurchschnitt.

Tourismus die Chance für Mensch und Tier

Generell setzen Naturschützer wie Markus Borner große Hoffnungen auf den Tourismus als lebensnotwendige Hilfe beim Schutz des Ökosystems Serengeti und dessen Biodiversität. Schon heute ist der Fremdenverkehr einer der größten Devisenbringer des Landes, wobei direkte Einkünfte gleich selbst an den Park gehen, der damit konstant in seine Infrastruktur oder Ranger investieren kann. Touren in die Serengeti sind dabei so nachgefragt, dass das Schutzgebiet sogar nicht einmal alle Interessenten bedienen kann. An dieser Stelle kommen wieder die WMA ins Spiel, die diesen Überschuss abschöpfen können und sollen – auch finanziell, denn die Einnahmen sollen den beteiligten Dörfern wo möglich direkt zugute kommen.

Aufpassen und lenken müsse man die Touristenströme aber schon, wirft der Frankfurter Zoologe ein. So wie es bereits in der Serengeti gut organisiert funktioniert. Das Gegenbeispiel ist der nahe Ngorongoro-Krater, in dem es zu viele Betten gäbe und sich zeitweise bis zu 500 Autos auf den 120 Quadratkilometern des Schutzgebiets tummeln: "Es ist weniger ein ökologisches Problem, denn die Tierwelt gewöhnt sich daran. Geparden beispielsweise jagen nun in der Mittagszeit, während der die Touristen ruhen. Der Erlebniswert für die Besucher sinkt jedoch."

Und da der Tourismus zumindest die WMA legitimiert und den Naturschutz mitfinanziert, hängt das Wohl der Serengeti von seinem Fortbestand ab, darf er nicht aus welchen Gründen auch immer zusammenbrechen. Um finanziellen Sorgen vorzusorgen, gilt der Aufbau eines Serengeti-Trusts als eine der obersten Prioritäten für die ZGF und ihre Partner vor Ort.
"Die Natur aber bleibt ewig wichtig für uns"
(Bernhard Grzimek)
Der Fonds soll eines Tages den Park und seine umliegenden Gebiete absichern, wenn das Geld von außen knapp wird – damit auch zukünftig ein Zitat von Bernhard Grzimek gültig bleibt: "Nicht heute oder morgen, aber in drei, vier Generationen werden viele Menschen froh darüber sein, dass sich jemand um die Tiere Sorgen gemacht hat. Die meisten Ziele, für die Menschen leiden und sterben, sind so rasch vergänglich. Die Natur aber bleibt ewig wichtig für uns."

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