Lexikon der Biologie: Kautschuk
Kautschukm, Naturkautschuk, hochmolekularer, ungesättigter sekundärer Pflanzenstoff, der im weißen Milchsaft (Latex) der gegliederten und ungegliederten Milchröhren zahlreicher Zweikeimblättriger Pflanzen vorkommt, während er bei Ezekeimblättrigen Pflanzen, Nacktsamern und Niederen Pflanzen fehlt. Kautschukmoleküle sind 1,4-cis-Polyisoprene (im Gegensatz zu Balata und Guttapercha), deren Kettenlänge zwischen 8000 und 30.000 Isopreneinheiten schwankt (Isoprenoide, Terpene). Die Biosynthese von Kautschuk erfolgt im Latex, der alle erforderlichen Enzyme enthält, durch Kopf-an-Schwanz-Kondensation von aktivem Isopren, wobei die benötigte Energie durch die im Latex ablaufende Glykolyse bereitgestellt wird. Latex enthält neben 30–40% Kautschuk und 55–66% Wasser auch Proteine, Lipide, Kohlenhydrate, Sterine und mineralische Bestandteile (zusammen etwa 5%). Im wäßrigen Serum des Milchsafts liegen die kleinen sphärischen Kautschukpartikel umgeben von einer Proteinhülle (Schutzkolloide zur Verhinderung der Koagulation) in emulgierter Form vor. Eine Funktion von Kautschuk als Speicherverbindung ist umstritten, da es nur schwer mobilisierbar ist. Vermutlich liegt seine Bedeutung in der Wundheilung, wobei Kautschukpartikel durch das den Lectinen ähnliche Protein Hevein quervernetzt werden. Hevein wird bei einer Verletzung der Pflanze aus Lutoid genannten Vesikelstrukturen der Milchröhren freigesetzt und bindet an Glykoprotein-Rezeptoren in den Proteinhüllen der Kautschukpartikel. Obwohl Kautschuk im Milchsaft vieler Pflanzen enthalten ist, z.B. auch in einheimischen Gewächsen wie Gänsedistel und Salatpflanzen (Lattich), eignen sich nur wenige Arten zur Gewinnung von Kautschuk im großen Maßstab. Wirtschaftlich von größter Bedeutung ist Hevea brasiliensis, weitere Kautschuk-Lieferanten sind Manihot glaziovii und Maniok (Wolfsmilchgewächs), Ficus elastica (Maulbeergewächs) und Taraxacum bicorne (Löwenzahn; Korbblütler). Den Kautschuk-haltigen Latex erhält man durch Anritzen der Stämme, ohne das Kambium zu verletzen, wobei der Ertrag bis zu 80 g je Baum und Ernte betragen kann. Der im Milchsaft in emulgierter Form vorliegende Kautschuk wird mit Hilfe verdünnter Säuren (z.B. Ameisensäure, Essigsäure) ausgefällt, anschließend durch erwärmte Pressen geschickt und zu Folien (Bahnen, „Fellen", Crepe) geformt, gelegentlich auch geräuchert (gegen Bakterienbefall) oder nur mit Formalin oder Ammoniak behandelt (als Schutz gegen Gärung). Dieser Rohkautschuk ist in reiner Form ein plastisches Produkt, das jedoch leicht mit Oxidationsmitteln reagiert und bei längerem Lagern durch Kristallisation und Quervernetzung der linearen Makromoleküle verhärtet und spröde wird. Zur Herstellung von Gummi mit hoher Elastizität, Reißfestigkeit und Alterungsbeständigkeit wird der Rohkautschuk zunächst durch Erhitzen und Kneten in Gegenwart von Luftsauerstoff wieder in eine plastische Form gebracht (Mastikation), bevor er mit Schwefel, Füllstoffen (Ruß, Zinkoxid) und Vulkanisationshilfsmitteln vermengt wird. Diese Mischung wird, nachdem sie in Formen gepreßt wurde, durch Erhitzen auf etwa 120 °C behandelt (Heißvulkanisation, erstmals ausgeführt von Goodyear 1838), wobei die Kettenmoleküle des Kautschuks durch Schwefelbrücken vernetzt werden ( vgl. Abb. ). Je nach Schwefelgehalt (2%–30%) erhält man Weichgummi oder Hartgummi (Ebonit). Setzt man bei der Vulkanisation Treibmittel zu, die beim Erhitzen unter N2-Entwicklung zerfallen, entsteht Schaumgummi. Auch verschiedenste Derivate des Kautschuks sind möglich, z.B. Chlorkautschuk. Die Gewinnung von Naturkautschuk ( vgl. Tab. ), die zur Deckung des Bedarfs nicht ausreicht, wird durch die (teurere) Produktion von synthetischem Kautschuk ergänzt, der im Gemisch mit Naturkautschuk oder allein verarbeitet wird, so daß diese Produkte andere Eigenschaften als der Naturkautschuk aufweisen. Die Anwendungsmöglichkeiten für vulkanisierten Kautschuk (Gummi) sind vielfältig. Von der Gesamtproduktion werden 60% für Reifen, die restlichen 40% für technische Gummiformteile verwendet. Bosch (C.), Hofmann (F.C.A.); Kulturpflanzen XII .
E.R./M.B.
Kautschuk
1 Struktureinheit einer gedehnten Gummikette in trans- und cis-Form; 2 Kautschukmolekül mit Vernetzungspunkten, a im wahrscheinlichsten, b im gestreckten Zustand, c Strukturbild der Vernetzung von 2 Molekülen
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