Lexikon der Biologie: RNA-Polymerase
RNA-Polymerasew, DNA-abhängige RNA-Polymerase, Transkriptase, Transcriptase, gewöhnlich aus mehreren Polypeptidketten gebildetes Enzymprotein mit einer relativen Molekülmasse (Mr) von 500.000 und größer, das an einer DNA-Matrize aus Ribonucleosidtriphosphaten RNA (Ribonucleinsäuren) synthetisiert, die zu der Matrize komplementär ist. RNA-Polymerasen katalysieren die Synthese von Ribonucleotiden (Ribonucleosidmonophosphate) aus den 4 Ribonucleosid-5'-triphosphaten ATP (Adenosintriphosphat), CTP (Cytidintriphosphat), GTP (Guanosin-5'-triphosphat) und UTP (Uridin-5'-triphosphat). RNA-Polymerase startet diesen Prozeß während der Initiationsphase (Initiation) an den Promotor-Regionen (Promotor) von DNA. Die RNA-Synthese erfolgt in n Einzelschritten für eine aus nMononucleotiden aufgebaute RNA, wobei bei jedem Einzelschritt dasjenige Ribonucleosid-5'-triphosphat als Substrat eingesetzt wird (Übertragung des Nucleotid-Restes auf das 3'-Ende der wachsenden RNA-Kette und Freisetzung von Pyrophosphat), das komplementär zum codogenen DNA-Strang ist. Das Wachstum der RNA-Kette erfolgt vom 5'-Ende zum 3'-Ende. Während des gesamten Elongations-Prozesses (Elongation) wandern RNA-Polymerasen in der entsprechenden Richtung entlang der Matrizen-DNA und verlassen diese erst nach Fertigstellung der jeweiligen RNA-Ketten (Phase der Termination). RNA-Polymerasen der Prokaryoten sind entwicklungsgeschichtlich mit denen der Eukaryoten verwandt. Alle Arten von RNA werden jedoch von einer RNA-Polymerase synthetisiert.
Die eubakterielle RNA-Polymerase ist ein sehr großes Molekül (Mr = ca. 500.000) und enthält 4 Kern-Untereinheiten α (37.000), β (151.000), β' (155.000) und σ (70.000), wobei 2 Kopien der α-Untereinheit und jeweils 1 Kopie der anderen Untereinheiten zusammengefügt sind. Die RNA-Polymerase hat funktionell verschiedene Orte. Der Initiationsort bindet die Nucleosidtriphosphate, der Polymerisationsort katalysiert die Verknüpfung der Internucleotidbindungen. Das α2-Dimer ist für das assembly der anderen Untereinheiten notwendig und bindet regulatorische Proteine, die β-Untereinheit bindet die Nucleosid-5'-triphosphate und katalysiert die Bildung der Phosphodiesterbindung, die β'-Untereinheit hat DNA-bindende Funktion (sie enthält ein Zink-Finger-Motiv), und die σ-Untereinheit (Sigma-Faktor) dirigiert das Enzym durch spezifische Erkennung der Promotor-Sequenzen an die richtigen Transkriptionsstartstellen. Nach Initiation der Transkription und Synthese eines Tetranucleotids fällt die σ-Untereinheit von der RNA-Polymerase ab und wird durch Elongationsfaktoren (z.B. nusA bei Escherichia coli), die wichtig für Elongation und Termination sind, ersetzt. Übrig bleibt das sog. Core-(Kern-)Enzym (α2ββ'), das allein die RNA-Bildung katalysieren kann. Für spezifische Funktionen der bakteriellen RNA-Polymerasen scheinen jedoch noch weitere Proteinfaktoren von Bedeutung zu sein, z.B. der ψ-Faktor für die Initiation von Promotoren für ribosomale RNA sowie der κ-Faktor und der ρ-Faktor (Rho-Protein) als Terminationsfaktoren (Terminator). Die RNA-Polymerase übt bei der Synthese der RNA also eine ganze Reihe von Funktionen aus: sie sucht die DNA nach Initiationsstellen ab, sie entwindet die doppelhelikale DNA, um eine Matrize herzustellen, sie sucht die richtigen Ribonucleosidphosphate aus und katalysiert die Bildung einer Phosphodiesterbindung, sie entdeckt die Terminationssignale und tritt schließlich mit regulatorischen Proteinen in Wechselwirkung, welche die Geschwindigkeit der Transkription beeinflussen. – In Plastiden existieren zu den eubakteriellen homologe RNA-Polymerasen (Endosymbiontenhypothese). Mitochondriale (Mitochondrien) RNA-Polymerasen zeigen dagegen Ähnlichkeit zu RNA-Polymerasen der Bakteriophagen T3 und T7 (T-Phagen, T7-RNA-Polymerase).
Eukaryotische RNA-Polymerasen sind erheblich komplizierter aufgebaut als die der Prokaryoten. So gibt es für die verschiedenen RNA-Klassen jeweils eigene RNA-Polymerasen, wobei jede aus einer Vielzahl von Polypeptidketten besteht. Bisher sind mindestens 3 RNA-Polymerasen isoliert worden, die sich in ihren Eigenschaften und in ihrer Lokalisation unterscheiden. RNA-Polymerase I ist nucleolär und transkribiert nur die großen rRNA-Gene, wovon beim Menschen ca. 200 Kopien im Genom enthalten sind. RNA-Polymerase II ist nucleoplasmatisch und transkribiert die Gene, deren RNA in Protein translatiert wird (messenger-RNA). RNA-Polymerase III ist für die Transkription einer Reihe kleiner, zum Teil katalytisch aktiver (Ribozyme) RNAs der 5S-rRNA und der transfer-RNAs verantwortlich. Mitunter wird von einer vierten RNA-Polymerase berichtet. Sie ist kleiner als die anderen drei und transkribiert RNA von mitochondrialer DNA; sie wird jedoch durch ein nucleares Gen codiert. Die Spezifität der Enzyme beruht darauf, daß jede Art von RNA-Polymerasen nur die Promotoren erkennt, die mit der bestimmten Genklasse assoziiert sind. Die eukaryotischen RNA-Polymerasen benötigen für die Initiation der Transkription unerläßliche sequenzspezifische Transkriptionsfaktoren. Die genaue Zusammensetzung der Kernbestandteile der eukaryotischen RNA-Polymerasen ist noch nicht bekannt. – Erst in jüngster Zeit wurden Erkenntnisse der räumlichen Gestalt der Hefe-Polymerase II gesammelt, die dem entsprechenden menschlichen Enzym sehr ähnelt. Demnach besteht das Enzym aus 12 Untereinheiten, die auf diversen Chromosomen codiert sind. Nach abnehmender Größe werden sie mit den Buchstaben A bis L gekennzeichnet. Damit ein Gen abgelesen werden kann, müssen sich aber noch rund 60 Helferproteine an die DNA oder an die Polymerase selbst anlegen. Das Enzym weist die Form einer Zange auf, die sich um die abzulesende DNA-Doppelhelix schließt. Da das aktive Zentrum sich auf der Innenseite des Komplexes befindet, benötigt das Enzym Poren, die den RNA-Bausteinen den Zutritt und der wachsenden RNA-Kette den Abgang erlauben. – Hemmstoffe der RNA-Polymerasen und damit der Transkription sind z.B. Rifampicin, Amanitine (Amatoxine), Streptolydigin und Tagetitoxin. RNA-Replikase, RNase-Schutzexperimente, SP6-RNA-Polymerase. Transkription.
P.Z./S.Kl.
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