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Lexikon der Chemie: Schwelung

Schwelung, ein Verfahren der Kohleveredlung, bei dem Braunkohle, Steinkohle, Ölschiefer, Torf und Holz unter Luftabschluß bei Temperaturen von etwa 600 °C (Tieftemperaturentgasung) unter Bildung von Koks zersetzt werden (trockene Destillation), wobei die flüchtigen Bestandteile des Einsatzgutes ausgetrieben und z. T. thermisch gespalten werden.

1) S. von Kohlen.



Schwelung. Abb.: Schema einer Spülgasschwelanlage.

Die S. von Braunkohle, für die sich hauptsächlich solche mit einem Mindestteergehalt von etwa 12 % und einem Aschegehalt von maximal 20 % in der wasserfreien Substanz eignet, erfolgte erstmals 1846 in einer Anlage bei Aschersleben.

Bei der Spülgasschwelung im Lurgi-Spülgasschwelofen (Abb.) werden durch eine Beschickungseinrichtung die Braunkohlenbriketts gleichmäßig auf den gesamten Ofenquerschnitt verteilt. In dem Trockner, der den oberen Teil des Ofens bildet, werden die Briketts in einer Trockenbrennkammer auf etwa 100 bis 120 °C erwärmt, so daß der Wassergehalt von 15 auf 0,5 % sinkt. In der nachfolgenden Schwelzone werden die getrockneten Briketts in einer Schwelbrennkammer von etwa 700 °C heißen Spülgasen umspült und dadurch auf etwa 600 °C erhitzt, so daß sich Entgasungsprodukte (Schwelofengase) bilden. Der bei der S. anfallende Rückstand, der Braunkohlenschwelkoks, wird durch den Koksaustrag aus dem Ofen abgezogen und mittels gasdicht gekapselter Transporteinrichtungen einer Koksalterungsanlage zugeführt. Die aus der Schwelerbrennkammer entweichenden Schwelofengase werden aus dem Schweleraustritt mit einer Temperatur von 240 °C abgesaugt und gelangen zuerst in den Vorkühler, wo sie durch eingespritztes Schwelwasser auf 120 °C abgekühlt werden. Durch die Abkühlung wird ein Teil des Teeres, der Vorkühlteer, kondensiert, gleichzeitig wird der mitgerissene Kohlenstaub ausgewaschen. Im nachfolgenden elektrischen Gasreinigungsapparat (EGR) findet eine Abscheidung des restlichen Teeres statt. Das entteerte Gas tritt nun als Schwelgas in einen Kühler ein. Hier wird das Schwelgas auf 20 °C abgekühlt, wobei das im Gas enthaltene Mittelöl und Schwelwasser kondensieren. In einer Waschkolonne werden die restlichen benzinartigen Kohlenwasserstoffe mit Mittelöl ausgewaschen. Das auf diese Weise gereinigte Schwelofengas geht als Schwelgas zum Ofen zurück, wo es zur Beheizung des Trockners und Schwelers verwendet wird. Da mehr Schwelgas erzeugt wird, als man zur eigenen Beheizung benötigt, kann ein großer Teil des Schwelgases für andere Zwecke abgegeben werden (Überschußgas).

Schwelung. Tab.: Bilanz über einen Lurgi-Spülgasschwelofen mit 500 t Braunkohlenbriketts/Tag.

Produkt Ausbeute in t/Tag
Überschußgas 37
Leichtöl 13
Schwelteer 58
Schwelkoks 235

Bei der Wirbelschichtschwelung nach Collin-Humboldt werden nichtbackende Brennstoffe von 0 bis 3 mm Durchmesser durch heiße Gase geschwelt; die Schwelzeit liegt unterhalb einer Minute, der Durchsatz eines Ofens beträgt mehr als 500 t je Tag. Das Heizgas tritt hierbei mit einer Temperatur von 900 bis 1000 °C ein und mit 180 bis 220 °C aus.

b) Die S. von Steinkohle tritt gegenüber der der Braunkohle sehr in den Hintergrund. Man setzt lediglich solche Steinkohlearten ein, die sich nicht zur Verkokung eignen. Auch hier hat das Spülgasverfahren große Bedeutung.

Produkte der Kohleschwelung. Bei der Kohleschwelung ist der Schwelkoks, bezogen auf Menge und Heizwertanteil, das Hauptprodukt. Er ist neben dem Teer der wichtigste Kostenträger. Beachtlich ist seine große Reaktionsfähigkeit. Der Braunkohlenschwelkoks bildet mattschwarze, poröse, hygroskopische Körner. Der Aschegehalt beträgt etwa 25 %, die Verbrennungswärme etwa 22000 kJ/kg. Um die leichte Selbstentzündlichkeit zu verringern, wird der Braunkohlenschwelkoks mit Wasserdampf gealtert und muß außerdem stets mit 20 % Feuchtigkeit transportiert werden. Man verwendet ihn zur Herstellung von Synthesegas, zur Energieerzeugung (Staubfeuerung in Großkraftwerken) und in geringem Umfang auch als Dauerhausbrand unter der Bezeichnung Grude. Für metallurgische Zwecke ist Braunkohlenschwelkoks nicht geeignet. Der Steinkohlenschwelkoks hat einen Heizwert von etwa 28000 kJ/kg und ist nicht selbstentzündlich. Außer als Dauerhausbrand und als Ausgangsstoff für Synthesegas wird er in der chem. Industrie zur Herstellung von Ferrosilicium und Calciumcarbid, als Reduktionsmittel bei der Zink- und Zinnverhüttung und als Brennstoff für Drehrohröfen verwendet.

Aus dem Schwelwasser, einem unerwünschten Nebenprodukt, werden durch alkalische Wäsche oder nach dem Phenosolvanverfahren Phenol, Cresole und Xylenole gewonnen. Der Schwelteer weist bei einigen Braunkohlearten einen hohen Alkangehalt auf, dagegen enthält der Schwelteer der Steinkohle im allgemeinen relativ hohe Mengen an phenolischen Anteilen, aber nur geringe Alkanmengen (Teer). Die Zusammensetzung des Schwelgases ist vor allem abhängig vom Schwelverfahren.

2) Die S. von Ölschiefer, die nur schlecht verwertbare Rückstände liefert, kann ebenfalls im Lurgi-Spülgasschwelofen (Abb.) vorgenommen werden. Bei einem Untertage-Schwelverfahren wird der Ölschiefer elektrisch beheizt und so viel Luft zugeführt, daß die Verbrennungswärme von einem Teil des Ölschiefers die erforderliche Schweltemperatur aufrechterhält. Hierbei fallen Schieferteer, Schieferöl und Gas an. Schieferteer und -öl werden hauptsächlich zu Treibstoffen, Heizölen und Schmiermitteln verarbeitet. Das Gas ist chemisch minderwertig und dient zu Heizzwecken; der Rückstand kann zu Baustoffen, z. B. Zement, verwendet werden.

3) Bei der S. von Torf ist der hohe Wassergehalt sehr störend. Man muß auf mindestens 30 % Wassergehalt vortrocknen. Der anfallende Schwelkoks ist sehr reaktionsfähig, er hat einen niedrigen Aschegehalt und einen Heizwert von etwa 30000 kJ/kg. Der Schwelkoks enthält etwa 20 % Koksgrus und wird als Ersatz für Holzkohle, als Ausgangsstoff für Aktivkohle, zur Kupfer- und Zinkverhüttung sowie als Vergasungsrohstoff verwendet.

  • Die Autoren
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Fachkoordination:
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Redaktion:
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