Lexikon der Chemie: Thermochemie
Thermochemie, ein Teilgebiet der chem. Thermodynamik, das sich mit dem Wärmeaustausch bei Phasenumwandlungen und chem. Reaktionen befaßt. Ihre Hauptaufgabe besteht in der experimentellen Bestimmung der Reaktions-, Phasenumwandlungs- und Mischungswärmen, ihrer Verknüpfung mit den Zustandsgrößen des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik, ihrer Systematisierung und der Nutzung dieser Daten zur Vorausberechnung kalorischer Effekte.
1) Bei Phasenumwandlungen treten stets, bei Mischungsvorgängen in der Regel energetische Änderungen auf. Chem. Reaktionen sind neben dem Stoffumsatz gleichzeitig mit einem Energieaustausch verbunden. Vorgänge, bei denen Energie nach außen abgegeben wird, bezeichnet man als exotherm, solche, bei denen Energie verbraucht wird, als endotherm. Wärmemengen exothermer Vorgänge erhalten negative, solche endothermer Vorgänge positive Vorzeichen (Vorzeichenkonvention der Thermodynamik).
2) Bei Vorgängen, die irreversibel, d. h. ohne Austausch von nutzbarer elektrischer oder mechanischer Arbeit durchgeführt werden, stellen die auftretenden Prozeßwärmen Änderungen der inneren Energie ΔU dar, wenn sie bei konstantem Volumen ablaufen. Bei isobaren Prozessen sind es Änderungen der Enthalpie ΔH. In der T. ist es üblich, die Wärmen für die Stoffmenge 1 mol, bei Reaktionen für 1 mol Formelumsätze anzugeben. Beispiele sind die molaren Phasenumwandlungswärmen ΔPH, die molaren Mischungswärmen ΔMH oder die molaren Reaktionsenthalpien ΔRH und -energien ΔRU (Reaktionswärme).
Da Absolutwerte der inneren Energie und der Enthalpie nicht bekannt sind, wird als Konvention der Standardzustand festgelegt. Das ist der Zustand des reinen Stoffes bei 101,325 kPa (1 atm) und 298,15 K (25 °C). Die molaren Energien und Enthalpien der Elemente in ihrer stabilen Form (Aggregatzustand, Modifikation) werden Null gesetzt. Die Reaktionswärme, die bei der Bildung von 1 mol einer chem. Verbindung aus den Elementen unter Standardbedingungen auftritt, wird als molare Standardbildungsenergie ΔBU0298 oder -enthalpie ΔBH0298 bezeichnet. Standardbildungsenthalpien und -energien können anstelle der unbekannten absoluten Enthalpie- und Energiewerte bei allen thermochemischen Rechnungen benutzt werden und sind deshalb in Datensammlungen zusammengestellt. Umrechnungen auf andere Temperaturen können mit dem Kirchhoffschen Gesetz, auf andere Drücke und Volumina mit der kalorischen Zustandsgleichung erfolgen. Schwieriger ist die Berechnung von Reaktionswärmen in realen Mischungen oder Lösungen aus den Standardgrößen. Sie erfordert zusätzlich die Kenntnis der Mischungs- bzw. Exzeßgrößen oder der partiellen molaren Energien bzw. Enthalpien.
4) Aufgrund des Energieerhaltungssatzes ändert sich bei der Umkehr der Richtung eines Vorganges nur das Vorzeichen, nicht der Betrag der damit verknüpften Energieänderung. Die Angabe molarer Reaktionsenthalpien und -energien ist folglich nur in Verbindung mit der Reaktionsgleichung eindeutig, da die Richtung der Reaktion, das Vorzeichen und die Wahl der stöchiometrischen Koeffizienten die Größe von 1 mol Formelumsätze und damit den Betrag der Energie festlegt.
Für Reaktionen, die über mehrere Teilschritte verlaufen, gilt der Heßsche Satz.
5) Die experimentelle Bestimmung thermochemischer Größen erfolgt mit Hilfe der Kalorimetrie. Standardbildungsenthalpien werden vorwiegend aus Verbrennungs- und Fluorierungswärmen berechnet.
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