Lexikon der Neurowissenschaft: Erziehung
Erziehungw, Eeducation, externe zeitweilige bis lebenslange Einflußnahme auf Entwicklungs- und Verhaltensprozesse. Die psychologisch-pädagogische Sichtweise (Psychologie) i.e.S. spricht von einer absichtlichen, geplanten und somit zielorientierten Einwirkung auf einen jungen Menschen zum Zweck der Unterweisung des Willens (Charakter und Gesinnung; Persönlichkeit und Personalität, Willensfreiheit). – gegenübergestellt dem Begriff Unterricht, um eine Unterweisung des Verstands abzugrenzen (Lehren). Umfassender wird unter Erziehung das helfende Handeln Älterer an Jüngeren mit dem Ziel der eigenverantwortlichen Lebensführung verstanden und schließlich jedes soziale Handeln, das beim Sozialpartner Dispositionen in einer als positiv bewerteten Richtung beeinflußt, stabilisiert oder zum Besseren verändert. Entwicklungsforscher bereichern den Erziehungsbegriff vermehrt durch die hervorgehobene Bedeutung von a) auf Entwicklungszeitfenster konzentrierten Impulsen, b) auf biologisch bedingte Strategien zum Erfahrungserwerb abgestimmten Stimulationen und Reizangeboten sowie c) auf Eigeninitiativen antwortenden Informationen zur Erhöhung der Lernbereitschaft. Während bislang das zu erziehende Lebewesen eher in passiver und geführter Position gesehen wurde, werden immer mehr Elemente einer individuell gestalteten aktiven Erfahrungssuche betont, die bis zur Vorstellung einer Erziehung aus eigenem Antrieb reicht. Hierunter wird z.B. die Selbsterziehung zu Compliance und Gehorsamsbereitschaft aufgrund erlebter Anerkennung, Zugehörigkeitsgefühl und Konsequenz bei Verboten, gefolgt von Einsicht als Anreger und Lenker sozialen Verhaltens verstanden (soziales Lernen). Erziehung spielt sich in der Wechselbeziehung zwischen lernendem Individuum und erziehender Umwelt ab. Erziehung widerfährt keinem Individuum, es ist an seiner Erziehung selbst beteiligt, indem es genetisch prädisponiert Umwelten aufsucht, verändert oder gestaltet (Organismus-Umwelt-Beziehungen). Verhaltensauffälligkeiten eines Kindes sind nicht nur die Folge eines negativen Erziehungsverhaltens der Eltern, sondern sie bedingen dieses selbst auch entscheidend mit. Verhaltens- und emotionale Probleme im Alter von 3 Lebensmonaten führen zu einer Verschlechterung des Erziehungsverhaltens der Eltern im Alter von 2 Jahren. Das durch die Verhaltensprobleme des Kindes negativ veränderte Erziehungsverhalten führt seinerseits zu einer weiteren Vermehrung der Verhaltens- und emotionalen Probleme im Alter von 41/2 Jahren. Höchst kontrovers wird der jeweilige Anteil genetischer Ausstattung, elterlichen Erziehungsstils und Einflüssen der Geschwister, Peergroup, Nachbarschaft und Schule auf den Erziehungsverlauf und somit auf die Entwicklungsbedingungen diskutiert. Lernen, nichtgeteilte Umwelt.
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