Lexikon der Neurowissenschaft: Thurstone-Gesetz
Thurstone-Gesetz, E Thurstone's law, ein auf Überlegungen G.T. Fechners zum Paarvergleich aufbauender und von L.L. Thurstone 1927 ausgearbeiteter Ansatz einer Beschreibung des Wahrnehmungsverhaltens ohne Bezug auf objektive Reizgrößen, im Gegensatz zum Weber-Gesetz, das Sinnesleistungen ausschließlich durch Reizintensitäten, also objektive Größen, bestimmt, und zum Fechner-Gesetz, das subjektive Größen zu objektiven in Beziehung setzt. Bei dieser rein psychometrischen (Psychometrie) bzw. intraphänomenalen Erfassung von Sinnesleistungen wird anstelle des Zusammenhangs zwischen Reiz und Wahrnehmung das Beurteilungsverhalten bei n-facher Wiederholung eines Vergleichs zweier Objekte (i, j) untersucht. Dabei ergibt die wiederholte Darbietung nicht immer den gleichen Wert, vielmehr streuen (fluktuieren) die Werte um einen Mittelwert. Je geringer der wahrgenommene Unterschied zwischen zwei Objekten i und j ist, desto häufiger kommen Verwechslungen vor, d.h., die Versuchsperson hält z.B. bei i >j den kleineren Reiz j für den größeren und umgekehrt. Die Verwechslungswahrscheinlichkeit p kann in Prozent Richtig-Entscheidungen P gemessen werden (p = P/100). Werden zwei Reizobjekte als gleich wahrgenommen, so werden diese gleichhäufig verwechselt (i >j und i< j in je 50% der Fälle). Wird dagegen ein Unterschied gerade eben (d.h. in 50% der Fälle) erkannt und demnach i >j in 75% der Paarvergleiche angegeben, so handelt es sich um einen eben merklichen Unterschied. Der Proband macht also relative Größenangaben. Diese Angaben über die Größenbeziehungen zwischen Objekten werden unter Annahme der Normalverteilung N (μ, σ) zu den jeweiligen Mittelwerten und Standardabweichungen in Beziehung gesetzt. Ist zij die Normalabweichung (entsprechend der relativen Häufigkeit pij) und rij die Korrelation (Statistik) zwischen den Paaren (di, dj), so leitet sich aus dem Thurstone-Gesetz der wahrgenommene Größenunterschied μi – μj (bzw. die Größenbeziehung zwischen den Objekten i und j bezüglich der Parameter μ und σ) wie folgt ab:
μi – μj = zij(σi2 +σj2- 2rijσiσj)0,5
Zur Schätzung der Parameter werden oft vereinfachende Annahmen gemacht, d.h., die Ergebnisse von Paarvergleichs-Experimenten werden unter Annahme gleich großer Standardabweichungen (σi = σj) und unkorrelierter Fluktuationen (rij =0) bereits recht gut beschrieben. Die durch die Gleichung erfaßten Fluktuationen des Urteilsverhaltens lassen sich nachrichtentechnisch als Rauschen und sinnesphysiologisch als Schwankungen der Membranpotentiale von Sinneszellen sowie nachgeschalteter Nervenzellen deuten, deren Gesamtwirkung die Sinnesleistungen gemäß dem Thurstone-Gesetz limitieren.
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