Lexikon der Biologie: Echinococcus
Echinococcus m [von *echino –, griech. kokkos = Kern, Beere], Gattung der Bandwurm-Ordnung Cyclophyllidea mit den auch für den Menschen bedrohlichen Arten Echinococcus granulosus (Blasen- oder Hundebandwurm) und Echinococcus multilocularis. Beide sind dadurch gekennzeichnet, daß sie zu den wenigen Bandwürmern gehören, die einen Generationswechsel (Metagenese) durchlaufen, bei dem die adulten Tiere sich sexuell im Endwirt fortpflanzen und die asexuelle Phase auf dem Finnenstadium im Zwischenwirt stattfindet. Echinococcus granulosus ist weltweit verbreitet, Echinococcus multilocularis in Deutschland, der Schweiz, Rußland, Nordamerika und Uruguay. Die geschlechtsreifen, höchstens 5 mm langen und nur aus wenigen (3–4) Proglottiden bestehenden Bandwürmer leben im Darm von Carnivoren: Echinococcus granulosus ( vgl. Abb. ) vor allem im Hund, Echinococcus multilocularis in Fuchs und Katze, seltener im Hund. Zwischenwirte sind normalerweise für Echinococcus granulosus Wiederkäuer (Schafe, Ziegen, Rinder), für Echinococcus multilocularis Nager (Mäuse, Ratten; Bisamratte). Irrtümlich und somit als Fehlzwischenwirt kann auch der Mensch befallen werden ( vgl. Abb. ). Tier und Mensch infizieren sich oral mit den Bandwurmeiern, die bei beiden Arten im Kot der Endwirte ausgeschieden werden und dabei auch in ihr Fell geraten. Die Eier des Fuchsbandwurms werden auch durch Verzehr von infizierten Waldbeeren, Pilzen und Fallobst aufgenommen. In den Eiern ist bereits eine Hakenlarve(Oncosphaera) entwickelt. Sie wird im Darm des Zwischenwirts frei, durchdringt nach etwa 12 Stunden die Dünndarmwand und gelangt über die Pfortader in die Leber. Hier setzen sich die meisten Oncosphaeren fest, während die anderen mit dem Blutstrom in Lunge, Gehirn, Bauchspeicheldrüse, Knochen oder gar ins Auge verschleppt werden. In jedem Fall wachsen sie zu einer Finne heran, bei Echinococcus granulosus zu einer uniloculären Cyste, auch Hydatide genannt, bei Echinococcus multilocularis zu einem weitverzweigten Schlauchsystem, das man als multiloculäre oder alveoläre Cyste bezeichnet. Auf diesem Stadium findet durch die asexuelle Fortpflanzung eine beachtliche Vermehrung statt. Die Hydatide von Echinococcus granulosus wächst in dem befallenen Organ auf Kinderkopfgröße heran und ist allein schon hierdurch lebensgefährdend. In die vom Wirt durch Bindegewebe abgekapselte und von einer hellen Flüssigkeit erfüllten Blase werden von einer Keimschicht der Blasenwand Brutkapseln oder Tochterblasen abgeschnürt, in denen sich die Köpfe der künftigen Bandwürmer, die Protoscolices, entwickeln. Wird die Hydatide verletzt, können die frei werdenden Tochterhydatiden im gleichen Wirt zu neuen Blasen heranwachsen. Daher muß bei Operationen die Hydatide vollständig und unversehrt entfernt werden. Die multiloculäre Cyste von Echinococcus multilocularis besteht aus zunächst soliden Schläuchen, die dann hohl werden und nach innen und außen Brutkapseln bilden. Dadurch wird das Wirtsgewebe schwammartig durchwuchert, weshalb multiloculäre Cysten durch Operationen meist nicht gänzlich beseitigt werden und so zum Tod des Wirts führen können. Die durch Echinococcus hervorgerufene Krankheit wird als Echinokokkose (Echinococcose, Echinokokkenkrankheit, Blasenwurmkrankheit) bezeichnet. Auch wenn der Mensch als extremer Fehlwirt gilt, weil die Larven sich aufgrund seiner Immunabwehr meist nicht weiterentwickeln, wird die Echinokokkose von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) doch als "die gefährlichste Parasitose des Menschen in Mitteleuropa" bezeichnet. Da die Leber kein Schmerzempfinden besitzt, wird der Befall erst nach vielen, gegebenenfalls 10–15 Jahren bemerkt, wenn die Larven das Leberparenchym, einem Tumor gleich, durchwuchern. Obwohl es immer noch kein zielsicheres Medikament gegen die Larven gibt, ist die Krankheit, dank wirksamer Operationstechniken, nicht unbedingt tödlich. Da in Deutschland die Zahl der Füchse – wohl im wesentlichen durch die Impfungen gegen Tollwut – beträchtlich zugenommen hat, ist auch die Zahl infizierter Tiere entsprechend angestiegen. Bundesländer, in denen der Fuchsbandwurm früher gar nicht bekannt war, wie in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen, sind hinsichtlich der Infektionsgefahr heute mit den klassischen Verbreitungsgebieten Bayern und Baden-Württemberg so gut wie gleich zu setzen. Folglich ist beim Umgang mit solchen als Endwirt in Frage kommenden lebenden oder toten Tieren äußerste Vorsicht, beim Verzehr obengenannter Waldfrüchte entsprechende Hygiene (insbesondere Waschen oder Abkochen) geboten.
D.Z.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.