Lexikon der Biologie: Manipulation
Manipulationw [von latein. manipulus = eine Handvoll, Bündel, i.w.S. Handgriff, Kunstgriff, Machenschaft; Verb manipulieren], in der Grundbedeutung Eingriff in die Natur bzw. in einen ungestörten, „natürlichen“ Vorgang. Als Manipulation primär natürlicher Gegenstände, z.B. von Steinen, Holz usw., zu Werkzeugen (Werkzeuggebrauch), allgemein als Anverwandlung von Natur zu Kultur ist „Manipulation“ neutral besetzt. In dem Begriff Genmanipulation kommt, oft nur unbewußt, die ablehnende Haltung des Sprechers zu dieser Technik zum Ausdruck (neutral: gentechnisch verändert, z.B. gentechnisch veränderter Organismus; Gentechnologie). – In der Zoologie wird der Begriff vor allem im evolutiven Kontext gebraucht: Beeinflussung eines Lebewesens durch ein anderes Lebewesen zugunsten (der Fitness) des Beeinflussenden (Adaptationswert). Hier hat vor allem der Wechsel von der gruppen- zur gen-/individualselektionistischen Sichtweise zahlreiche neue Bereiche zutage gefördert, in denen Manipulation zwischen Organismen zu erwarten ist. 1) Evolution der Signalgestaltung in der Kommunikation (Information): Im Gegensatz zur traditionellen Sichtweise geht eine moderne Hypothese zur Evolution von Signalen davon aus, daß es Fälle gibt, in denen der Sender mit dem Signal (Signalreiz; Auslöser, Auslösemechanismus) das Verhalten des Empfängers (Adressat) zum einseitigen Vorteil des Senders verändern kann, sofern der Empfänger aufgrund evolutionärer Entwicklungen zunächst auf das Signal so reagiert, daß auch er Vorteile daraus zieht, sonst wäre die „Bedeutung“, die der Empfänger dem Verhalten eines Senders beimißt, nicht entstanden (Ritualisierung). Dieser Manipulation durch den Sender versucht der Empfänger (unbewußt im Rahmen von Mutation und Selektion) zu widerstehen, was den Empfänger dazu bringt, seine Wahrnehmung oder/und seine Signale zu verändern. Wenn Sender und Empfänger aus der Kommunikation Vorteile ziehen, dann kommt es zur Coevolution von Schlüsselreiz beim Sender und AAM (angeborener auslösender Mechanismus) beim Empfänger, wenn nicht, dann ist ein coevolutives „Wettrüsten“ (Coevolution, evolutive Wettläufe) der Verhaltensweisen und Signale die Folge. 2) Evolution von Altruismus (nach R. Dawkins 1982): Eine der 4 Hypothesen zur Evolution von kooperativem Verhalten (Kooperation) erklärt Fälle von echtem Altruismus mit der Manipulation des Donors des altruistischen Verhaltens (z.B. Brutfürsorge) durch den Empfänger (fremdes Junges, konkurrierendes Weibchen; Konkurrenz). Beispiele finden sich beim zwischenartlichen wie beim innerartlichen Brutparasitismus (z.B. Kuckucke, Stare). 3) Evolution von Eusozialität der Hymenopteren (Hautflügler; Arbeitsteilung, staatenbildende Insekten): Eusozialität könnte entstanden sein, weil auf Königinnen aufgrund der haplo-/diploiden Geschlechtsbestimmung bei staatenbildenden Insekten ein größerer selektiver Druck wirkte, ihre Töchter dahingehend zu manipulieren, im Nest bei der Aufzucht der Geschwister zu helfen und auf eigenen Nachwuchs zu verzichten, als auf die Töchter, das Nest zu verlassen und eigene Nachkommen zu züchten (Hypothese der elterlichen Manipulation; R. Alexander 1974). 4) Eltern-Nachkommen-Konflikt (Eltern-Kind-Konflikt): Eltern und ihre Nachkommen sollten versuchen, sich gegenseitig so zu manipulieren, daß sie mehr Ressourcen von den jeweils anderen erhalten, als diese bereit sind zu geben. (R. Trivers 1974, Alexander 1974). attraktives Verhalten, Automanipulation, Elterninvestment, Elternmanipulation, innerartliche Täuschung, kulturelle Evolution, Laser-Mikro-Manipulation, List, Machiavellistische Intelligenz, Massentierhaltung, Mimikry, Soziobiologie, Täuschungsverhalten.
M.A./T.Schm./G.M.
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