Lexikon der Biologie: Mensch
Mensch, Homo sapiens, Art der Säugetiere aus der Ordnung Primaten. Von C. von Linné bereits in der 1. Auflage seiner „Systema naturae“ als Gattung Homo mit den Affen in der Gruppe Anthropomorpha vereint und in der 10. Auflage (1758) als Art Homo sapiens beschrieben und in die Ordnung Primates (Primaten, Herrentiere) eingereiht, wo sie heute meist noch als einziger lebender Vertreter der Familie Hominidae (Euhomininae) klassifiziert wird ( vgl. Abb .). Vor allem genetische Vergleiche zeigen jedoch, daß die Art biologisch in die Gruppe der afrikanischen Menschenaffen einzuordnen ist. Der Mensch stammt mit den Menschenaffen von gemeinsamen Ahnen ab (Hominisation, Paläanthropologie) und verfügt daher u.a. über Eigenschaften, die ursprünglich Anpassungen an eine baumbewohnende (arboricole) Lebensweise darstellen. Dazu gehören u.a. die Greifhand (Hand) und die nach vorne verlagerten, einander genäherten Augen, die eine fast völlige Überschneidung der Sehfelder (Blickfeld, Gesichtsfeld) und dadurch ein gutes räumliches (stereoskopisches) Sehen (binokulares Sehen, Stereoskopie) ermöglichen. Beides waren u.a. wichtige Voraussetzungen dafür, die Umwelt zu „manipulieren“ und dadurch auch Werkzeuge herzustellen (Erfinden, Manipulation, Werkzeuggebrauch) – eine der biologischen Grundlagen für die kulturelle Evolution des Menschen (Kultur, Mem). Im Gegensatz zu den übrigen Primaten ist der Mensch durch seinen permanent aufrechten Gang (Bipedie, Biomechanik) gekennzeichnet, wodurch die Hände frei zum „Handeln“ werden. Weitere wesentliche Unterschiede, die den Menschen von den Menschenaffen unterscheiden, sind u.a.: Reduktion im Gebiß (Zähne), vor allem wesentliche Verkleinerung des Eckzahns (vielleicht, weil er als Waffe durch Werkzeuge „ersetzt“ wurde; Eckzähne) und dadurch lückenloser Zahnbogen; damit im Zusammenhang Verkürzung des Kiefers (Orthognathie [orthognath] statt starker Prognathie [prognath]), deutliche Reduktion des Haarkleids („Nacktheit“), starke Vergrößerung des Gehirns (Encephalisationsquotient, Gyrifikation; vgl. Tab. ; Gehirn IGehirn II ). Dieses ermöglicht u.a. das hohe Lernvermögen des Menschen (Lernen) und die Entwicklung seiner geistigen und intellektuellen Fähigkeiten (Denken, Geist, Intelligenz, Leib-Seele-Problem). Dazu gehört als typisch menschliche Eigenschaft der Besitz einer Symbole benutzenden Lernsprache (Sprache). Als spezifische Eigenschaft, die im Zusammenhang mit den geistigen Fähigkeiten steht, ist die große Wanderaktivität der Art Homo sapiens zu sehen, die zu ihrer Verbreitung über die gesamte Erde geführt hat (Kosmopolit; Ethnologie; Menschenrassen [Abb.]). Die kulturelle Evolution (einschließlich der materiellen Kultur = Technik) hat den Menschen darüber hinaus zur individuenreichsten Art der Primaten werden lassen, die unter den verschiedensten ökologischen Bedingungen (als Ubiquist) zu leben vermag. Wegen seiner geistigen Fähigkeiten und des Vermögens zur Selbst- und Welterkenntnis (Bewußtsein, Erkenntnis, Erkenntnistheorie und Biologie) und seine Umwelt zu verändern, wird der Mensch oft als das höchst entwickelte Lebewesen (Leben) auf der Erde angesehen. Die Einseitigkeit dieser Betrachtung sollte bei biologischen Vergleichen bewußt sein. Den Menschen deshalb aus der übrigen Natur herauszuheben, ist wissenschaftlich und ethisch fragwürdig. – Unter biologischem Aspekt (Biologie) ist der Mensch Forschungsgegenstand der Anthropologie oder Anthropobiologie (Anthropometrie, Genomprojekt, Humanbiologie, Humangenetik, Human Genome Diversity Project), unter dem Aspekt von Gesundheit und Krankheit Objekt der medizinischen Wissenschaften (Biomedizin, Ethnomedizin, Evolutionsmedizin, Medizin, Medizinmeteorologie, Naturheilkunde, Verhaltensmedizin). Sein Verhalten ist Gegenstand der Psychologie und – soweit es sich um dessen biologische Grundlagen handelt – auch der Verhaltensforschung (Ethologie, Ethologie [Geschichte der], Humanethologie). Die sich aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben (Gruppe, Massengesellschaft, Stadtökologie, traditionale Kulturen, Urbanisierung) ergebenden Aspekte erforschen die Gesellschaftswissenschaften (Soziologie, Soziobiologie). Anthropogeographie, Australopithecinen [Abb.], Homo sapiens, Humanität, Humanökologie, Humanontogenese, Humanwissenschaften, Ökologie; Mensch IMensch II .
G.O./U.K.
Lit.:Brockhaus-Redaktion (Hrsg.): Brockhaus. Mensch, Natur, Technik. Phänomen Mensch. Mannheim 1999. Cavalli-Sforza, L.L.: Gene, Völker und Sprachen. Die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation. München 1999. Mörike, K.D. et al.: Biologie des Menschen. Wiesbaden 2001. Schmidt R.F., Thews, G., Lang, F.: Physiologie des Menschen. Heidelberg 2000.
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