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Lexikon der Psychologie: Freizeit

Freizeit, hat inzwischen eine große Variationsbreite, was sich in einer unübersehbaren Anzahl von Freizeitdefinitionen, aber auch in der großen Beliebigkeit des Freizeitphänomens widerspiegelt. Die "negativen Freizeitdefinitionen", die Freizeit als das verstehen, was nach der Arbeit und nach Abzug von Schlaf, Essen, Wegezeiten etc. übrig bleibt und Freizeit damit als sekundär ansehen, sind im Zuge der Entwicklungsdynamik der Freizeit in den fortgeschrittenen Gesellschaften von den sog. "positiven Freizeitdefinitionen" abgelöst worden. Die strenge Abgrenzung von Arbeit und Freizeit wird bei diesen Definitionen aufgehoben und die subjektive Sichtweise von Freizeit stärker betont. Intrinsische Aspekte rücken für die Bestimmung dessen, was Freizeit ist, in den Vordergrund. Entsprechend stehen bei den "positiven Freizeitdefinitionen" Bedeutung, Inhalt, Motive, Funktionen sowie Erlebensweisen von Freizeit im Zentrum der Betrachtung und werden im Kontext von Entfaltungsmöglichkeiten, Emanzipation, Integration und/oder subjektiven Willensentscheidungen definiert und nicht mehr als Restkategorien begriffen.
Freizeit ist zum Merkmal der Lebensqualität geworden und gilt insbesondere als Maßstab für den persönlichen Freiheitsgrad und die Teilhabe am sozialen Leben. Freizeit beinhaltet nicht nur Vergnügen, Unterhaltung und Abschalten von der Arbeit, sondern auch Bildung, politisches und soziales Engagement sowie Gesundheitsorientierung (Gesundheitsverhaltensmodelle). Entsprechend ist heute der Freizeitbegriff wenig eindeutig: Freizeit ist das, was der Einzelne für sich darunter versteht, Freizeit kann alles sein. Arbeit und Freizeit sind keine trennscharfen Lebensbereiche mehr: Arbeit kann zur Freizeit und Freizeit zur Arbeit werden. Die subjektive Wertschätzung der Freizeit, die verfügbaren Zeitbudgets und die Investition der Individuen in die Freizeit haben in den letzten 50 Jahren einen enormen Anstieg erfahren. Die Freizeitinfrastruktur ist gleichzeitig ständig ausgebaut worden. Basis für diese Sachverhalte ist, daß die Arbeitszeit trotz wirtschaftlicher Krisen immer kürzer geworden ist und die Einkommen stetig angestiegen sind. ( Abb. )

Freizeit hat sich von der überwiegend reinen Erholungs- und Konsumzeit der 50-er bis 70-er Jahre zu einer auf Erlebnis und Genuss ausgerichteten Zeit gewandelt; die Suche nach immer neuen Reizen, Herausforderungen und die Herausbildung gesteigerter Ansprüche sind die Folge. Freizeit ist heute der Raum, in dem die Menschen ihre Lebensstile und Ordnungsdimensionen für ihren Alltag entwickeln und sich selbst verwirklichen wollen. Freizeit ist damit nicht mehr länger der Rest, der nach der Arbeit übrig bleibt, sondern ein eigenständiger und zentraler Teil des Lebens. Die Folge dieser Entwicklung ist, daß sich in fortgeschrittenen Gesellschaften ein ausdifferenziertes Freizeitsystem herausgebildet hat. Die wesentlichen Elemente eines Freizeitsystems sind die Existenz eines allgemeinen Rechts auf Freizeit, die weitgehende Inklusion der Mitglieder einer Gesellschaft in die Leistungen der einzelnen Teilbereiche des Freizeitsystems (Kultur, Sport, Medien, Tourismus), Unterhaltung durch eine wie auch immer geartete Freizeitpolitik, das Vorhandensein eines hinreichend großen Freizeitmarktes mit öffentlichen und privaten Freizeitanbietern, die Akzeptanz des Berufs- und Tätigkeitsfeldes Freizeit sowie die Etablierung von Freizeitwissenschaft mit den Möglichkeiten der Aus-, Fort- und Weiterbildung für dieses Berufs- und Tätigkeitsfeld und der Herausbildung von entsprechenden Freizeitberufen.

W.To.



Abb. Freizeit. Trend der täglichen Zeitverteilung.

  • Die Autoren
Gerd Wenninger

Die konzeptionelle Entwicklung und rasche Umsetzung sowie die optimale Zusammenarbeit mit den Autoren sind das Ergebnis von 20 Jahren herausgeberischer Tätigkeit des Projektleiters. Gerd Wenninger ist Mitherausgeber des seit 1980 führenden Handwörterbuch der Psychologie, des Handbuch der Medienpsychologie, des Handbuch Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz sowie Herausgeber der deutschen Ausgabe des Handbuch der Psychotherapie. Er ist Privatdozent an der Technischen Universität München, mit Schwerpunkt bei Lehre und Forschung im Bereich Umwelt- und Sicherheitspsychologie. Darüber hinaus arbeitet er freiberuflich als Unternehmensberater und Moderationstrainer.

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