Jahresrückblick: Hitzig
Der Klimawandel und seine Bekämpfung: Mit dem IPCC-Bericht begann das Jahr, mit der Bali-Konferenz endete es, und dazwischen gab es den Friedensnobelpreis. Daneben wuchsen die Roten Listen, die Museumsbestände an Fossilien und das Wissen über die inneren Kräfte der Erde.
2007 hat wider Erwarten doch nicht den Sprung ganz oben auf das Treppchen geschafft. Das vergangene Jahr wird wohl "nur" als bislang fünft- bis siebtwärmstes seit Beginn moderner Aufzeichnungen in die Annalen eingehen – obwohl Meteorologen im Januar prophezeit hatten, dass die nächsten zwölf Monate einen neuen Rekord aufstellen könnten. Doch der verbleibt nun weiterhin beim Jahr 1998, das einen sehr starken El Niño erlebte, welcher generell weltweit die Temperaturen nach oben treibt. Seine kalte Schwester La Niña – verursacht durch eine Abkühlung im Pazifik – bestimmte dagegen den letzten Sommer und machte den Wissenschaftlern einen Strich durch die vorläufige Rechnung.
Insgesamt bestätigt 2007 mit einem weltweiten Plus von rund 0,4 Grad Celsius über dem langjährigen Mittel einen Trend: den zu einer heißeren Erde. Denn zwölf der 13 wärmsten der vergangenen 130 Jahre liegen im Zeitraum zwischen 1994 und 2007, und Schuld daran hat der Energieverbrauch der Menschheit. Nur noch eine sehr kleine Minderheit an Wissenschaftlern widerspricht der These, dass der Klimawandel von den ungeheuren Mengen Kohlendioxid oder Methan verursacht wird, die täglich Kraftwerke, Auspufftöpfe oder brennende Regenwälder in die Atmosphäre pusten.
Indikation und Kontraindikation
Möglicherweise übertrifft die Realität sogar alle Prognosen, wie Wissenschaftler um Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung warnen: Kohlendioxid-Werte, Temperaturen und Meeresspiegel stiegen während der letzten fünf Jahre kräftiger, als zu Beginn des Jahrtausends prognostiziert wurde. Außerdem legte der gesamte CO2-Ausstoß der Menschheit seit Beginn des neuen Jahrtausends dreimal so schnell zu wie im Jahrzehnt zuvor: Während in den 1990er Jahren die Emissionen jährlich durchschnittlich um 1,1 Prozent anstiegen, kletterten sie seit dem Jahr 2000 auf 3,1 Prozent.
Eisschwund
Grönlands Gletscher schmelzen jährlich um hundert Gigatonnen ab, weil sie durch die wärmeren Lufttemperaturen tauen oder schneller ins Meer strömen. Der arktische Frühling zieht deutlich zeitiger ein als früher: Je nach Art und Region blühen Pflanzen oder brüten Vögel zwei bis vier Wochen eher. Zugleich wiesen John Smol von der Queen's-Universität und Marianne Douglas von der Universität von Alberta in Edmonton nach, dass allein in Kanada und Alaska in den letzten Jahren weit über tausend Seen einfach verdampft sind oder wegen tauenden Permafrosts versickerten – Gewässer, die über Tausende von Jahren bestanden.
Eine weitere deutsche Forschungseinrichtung – das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar – wiederum entkräftete Befürchtungen, der Golfstrom könne wegen des ganzen Schmelzwassers im Nordatlantik seine wärmende Kraft für Europa verlieren. Nach Langzeitmessungen schwanken die Wassermengen des Stroms vor der kanadischen Küste innerhalb von Wochen und Monaten stark, doch gebe es keine dramatischen langfristigen Trends, die auf seine Abnahme hinwiesen, melden die beteiligten Forscher. Ins gleiche Horn stießen Stuart Cunningham vom National Oceanography Centre in Southampton und seine Kollegen: Die im Golfstromsystem ausgetauschten Wassermengen zwischen den Tropen und dem Nordatlantik variieren regelmäßig im Jahresverlauf um den Faktor 8. Zuvor gemeldete Abschwächungen der Zirkulation, die warmes Oberflächenwasser nach Norden und kaltes Tiefenwasser nach Süden transportiert, dürften deshalb wohl eher auf die bislang mangelhafte Datenbasis zurückzuführen sein.
Was tun?
Die Ozeane wiederum könnten an der Grenze ihrer Aufnahmekapazität angelangt sein, befürchtet Josep Canadell vom Global Carbon Project im australischen Canberra. Sein Team bilanzierte, dass in den Meeren rund um die Antarktis mehr Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben wird, weil stärkere Stürme die Ozeane weiter südlich als zuvor aufwühlen. Insgesamt sinkt dadurch die CO2-Menge, die auf diese Weise der Atmosphäre entzogen wird. Auch die oft gewünschte Eisendüngung auf hoher See, durch die mehr Algen wachsen sollen, scheint nicht so Erfolg versprechend, wie es sich Forscher wünschen: Zwischen fünfzig und achtzig Prozent des Bestandsabfalls landen nicht in einem Grab am Meeresboden und lagern dort den Kohlenstoff ein, sondern werden bereits vorher wieder dem System aktiv zugeführt, berechnete Ken Buesseler von der Woods Hole Oceanographic Institution.
Jubel und Enttäuschung
Dieser Mut spiegelte sich im Abschlussdokument jedoch nicht wider: Zwar gaben selbst die USA ihren zähen Widerstand auf und traten dem Bali-Konsens letztlich bei. Mit Hilfe Chinas, Indiens, Russlands und Kanadas gelang es ihnen aber, verbindliche Minderungsziele in die Fußnoten des Protokolls zu verbannen – tatsächliche Einsparungen ungewiss. Eine weitere Kluft tat sich zwischen den Industrienationen und einer Reihe großer Schwellenländer auf, die Klimaschutz nicht gleichberechtigt neben ihrem berechtigten Wunsch nach wirtschaftlichem Wachstum etablieren möchten. Stattdessen solle der reiche Norden in Vorleistung treten und dem ärmeren Süden kostengünstig Zugang zu vorhandenen Einspar-Technologien ermöglichen, lautet schließlich ein durch Indien vermittelter Kompromiss. Was Bali bringt, vermögen erst die Zukunft und Folgekonferenzen zeigen.
Einen Erfolg im Hier und Jetzt feierten die Klimaschützer jedoch im Oktober: Für ihr Engagement, die Welt aufzuklären und vor den befürchteten gravierenden Folgen zu bewahren, zeichnete das norwegische Nobelpreis-Kommitee die IPCC und den ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore mit dem Friedensnobelpreis aus. Damit ging zum zweiten Mal nach 2004 die Auszeichnung an ein grünes Thema – damals erhielt sie die Kenianerin Wangari Maathai für ihre Arbeit gegen Entwaldung und Armut.
Geplünderte Natur
Möglicherweise spielen neben den FCKW aber noch andere Moleküle und Prozesse beim Ozonabbau eine Rolle, wie Francis Pope und seine Kollegen vom California Institute of Technology aus Laborexperimenten schlossen. Ihre Analysen ergaben, dass die Fotolyse der Verbindungen in der Laborsimulation rund sechsmal langsamer abläuft als vermutet. Sollten über den Polen Radikale tatsächlich entsprechend verzögert entstehen, so könnten sie für den seit Jahrzehnten beobachteten Ozon-Zerfall nicht allein verantwortlich sein. Vielleicht erklärte es aber gleichfalls die zögerliche Regenerierung des Schutzschirms.
Auf dem Land sieht es nicht besser aus: Selbst in afrikanischen Nationalparks schwindet die Zahl und Dichte von Großsäugern, berichteten Tim Caro von der Universität von Kalifornien in Davis und Paul Scholte von der Universität Leiden. Wilderei und Konkurrenz von Nutzvieh machen beispielsweise den Antilopen zu schaffen. In Europa, den USA oder Australien stören dagegen Hunde, die von ihren Herrchen oder Frauchen in Schutzgebieten Gassi geführt werden – sie vergrämen seltene Vögel. Sechs von acht Bärenarten gelten laut IUCN als in ihrem Fortbestand stark gefährdet. Conservation International listet 25 Primatenspezies auf, für die es fünf vor Zwölf ist.
Hoffen lässt die angebliche Sichtung eines Jangtse-Flussdelfins – auch Baiji genannt –, der nur wenige Monate zuvor als ausgestorben deklariert wurde. Ob eine lebensfähige Population im Jangtse überdauert, bleibt jedoch zweifelhaft. Dafür droht dem Vaquita – einer Kleinwalart aus dem Golf von Kalifornien – innerhalb kürzester Zeit die Ausrottung: Von rund 150 überlebenden Individuen ertrinken jährlich etwa vierzig in Fischernetzen.
Brennende Wälder
Weitere Lebewesen könnten unentdeckt bleiben, weil ihre Heimat zerstört wird – gerade für Regenwälder sieht es fortgesetzt schlecht auch, obwohl die Brandrodung in Brasilien 2007 weiter abnahm. Außerdem scheint der südamerikanische Tropenwaldgürtel einigermaßen resistent gegenüber dem Klimawandel zu sein: Trotz der ungewöhnlich starken sommerlichen Dürre 2005 notierten Wissenschaftler stärkeren Blattaustrieb und erhöhte Fotosyntheseleistung in der Region verglichen mit normalen Jahren. Guyana wiederum bot seiner ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien für großzügigere Entwicklungshilfe seinen kompletten Regenwald an.
Übel sieht es dagegen in Indonesien aus, wo riesige Flächen abgebrannt werden, um Platz für Ölpalmen zu schaffen. Sie sollen wiederum Agrarkraftstoffe für Europa liefern, um damit den Klimawandel zu bekämpfen. Eine Schizophrenie, die zunehmend Ökologen, Menschenrechtler und Naturschützer empört. Auch Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen mahnt, dass Sprit vom Feld keine Lösung sein kann: Aus den intensiv gedüngten Feldern entweiche zum Beispiel sehr viel Lachgas, das die Erwärmung 300-mal so intensiv anschürt wie Kohlendioxid.
Dabei böte eine intakte Umwelt und Artenvielfalt den Menschen so viel Gutes, wie Richard Fuller von der Universität Sheffield zu berichten weiß: Je diverser ein Stadtpark oder -wald ist, desto wohler und zufriedener fühlten sich die Bewohner in der Umgebung – noch dazu da seit dem 23. Mai die Mehrheit der Menschheit in Städten wohnt.
Lusi, Olga und Co
Immerhin blieb die Menschheit bisher 2007 von richtig schweren Naturkatastrophen verschont, wenngleich stärkere Beben Teile Perus, Japans und Indonesiens trafen und mehrere hundert Leben kosteten. Die vergangene Hurrikan-Saison im Atlantik verlief wider Erwarten harmloser, als von Meteorologen prognostiziert. Obwohl der mindernde Einfluss von El Niño im Pazifik im Frühjahr schwand und die Wassertemperaturen im Atlantik wie in der Karibik wieder einmal überdurchschnittlich hoch waren, entwickelten sich insgesamt nur 15 benannte Stürme – wovon nachweislich erstmals zwei mit der Stärke 5 an Land gingen. Mit "Olga" pflügte außerdem noch sehr spät ein Tropensturm durch die karibische Inselwelt. Dennoch verlebte die Region eine relative Ruhe – gerade an der US-amerikanischen Golfküste –, was sie dem nur schwachen Einfluss von La Niña verdankte. Scherwinde konnten deshalb in der Karibik die Hurrikan-Genese unterdrücken. Ähnlich aktiv wie in den Vorjahren verlief wiederum die Taifun-Saison im westlichen Pazifik, wo 24 größere Stürme über die Philippinen, Taiwan, China oder Japan hinweg donnerten.
Für das bloße menschliche Auge kaum ersichtlich, hebt sich der Krater des Yellowstone-Supervulkans wieder: von 2004 bis 2006 schneller als jemals zuvor beobachtet. Es gebe aber keine Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Eruption, die verheerende Konsequenzen für den gesamten Westen der USA haben würde, beruhigt Robert Smith von der Universität von Utah. Vielmehr handle es sich dabei um einen ganz normalen Prozess, der sich inzwischen auch wieder etwas verlangsamt habe.
Schmutzig sind die Gewitter, die Vulkangipfel bei Ausbrüchen umtoben. Zuerst baut sich laut Ronald Thomas vom New Mexico Tech in Socorro die neu identifizierte so genannte Explosionsphase auf, während der das Auswurfmaterial elektrostatisch stark aufgeladen ist. Sie löst sich in Myriaden unorganisierter Mini- und wenigen großen, einfachen Entladungen auf. Daran schließt sich wenig später ein zweiter Abschnitt mit "konventionellen" Blitzen an, wie sie aus normalen Gewittern bekannt sind. Ähnlich wie in Wolkentürmen, in denen sich Regentropfen elektrifizierend aneinander reiben, interagieren hier Aschepartikel, Lapilli und Eiskörner spannungstreibend.
Alfred Wegeners Erbe wächst
Wo Pangäa stille ruhte, legte der indische Subkontinent in der Unteren Kreide eine rasante Fahrt hin, glaubt man den Erkundungen von Rainer Kind vom GeoForschungszentrum (GFZ) in Potsdam. Mit immerhin bis zu zwanzig Zentimetern pro Jahr transportierten magmatische Konvektionsströme die Indische Platte gen Eurasien – zehnmal so schnell, wie sich heute Nordamerika und Europa voneinander entfernen. Der Grund: Ein magmatischer Plume aus besonders heißem geschmolzenen Gestein zehrte die Hälfte von Indiens kontinentaler Wurzel auf und beschleunigte den Subkontinent damit. Und dass sich überhaupt sichtbare Kontinente bewegen können, führen David Chapman und Derrick Hasterok von der Universität von Utah in Salt Lake City auf radioaktiven Zerfall in der unteren Erdkruste zurück – die erzeugte Hitze verantwortet jeweils die Hälfte der gegenwärtigen Höhenlage jedes einzelnen Punktes auf dem Festland.
Familienzuwachs bei Dinosauriers
In etwas kleineren Dimensionen denken und arbeiten die Dinosaurierfreunde und Paläontologen, die sich während der letzten zwölf Monate beispielsweise über einen fossilen Flugdrachen freuen konnten. Mit Hilfe verlängerter Rippen konnte dieser eine Flughaut zwischen den Vorder- und Hinterbeinen aufspannen, um durch die Luft zu gleiten – ähnliche Reptilien leben heute noch in den Wäldern Südostasiens. In Montana gruben Wissenschaftler um David Varricchio von der Montana State University in Bozeman erstmals Dinosaurierreste aus, die darauf hindeuten, dass manche Urzeit-Echsen zeitweise in selbst angelegten Bauen gelebt und ihre Jungen darin aufgezogen haben. Die Velociraptoren waren weniger Furcht einflössend als im Kino suggeriert, sondern rangierten eher in der Größenordnung heutiger Truthähne, schloss Alan Turner vom Amerikanischen Museum für Naturgeschichte in New York aus Knochenfunden.
Chinesische Forscher haben die Überreste eines gigantischen, vogelähnlichen Raubsauriers in der Inneren Mongolei ausgegraben. Der rund acht Meter lange Gigantoraptor war rund 35-mal so schwer wie ähnliche gefiederte Dinosaurier, die selten mehr als vierzig Kilogramm erreichten. Ein älterer Fund aus Südafrika hingegen gehört eher in die Kategorie der Winzlinge unter den Urechsen, denn Eocursor parvus wurde nur etwa einen Meter lang und rund dreißig Zentimeter hoch. Das Fossil fülle eine empfindliche Lücke im Wissen über die frühe, Pflanzen fressende Ordnung der Vogelbecken-Dinosaurier, so Entdecker Richard Butler vom Naturhistorischen Museum in London. Einen Rekord der besonderen Art hält Nigersaurus taqueri – ein Dino, dessen äußerst breiter Kiefer mit mehr als 500 Zähnen bestückt ist, berichteten Paul Sereno und sein Team von der Universität von Chicago.
Auch die Herkunft der vermeintlichen Dino-Nemesis könnte entschlüsselt sein. Simulationen zufolge entstand der Chicxulub-Meteorit als Überrest eines Zusammenstoßes im Asteroidengürtel vor 160 Millionen Jahren. Eine solche Katastrophe droht uns nach Aussagen der Astronomen in der nächsten Zukunft nicht.
Etwas anders sieht die Situation in Deutschland aus, denn hier könnte 2007 tatsächlich noch zum Titelträger der vergangenen 130 Jahre aufsteigen. Auf einen extrem warmen Januar, der fünf Grad Celsius über dem langjährigen Schnitt lag, folgten bis zum August weitere warme Monate. Erst die kalten Sommermonate August und September dämpften die Rekordjagd. Nun hängt es von den restlichen Tagen bis zum Jahreswechsel ab, ob 2007 den Rekordhalter – das Jahr 2000 – überholen kann: Müssen wir weiterhin unter den kalten Temperaturen von Hoch "Bernhilde" zittern, könnten am Ende wenige Hundertstel Grad Celsius fehlen.
Insgesamt bestätigt 2007 mit einem weltweiten Plus von rund 0,4 Grad Celsius über dem langjährigen Mittel einen Trend: den zu einer heißeren Erde. Denn zwölf der 13 wärmsten der vergangenen 130 Jahre liegen im Zeitraum zwischen 1994 und 2007, und Schuld daran hat der Energieverbrauch der Menschheit. Nur noch eine sehr kleine Minderheit an Wissenschaftlern widerspricht der These, dass der Klimawandel von den ungeheuren Mengen Kohlendioxid oder Methan verursacht wird, die täglich Kraftwerke, Auspufftöpfe oder brennende Regenwälder in die Atmosphäre pusten.
Indikation und Kontraindikation
Niederschlag finden die Forschungsergebnisse im Bericht des UN-Klimarates (IPCC), der im Februar in Paris veröffentlicht wurde: Bis zum Ende des Jahrhunderts droht der Erde demnach im schlimmsten Fall eine beispiellose Klimaerwärmung um bis zu 6,4 Grad Celsius, und der Mensch trägt mit einer mehr als 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit die alleinige Verantwortung. Seit 1850 stiegen die globalen Temperaturmittelwerte um 0,76 Grad Celsius, der Anstieg der Meeresspiegel hat sich seit 1993 verglichen mit den Dekaden zuvor auf 3,1 Millimeter pro Jahr fast verdoppelt, extreme Wetterereignisse wie Dürren, schwere Niederschläge oder Hitzewellen häufen sich – was sich 2007 ebenfalls schon angedeutet hat: Wohl erstmals seit Menschengedenken trafen Wirbelstürme den Iran und Oman, notierten Meteorologen Niederschlagsrekorde auf Reunion, versanken Bangladesh, Ostafrika und Teile des Sahels in Regenfluten und war der englische Frühsommer der feuchteste seit 1766. Und für die Zukunft erwartet die Klimatologen-Zunft eher noch Schlimmeres.
Möglicherweise übertrifft die Realität sogar alle Prognosen, wie Wissenschaftler um Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung warnen: Kohlendioxid-Werte, Temperaturen und Meeresspiegel stiegen während der letzten fünf Jahre kräftiger, als zu Beginn des Jahrtausends prognostiziert wurde. Außerdem legte der gesamte CO2-Ausstoß der Menschheit seit Beginn des neuen Jahrtausends dreimal so schnell zu wie im Jahrzehnt zuvor: Während in den 1990er Jahren die Emissionen jährlich durchschnittlich um 1,1 Prozent anstiegen, kletterten sie seit dem Jahr 2000 auf 3,1 Prozent.
Nachdem wissenschaftlich geklärt ist, dass ein Klimawandel stattfindet und wer ihn verursacht, verlagert sich die Diskussion noch stärker auf seine Folgen und potenzielle Gegenmaßnahmen. Rapide Veränderungen laufen für jeden ersichtlich in der Arktis ab, deren Meereisbedeckung mit 4,13 Millionen Quadratkilometern im September ein neues historisches Tief erreicht hatte – ein Verlust von einem Drittel während der letzten Jahrzehnte. Erstmals seit Beginn der arktischen Seefahrt schmolz im September die Nordwest-Passage komplett frei und hätte durchgängig vom Atlantik zum Pazifik von Schiffen befahren werden können. Neueste Prognosen gehen auf Grund verstärkter Rückkoppelungseffekte davon aus, dass dies ab dem Jahr 2013 im Sommer ein Dauerzustand ist.
Eisschwund
Grönlands Gletscher schmelzen jährlich um hundert Gigatonnen ab, weil sie durch die wärmeren Lufttemperaturen tauen oder schneller ins Meer strömen. Der arktische Frühling zieht deutlich zeitiger ein als früher: Je nach Art und Region blühen Pflanzen oder brüten Vögel zwei bis vier Wochen eher. Zugleich wiesen John Smol von der Queen's-Universität und Marianne Douglas von der Universität von Alberta in Edmonton nach, dass allein in Kanada und Alaska in den letzten Jahren weit über tausend Seen einfach verdampft sind oder wegen tauenden Permafrosts versickerten – Gewässer, die über Tausende von Jahren bestanden.
Überhaupt die Polregionen: Ihre Erforschung stand 2007 ganz im Zeichen des Internationalen Polarjahrs, das die Öffentlichkeit auf die besondere Bedeutung der Eispaläste für die Erde aufmerksam machen soll. Deutschland spielt mit dem Alfred-Wegener-Institut und dessen Stationen in Arktis und Antarktis keine unerhebliche internationale Rolle auf diesem Gebiet, und damit es seine führende Position beibehält, genehmigte das Bundesministerium für Bildung und Forschung die technischen Entwicklungsarbeiten für das Forschungsbohrschiff "Aurora Borealis" – die Nachfolgerin der wissenschaftlich überaus erfolgreichen "Polarstern".
Eine weitere deutsche Forschungseinrichtung – das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar – wiederum entkräftete Befürchtungen, der Golfstrom könne wegen des ganzen Schmelzwassers im Nordatlantik seine wärmende Kraft für Europa verlieren. Nach Langzeitmessungen schwanken die Wassermengen des Stroms vor der kanadischen Küste innerhalb von Wochen und Monaten stark, doch gebe es keine dramatischen langfristigen Trends, die auf seine Abnahme hinwiesen, melden die beteiligten Forscher. Ins gleiche Horn stießen Stuart Cunningham vom National Oceanography Centre in Southampton und seine Kollegen: Die im Golfstromsystem ausgetauschten Wassermengen zwischen den Tropen und dem Nordatlantik variieren regelmäßig im Jahresverlauf um den Faktor 8. Zuvor gemeldete Abschwächungen der Zirkulation, die warmes Oberflächenwasser nach Norden und kaltes Tiefenwasser nach Süden transportiert, dürften deshalb wohl eher auf die bislang mangelhafte Datenbasis zurückzuführen sein.
Was tun?
Reale Maßnahmen gegen den Klimawandel testet schließlich eine dritte wissenschaftliche Vereinigung der Bundesrepublik: Unter Mitwirkung des Potsdamer Geoforschungszentrums startete im Februar mit CO2Sink ein Versuchsprojekt, bei dem Kohlendioxid in einem 800 Meter tiefen salzigen Grundwasserleiter eingelagert werden soll – gelingt es, böte diese Entsorgung eine Möglichkeit, Energie auch aus Kohle oder Öl zu erzeugen, ohne dem Klima zu schaden. Eine andere Alternative setzt auf die Stärkung von Kohlenstoff-Senken wie Wälder, die Kohlendioxid umwandeln in Holz und somit dem System für geraume Zeit entziehen. Doch sollte die Menschheit diesbezüglich auf die Tropen setzen, meint Govindasamy Bala vom Lawrence Livermore National Laboratory, da nur Regenwälder genügend CO2 binden.
Die Ozeane wiederum könnten an der Grenze ihrer Aufnahmekapazität angelangt sein, befürchtet Josep Canadell vom Global Carbon Project im australischen Canberra. Sein Team bilanzierte, dass in den Meeren rund um die Antarktis mehr Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben wird, weil stärkere Stürme die Ozeane weiter südlich als zuvor aufwühlen. Insgesamt sinkt dadurch die CO2-Menge, die auf diese Weise der Atmosphäre entzogen wird. Auch die oft gewünschte Eisendüngung auf hoher See, durch die mehr Algen wachsen sollen, scheint nicht so Erfolg versprechend, wie es sich Forscher wünschen: Zwischen fünfzig und achtzig Prozent des Bestandsabfalls landen nicht in einem Grab am Meeresboden und lagern dort den Kohlenstoff ein, sondern werden bereits vorher wieder dem System aktiv zugeführt, berechnete Ken Buesseler von der Woods Hole Oceanographic Institution.
Lösungen aber sind gefragt, denn die im IPCC versammelten Wissenschaftler geben der Welt noch acht Jahre, sich selbst zu retten, wie der Rat im Mai während der Vorstellung des dritten Teilberichts in Bangkok kund tat. Auf Bali während der letzten Weltklimakonferenz des Jahres sollten dementsprechend konkrete und mutige Schritte gewagt werden. Neuseeland, Costa Rica und Norwegen preschten auch vor und verkündeten, ihre Nationen bis spätestens 2040 CO2-neutral zu gestalten. Und Deutschland will seine Emissionen bis 2020 immerhin um vierzig Prozent gegenüber dem Jahr 1990 senken.
Jubel und Enttäuschung
Dieser Mut spiegelte sich im Abschlussdokument jedoch nicht wider: Zwar gaben selbst die USA ihren zähen Widerstand auf und traten dem Bali-Konsens letztlich bei. Mit Hilfe Chinas, Indiens, Russlands und Kanadas gelang es ihnen aber, verbindliche Minderungsziele in die Fußnoten des Protokolls zu verbannen – tatsächliche Einsparungen ungewiss. Eine weitere Kluft tat sich zwischen den Industrienationen und einer Reihe großer Schwellenländer auf, die Klimaschutz nicht gleichberechtigt neben ihrem berechtigten Wunsch nach wirtschaftlichem Wachstum etablieren möchten. Stattdessen solle der reiche Norden in Vorleistung treten und dem ärmeren Süden kostengünstig Zugang zu vorhandenen Einspar-Technologien ermöglichen, lautet schließlich ein durch Indien vermittelter Kompromiss. Was Bali bringt, vermögen erst die Zukunft und Folgekonferenzen zeigen.
Einen Erfolg im Hier und Jetzt feierten die Klimaschützer jedoch im Oktober: Für ihr Engagement, die Welt aufzuklären und vor den befürchteten gravierenden Folgen zu bewahren, zeichnete das norwegische Nobelpreis-Kommitee die IPCC und den ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore mit dem Friedensnobelpreis aus. Damit ging zum zweiten Mal nach 2004 die Auszeichnung an ein grünes Thema – damals erhielt sie die Kenianerin Wangari Maathai für ihre Arbeit gegen Entwaldung und Armut.
Dass internationale Abkommen Wirkung zeigen können, bezeugt am besten jenes von Montreal. Es bannte FCKW, um die Ozonschicht zu bewahren. Zwar öffnet sich stets jährlich bis zum September ein neues großes Loch in der schützenden Hülle – es umfasste im letzten Herbst 24,7 Millionen Quadratkilometer und damit etwa die Fläche Nordamerikas –, denn die Chemikalien sind langlebig. Doch ihre Konzentration schwindet langsam, gleichzeitig lässt der Ozonabbau sachte nach. Zusätzlich ersparte der Montreal-Vertrag der Atmosphäre hunderttausende Tonnen FCKW, die dem Klima deutlich stärker einheizen würden als vergleichbare Kohlendioxid-Mengen.
Geplünderte Natur
Möglicherweise spielen neben den FCKW aber noch andere Moleküle und Prozesse beim Ozonabbau eine Rolle, wie Francis Pope und seine Kollegen vom California Institute of Technology aus Laborexperimenten schlossen. Ihre Analysen ergaben, dass die Fotolyse der Verbindungen in der Laborsimulation rund sechsmal langsamer abläuft als vermutet. Sollten über den Polen Radikale tatsächlich entsprechend verzögert entstehen, so könnten sie für den seit Jahrzehnten beobachteten Ozon-Zerfall nicht allein verantwortlich sein. Vielleicht erklärte es aber gleichfalls die zögerliche Regenerierung des Schutzschirms.
Ähnlich traurig wie beim aktiven Klimaschutz sah es 2007 auch mit dem Fortbestand der Fauna und Flora des Planeten aus: Im März schrillten die Alarmglocken der FAO, dass insgesamt ein Viertel der Meeresfisch-Bestände am Rande der wirtschaftlichen Auslöschung stehe. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Bestände würden bereits heute derart intensiv ausgebeutet, dass keine Steigerung mehr möglich sei – etwa beim Seehecht, dem Atlantischen Kabeljau, dem Heilbutt, dem Blauflossentunfisch oder dem Riesenhai, und auch der europäische Aal ist nun so selten, dass für ihn strenge Handelsbeschränkungen erlassen wurden.
Auf dem Land sieht es nicht besser aus: Selbst in afrikanischen Nationalparks schwindet die Zahl und Dichte von Großsäugern, berichteten Tim Caro von der Universität von Kalifornien in Davis und Paul Scholte von der Universität Leiden. Wilderei und Konkurrenz von Nutzvieh machen beispielsweise den Antilopen zu schaffen. In Europa, den USA oder Australien stören dagegen Hunde, die von ihren Herrchen oder Frauchen in Schutzgebieten Gassi geführt werden – sie vergrämen seltene Vögel. Sechs von acht Bärenarten gelten laut IUCN als in ihrem Fortbestand stark gefährdet. Conservation International listet 25 Primatenspezies auf, für die es fünf vor Zwölf ist.
Insgesamt stehen 41 415 Tiere und Pflanzen auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Die Zahl der als "vom Aussterben bedroht" eingestuften Spezies ist innerhalb des letzten Jahres von 16 118 auf 16 306 angestiegen, 785 Arten gelten als bereits ausgestorben, weitere 65 gibt es lediglich noch in Gefangenschaft. Laut IUCN ist jede vierte Säugetierart, jede achte Vogelart und ein Drittel aller Amphibien bedroht. Dies gelte auch für siebzig Prozent der auf der Roten Liste aufgeführten bekannten Pflanzen. Nur eine einzige Art wurde im Vergleich zum Vorjahr herabgestuft: der Mauritiussittich.
Hoffen lässt die angebliche Sichtung eines Jangtse-Flussdelfins – auch Baiji genannt –, der nur wenige Monate zuvor als ausgestorben deklariert wurde. Ob eine lebensfähige Population im Jangtse überdauert, bleibt jedoch zweifelhaft. Dafür droht dem Vaquita – einer Kleinwalart aus dem Golf von Kalifornien – innerhalb kürzester Zeit die Ausrottung: Von rund 150 überlebenden Individuen ertrinken jährlich etwa vierzig in Fischernetzen.
Brennende Wälder
Weitere Lebewesen könnten unentdeckt bleiben, weil ihre Heimat zerstört wird – gerade für Regenwälder sieht es fortgesetzt schlecht auch, obwohl die Brandrodung in Brasilien 2007 weiter abnahm. Außerdem scheint der südamerikanische Tropenwaldgürtel einigermaßen resistent gegenüber dem Klimawandel zu sein: Trotz der ungewöhnlich starken sommerlichen Dürre 2005 notierten Wissenschaftler stärkeren Blattaustrieb und erhöhte Fotosyntheseleistung in der Region verglichen mit normalen Jahren. Guyana wiederum bot seiner ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien für großzügigere Entwicklungshilfe seinen kompletten Regenwald an.
Übel sieht es dagegen in Indonesien aus, wo riesige Flächen abgebrannt werden, um Platz für Ölpalmen zu schaffen. Sie sollen wiederum Agrarkraftstoffe für Europa liefern, um damit den Klimawandel zu bekämpfen. Eine Schizophrenie, die zunehmend Ökologen, Menschenrechtler und Naturschützer empört. Auch Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen mahnt, dass Sprit vom Feld keine Lösung sein kann: Aus den intensiv gedüngten Feldern entweiche zum Beispiel sehr viel Lachgas, das die Erwärmung 300-mal so intensiv anschürt wie Kohlendioxid.
Feuer verheerten außerdem wieder große Flächen rund ums Mittelmeer und in Kalifornien: Allein in Griechenland starben an einem Tag im August über sechzig Menschen in den Feuersbrünsten. In einer konzertierten Aktion gelang es Feuerwehreinheiten, der Polizei sowie Freiwilligen, die Baudenkmäler und das Museum von Olympia zu retten: Die Feuer hatten bereits das Stadion erreicht und den Park des Museum versengt, verschonten aber die historischen Bauten. Brandstiftung galt in den meisten Fällen als Auslöser.
Dabei böte eine intakte Umwelt und Artenvielfalt den Menschen so viel Gutes, wie Richard Fuller von der Universität Sheffield zu berichten weiß: Je diverser ein Stadtpark oder -wald ist, desto wohler und zufriedener fühlten sich die Bewohner in der Umgebung – noch dazu da seit dem 23. Mai die Mehrheit der Menschheit in Städten wohnt.
Lusi, Olga und Co
Immerhin blieb die Menschheit bisher 2007 von richtig schweren Naturkatastrophen verschont, wenngleich stärkere Beben Teile Perus, Japans und Indonesiens trafen und mehrere hundert Leben kosteten. Die vergangene Hurrikan-Saison im Atlantik verlief wider Erwarten harmloser, als von Meteorologen prognostiziert. Obwohl der mindernde Einfluss von El Niño im Pazifik im Frühjahr schwand und die Wassertemperaturen im Atlantik wie in der Karibik wieder einmal überdurchschnittlich hoch waren, entwickelten sich insgesamt nur 15 benannte Stürme – wovon nachweislich erstmals zwei mit der Stärke 5 an Land gingen. Mit "Olga" pflügte außerdem noch sehr spät ein Tropensturm durch die karibische Inselwelt. Dennoch verlebte die Region eine relative Ruhe – gerade an der US-amerikanischen Golfküste –, was sie dem nur schwachen Einfluss von La Niña verdankte. Scherwinde konnten deshalb in der Karibik die Hurrikan-Genese unterdrücken. Ähnlich aktiv wie in den Vorjahren verlief wiederum die Taifun-Saison im westlichen Pazifik, wo 24 größere Stürme über die Philippinen, Taiwan, China oder Japan hinweg donnerten.
Weiter vor sich hin blubbert der javanische Schlammvulkan Lusi – allen Gegenmaßnahmen zum Trotz: Richard Davies, Leiter eines Untersuchungsteams von der Universität Durham, geht davon aus, dass im Untergrund so viel Material vorhanden ist, dass noch Monate oder gar Jahre zwischen 7000 und 150 000 Kubikmeter heißer Schlamm pro Tag aus dem Krater sprudeln können. Die Schuld für Lusis Geburt trägt eine indonesische Bergbaufirma, die das Matsch-Reservoir auf der Suche nach Öl und Gas angebohrt hat. Immerhin gelang es im Mai, die Eruption für dreißig Minuten zu unterbrechen, nachdem Ingenieure hunderte Eisenkugeln in Lusis Schlund versenkt hatten – letzten Endes erfolglos.
Für das bloße menschliche Auge kaum ersichtlich, hebt sich der Krater des Yellowstone-Supervulkans wieder: von 2004 bis 2006 schneller als jemals zuvor beobachtet. Es gebe aber keine Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Eruption, die verheerende Konsequenzen für den gesamten Westen der USA haben würde, beruhigt Robert Smith von der Universität von Utah. Vielmehr handle es sich dabei um einen ganz normalen Prozess, der sich inzwischen auch wieder etwas verlangsamt habe.
Schmutzig sind die Gewitter, die Vulkangipfel bei Ausbrüchen umtoben. Zuerst baut sich laut Ronald Thomas vom New Mexico Tech in Socorro die neu identifizierte so genannte Explosionsphase auf, während der das Auswurfmaterial elektrostatisch stark aufgeladen ist. Sie löst sich in Myriaden unorganisierter Mini- und wenigen großen, einfachen Entladungen auf. Daran schließt sich wenig später ein zweiter Abschnitt mit "konventionellen" Blitzen an, wie sie aus normalen Gewittern bekannt sind. Ähnlich wie in Wolkentürmen, in denen sich Regentropfen elektrifizierend aneinander reiben, interagieren hier Aschepartikel, Lapilli und Eiskörner spannungstreibend.
Alfred Wegeners Erbe wächst
Von den lichten Höhen der Gipfel in die Tiefen der Erdkruste: Knapp fünfzig Jahre nach der Quasi-Anerkennung der Plattentektonik-Theorie fügen Geologen ihr immer noch neue Mosaikstückchen hinzu: Harald Furnes von der norwegischen Universität Bergen beispielsweise schließt aus grönländischen Gesteinen, dass Gesteinsplatten womöglich knapp zwei Milliarden Jahre eher über die Erdoberfläche drifteten, als bislang vermutet. Angesichts dieser Vorverlegung rätseln andere Forscher wohl noch mehr über die Entdeckungen Clinton Rowes von der Universität von Nebraska in Lincoln. Versteinerte Sedimente aus dem Südwesten der USA bezeugen seiner These nach, dass entweder die grobe klimatische Zonierung Pangäas so gar nicht mit der heutigen übereinstimmt – oder aber der Riesenkontinent verharrte allen Kräften im Erdinneren zum Trotz über Millionen Jahre hinweg an Ort und Stelle.
Wo Pangäa stille ruhte, legte der indische Subkontinent in der Unteren Kreide eine rasante Fahrt hin, glaubt man den Erkundungen von Rainer Kind vom GeoForschungszentrum (GFZ) in Potsdam. Mit immerhin bis zu zwanzig Zentimetern pro Jahr transportierten magmatische Konvektionsströme die Indische Platte gen Eurasien – zehnmal so schnell, wie sich heute Nordamerika und Europa voneinander entfernen. Der Grund: Ein magmatischer Plume aus besonders heißem geschmolzenen Gestein zehrte die Hälfte von Indiens kontinentaler Wurzel auf und beschleunigte den Subkontinent damit. Und dass sich überhaupt sichtbare Kontinente bewegen können, führen David Chapman und Derrick Hasterok von der Universität von Utah in Salt Lake City auf radioaktiven Zerfall in der unteren Erdkruste zurück – die erzeugte Hitze verantwortet jeweils die Hälfte der gegenwärtigen Höhenlage jedes einzelnen Punktes auf dem Festland.
Familienzuwachs bei Dinosauriers
In etwas kleineren Dimensionen denken und arbeiten die Dinosaurierfreunde und Paläontologen, die sich während der letzten zwölf Monate beispielsweise über einen fossilen Flugdrachen freuen konnten. Mit Hilfe verlängerter Rippen konnte dieser eine Flughaut zwischen den Vorder- und Hinterbeinen aufspannen, um durch die Luft zu gleiten – ähnliche Reptilien leben heute noch in den Wäldern Südostasiens. In Montana gruben Wissenschaftler um David Varricchio von der Montana State University in Bozeman erstmals Dinosaurierreste aus, die darauf hindeuten, dass manche Urzeit-Echsen zeitweise in selbst angelegten Bauen gelebt und ihre Jungen darin aufgezogen haben. Die Velociraptoren waren weniger Furcht einflössend als im Kino suggeriert, sondern rangierten eher in der Größenordnung heutiger Truthähne, schloss Alan Turner vom Amerikanischen Museum für Naturgeschichte in New York aus Knochenfunden.
Chinesische Forscher haben die Überreste eines gigantischen, vogelähnlichen Raubsauriers in der Inneren Mongolei ausgegraben. Der rund acht Meter lange Gigantoraptor war rund 35-mal so schwer wie ähnliche gefiederte Dinosaurier, die selten mehr als vierzig Kilogramm erreichten. Ein älterer Fund aus Südafrika hingegen gehört eher in die Kategorie der Winzlinge unter den Urechsen, denn Eocursor parvus wurde nur etwa einen Meter lang und rund dreißig Zentimeter hoch. Das Fossil fülle eine empfindliche Lücke im Wissen über die frühe, Pflanzen fressende Ordnung der Vogelbecken-Dinosaurier, so Entdecker Richard Butler vom Naturhistorischen Museum in London. Einen Rekord der besonderen Art hält Nigersaurus taqueri – ein Dino, dessen äußerst breiter Kiefer mit mehr als 500 Zähnen bestückt ist, berichteten Paul Sereno und sein Team von der Universität von Chicago.
Auch die Herkunft der vermeintlichen Dino-Nemesis könnte entschlüsselt sein. Simulationen zufolge entstand der Chicxulub-Meteorit als Überrest eines Zusammenstoßes im Asteroidengürtel vor 160 Millionen Jahren. Eine solche Katastrophe droht uns nach Aussagen der Astronomen in der nächsten Zukunft nicht.
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